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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 4
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Lamm, Albert: Zu Rosenhagens Liebermann-Monographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0182

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AUGUSTE RENOIR, SPIELENDES KIND

MIT ERLAUBNIS DER D D. A. AUSGESTELLT IN DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN

ZU ROSENHAGENS LIEBERMANN-MONOGRAPHIE

VON

ALBERT LAMM

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Hans Rosenhagens 1900 erschienene Liebermann-Mono-
graphie (Velhagen & Klasing) wird eben in einer zweiten,
ganz umgeschriebenen Auflage herausgegeben. Rosenhagen
will damit sein Buch nicht nur vervollständigen. Er betont
einen Unterschied zwischen beiden Ausgaben: die erste
sollte eine Werbeschrift für den damals noch viel um-
strittenen Maler sein; eine solche ist heute nicht mehr nötig.
„Aber" — man untersuche die Bedeutung des „aber" an dieser
Stelle, das etwas zu betonen und doch nichts sagen zu wollen
scheint — „aber die Meinungen und Urteile über ihn und
seine Leistungen haben sich in der Zwischenzeit geklärt.
Darauf mußte Rücksicht genommen werden." (S. 99.) Das
will einfach sagen: Rosenhagen denkt heute anders über
Liebermann. Denn es ist unerfindlich, welche „Rücksichten"
ein selbständiger Beurteiler den meinetwegen geklärten Mei-
nungen und Urteilen anderer schuldig ist, wenn er sie nicht
teilt. Und es ist in der Tat unmöglich, aus der umgeschrie-
benen Monographie nicht herauszuhören, wie der ehemalige
unbedingte Bewunderer der Liebermannschen Malerei heute
einen letzten tiefen Zweifel am Werte Liebermanns über-
haupt im Leser anzufachen trachtet.

Es ist keine Frage, es wird heute an der Bedeutung Lie-
bermanns gerüttelt. Und hier hilft einer, der ihm früher blind
ergeben war. Was geht vor? Liebermanns Name ist nicht
nur der eines Malers, der in die Kunstgeschichte eingegangen
ist; Liebermanns Person und Wirken ist von einer kultur-
geschichtlichen Bedeutung, die wieder ausgelöscht werden
soll. So naiv ist keiner, der nach Jahrzehnte langem Dabei-
sein öffentlich redet, daß er nicht wüßte, um was es geht. Darum

kann man an Rosenhagens Tun nicht vorübergehen, als wür-
den nur einige Korrekturen an ehemaligem Überschwang ge-
geben. Hinter solchem Schein liegt eine bewußte Absicht,
und diese trifft nicht nur Liebermann.

Eine solche Absicht ist in der Monographie Rosenhagens
verwischt und scheinbar entschieden verleugnet; trotzdem ist
sie deutlich genug.

Das Buch spricht sich niemals offen aus; es plaudert
scheinbar harmlos, aufrichtig, nimmt eben nur ein paar Rück-
sichten. Viel begeistertes Lob bleibt unverändert bestehen;
es wird nur einiges ergänzend hinzugefügt, was auch einmal
ausgesprochen werden mußte. Allerdings, trägt man diese
Züge, die in der ersten Auflage fehlen, zusammen und läßt
sie allein wirken, so entsteht ein abscheuliches Bild. Dann
fehlt plötzlich Liebermann alle echte Künstlerschaft. Er ist
willensstark, klug, reich, lernt alles, ahmt jeden nach, sucht
immer neue Vorbilder und kommt im Grunde selber auf
nichts (die Idee zu seinem ersten Bild kauft er einem an-
dern ab), kann sich das Malen leisten, und überschwemmt
die Welt mit seiner Produktion; reißt das Präsidium der
Berliner Sezession und dann das der Akademie an sich, übt
eine ungeheure Macht total egozentrisch in ungemessenem
Ehrgeiz aus, und ist bei allem, was er in der Tat bewirkt,
unklar und völlig gleichgültig. Bis ihn das Schicksal erreicht.
„Die Weisheit erklärt den starken und anhaltenden Erfolg,
den er mit seinen Bildern fand und findet; aber in ihr hat
man auch die Grenze seiner Bedeutung zu suchen; denn am
Ende kann von der Kunst auch etwas anderes gefordert
werden als Weisheit." (S. 18.) „Die Zeiten, da Liebermann

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