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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 6
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Tietze, Hans: Ausstellung von Nazarenerzeichnungen in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0247

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LEOPOLD KUPELWIESER, DER ZUG DER HEILIGEN DREI KÖNIGE. BLEISTIFT- UND FEDERZEICHNUNG

WIEN, AKADEMIE DER KÜNSTE

AUSSTELLUNG VON NAZARENERZEICHNUNGEN

IN WIEN

VON

HANS TIETZE

TT 7"ien spielt in der Geschichte der Nazarener-
* ' kunst eine eigentümliche Rolle. Inmitten
der nachwirkenden josefinischen Geistigkeit und
des in einen dünnen Klassizismus ausklingenden
Spätbarock ist es hier — 1810 in dem bekannten
Konflikt Friedrich Overbecks und seiner Genossen
mit den Professoren der Akademie — zur ersten
Proklamierung der neuen Kunstgesinnung gekom-
men; nicht einheimische, sondern eine Gruppe
fremder Künstler hat hinter der Tagesmaske der
Stadt ihr ewiges Antlitz geschaut, aus ihrem eige-
nen Ernst die Kunstauffassung gewonnen, die ihr
Gefühl für die Hauptstadt des katholischen Deutsch-
land forderte. Ihre Revolution ist mehr eine
ethische als eine ästhetische; was sie an Form Ver-

änderungen einschließt, ist Ausfluß einer neuen
Sittlichkeit; ihr Gefühl für klare Form, ihre Zart-
heit der Linienführung, ihre Innigkeit und Geistig-
keit der Auffassung entspringen — wie ihr Mangel
an sinnlicher Schönheit und dekorativen Werten
— der Umwandlung im Zentrum. Ein im Inner-
sten verändertes Weltbild mußte es auch in seiner
äußeren Wiedergabe sein.

Jener erste Anlauf hat nur die Verpflanzung des
nazarenischen Gedankens nach Rom zum Ergebnis
gehabt; in Wien selbst blieb der Versuch ebenso
bodenfremd wie der einer zweiten Gruppe von
abermals nicht österreichischen Künstlern, die sich
hier ein halbes Dutzend Jahre später um den Dessauer
Ferdinand Olivier zusammenschloß. Trotz des ge-

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