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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 8
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Dormoy, Marie: Ambroise Vollard: Deutsch von Margarete Mauthner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0342

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Mit der Zeit nahm es Ambroise Vollard immer lässiger
mit der Rechtswissenschaft und suchte mit größerer Energie
Anschluß an die Kunstkreise. Er lernte Henry de Groux
im ersten Jahr kennen, als dieser bei den Independants
ausstellte, ebenso den Doktor Fileau, einen Freund Guillau-
mins, der Bilder von Manet, Cezanne, Renoir und Sisley
besaß.

Dieser Zeitpunkt wurde für den Beruf Vollards ent-
scheidend. Im Jahre 1892 kaufte er bei der Auktion Vater
Tanguys seine ersten Cezannes. Im gleichen Jahr wurde er
Renoir vorgestellt, der ihn später mit Degas und dann mit
Cezanne bekannt machte.

Schließlich im Jahre 1894 eröffnete er, ganz oben in der
Rue Lafitte, einen kleinen, sehr bescheidenen Laden, in
dem Monet, Sisley, Pissarro aus und ein gingen und der
bald das Hauptquartier des Impressionismus wurde.

Ambroise Vollard ist ein Frondeur, er fühlt sich in sei-
nem Element, wenn er Aufsehen, ja sogar Ärgernis erregt.
Als im Jahre 1895 der Staat oder vielmehr das Ministerium
der Schönen Künste die Stiftung Caillebotte in ostentativer
Weise ablehnte und daraufhin eine leidenschaftliche Polemik
einsetzte, hielt Vollard den Augenblick für gekommen, eine
Ausstellung des so heiß umstrittenen Malers zu veranstalten*.

Mit einem Schlag wurde der kleine Laden in der Rue
Lafitte berühmt, nicht nur, weil dort die Werke der so heftig
befehdeten Künstler zu sehen waren, sondern auch, weil es
ein ungezwungener und angenehmer Treffpunkt war.

Zwei Jahre später, 1896, Zog Vollard um, er eröffnete
einen Laden, ebenfalls in der Rue Lafitte, in dem Hause
Nr. 6. Auch hier war der Besuch sehr lebhaft, denn neben
den Bildern gab es jetzt eine neue Anziehungskraft. Am-
broise Vollard erzählte denen, die kamen, um seine Bilder
und Zeichnungen zu sehen, von seinem Vaterland, der Zau-
berinsel Reunion. Er sprach mit Entzücken von ihrem Klima,
ihrem Sonnenschein, in dem es sich so friedlich leben läßt,
von den Reizen der Frauen seiner Heimat. Von diesen mehr
allgemeinen Schilderungen ging er zu positiveren über: dem
Aroma der Kokosnüsse, des Palmkohls und der Pampel-
musen. Was aber seien alle diese Genüsse gegen ein Huhn
mit Curry!

Aber nicht etwa jener gemeine Curry, den die Engländer
verwenden, bewahre! Nein, ein Curry, der extra für die
Eingeborenen zubereitet wird, eine ganz besonders aroma-
tische, ölige, von der Sonne durchkochte Substanz. Dem Er-
zähler lief dabei das Wasser im Munde zusammen.

Wenn es sich um eine bevorzugte Persönlichkeit han-
delte, pflegte dann Vollard mit dem Lächeln eines gutge-
launten Menschenfressers hinzuzusetzen:

„Wie denken Sie darüber, wollen Sie es irgendwann
einmal ganz ungeniert bei mir kosten?" Der Besucher sagte
freudig zu in Erwartung der geschilderten Herrlichkeiten.
Und einige Tage später saß er in dem hinteren Laden,
mitten unter lauter staubigen Bildern beim Frühstück an
einem eilig hingestellten Tisch, der aber mit der größten
Sorgfalt gedeckt war.

In diesem hinteren Laden defilierte ganz Paris.

Indem Vollard auf diese Weise seine Beziehungen sorg-
sam pflegte und mit den Malern, deren Preise er in die

* Vgl. Cezanne, par Ambroise Vollard, Oes e'dit.

Höhe getrieben hatte, in stetem Verkehr blieb, hatte er mit
dem Verkaufen keine Eile. Welches Interesse hätte er auch
daran gehabt? Er liebte eine einfache Lebensführung, jeder
Luxus nach außen hin war ihm widerwärtig. Er genießt
das dolce farniente, das allen Südländern in Fleisch und
Blut liegt, mit ganz besonderem Behagen; und davon abge-
sehen war er so fest davon überzeugt, daß die eifersüchtig
behüteten und aufgehäuften Schätze seiner Bilder von Tag
zu Tag im Werte steigen mußten!

Vom Jahre 1902 an betätigte sich Ambroise Vollard als
Verleger, und diesen Zweig seines Berufs verfolgte er mit
solcher Leidenschaft, daß der Bilder-Handel erst an zweiter
Stelle kam. Alle passionierten Bibliophilen erinnern sich
des Erscheinens von Verlaines „Parallelement" und von
„Daphnis und Chloe", beides von Bonnärd illustriert, und
des „Jardin de Supplices" von Octave Mirbeau, mit Illustra-
tionen von Rodin.

Im Jahre 1903 veranstaltete er die erste Pariser Aus-
stellung von van Gogh, die übrigens keinen Erfolg hatte.
Von hundert sehr importanten Werken fanden nur zwei Bil-
der Käufer.

Während des Krieges schloß Vollard seinen Laden in
der Rue Lafitte und richtete sich eine kleine Wohnung in
der Rue de Grammont ein.

Hier herrschte dieselbe Atmosphäre wie früher in dem
hinteren Laden. Er empfing seine Gäste in einem Eßzimmer,
das durch weiße Holzregale auf dreiviertel seiner Größe
reduziert war. In den Regalen waren Bilder von unschätz-
barem Wert aufgestapelt. Auf dem Boden lag ein abge-
nutzter Teppich, auf dem niedliche Mäuschen, zutraulich
wie gefangene Prinzessinnen, hin und her liefen. Und über
all das strahlte ein prachtvoller Renoir, der in der dun-
kelsten Zimmerecke einen blendenden Farbenfleck bildete!
Hin und wieder wurde er durch einen Cezanne, einen Pi-
casso oder Degas ersetzt. Und immer, um die gewohnte
Stunde, erschien, sicher wie das Amen in der Kirche, das
Huhn mit Curry, das in seinem goldigen Ton das glänzend
geplättete Tischtuch noch weißer erscheinen ließ.

Die heroischen Zeiten des Impressionismus waren vor-
über, und Ambroise Vollard begann, sich für jüngere Künst-
ler zu interessieren.

Er veranstaltete die erste Ausstellung von Picasso, kurz
nachdem dieser sich in Paris niedergelassen hatte. Er er-
warb Bilder von Bonnard, Vuillard, Valtat, Jean Puy, Mau-
rice Denis, van Dongen, Vlaminck, Derain, Rouault, die noch
zum großen Teil in seinem Besitz sind.

Von diesen Künstlern interessiert ihn am meisten Rouault.
Gleich nachdem er ihn kennen gelernt hatte, bestellte er
bei ihm Keramiken, kurz darauf sicherte er sich seine ge-
samte Produktion und beauftragte ihn mit der Illustrierung
zahlreicher Bücher.

Gleich nach dem Krieg erwarb Ambroise Vollard ein
großes, hinter Sainte Clotilde liegendes Patrizierhaus im Stil
Louis-Philippe. Seine Wahl fiel gerade auf dieses Haus, weil
es die gleiche Nummer trug wie seine Wohnung in der Rue
de Grammont.

Zu diesem Umzug brauchte Vollard über sieben Jahre.
Der Reichtum ist bei ihm eingekehrt, die Berühmtheit nicht
minder. Vollard ist nicht nur als Besitzer der schönsten Im-
 
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