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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 8
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Neugass, Fritz: Eine Pissaro-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0345

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CAMILLE PISSARRO, DER BOULEVARD MONTMARTRE (MARDI GRAS)

AUSGESTELLT BEI BERNHEIM i DURAND-RUEL, PARIS

EINE PISSARRO-AUSSTELLUNG

T~\ie Ausstellung der Werke Pissarros bei Durand-Ruel und
-^-^ Marcel Bernheim unterstützte in erfreulicher Weise die
Bemühungen verschiedener Kunstkritiker, dem Meister seinen
Platz zuzuweisen. Es wird leicht vergessen, daß Pissarro dank
seiner ganzen Entwicklung keineswegs zu den reinen Im-
pressionisten zu zählen ist; er ist vielmehr das Bindeglied
zwischen der Generation um 1830 und den Impressionisten.
Vier Jahre älter als Degas und drei Jahre älter als Monet,
überragt er um ein Dezennium den ganzen Kreis um Renoir,
Cezanne, Guillaumin und Sisley. Seine Entwicklung hinderte
ihn jedoch, den Altersvorsprung auszunützen.

Es ist heute nicht mehr möglich, ein klares Bild seiner
Frühzeit zu entwerfen, da fast alle seine Jugendwerke bis
zum Jahre 1868 während der Belagerung von Paris unter-
gegangen und verbrannt sind. Der damals Vierzigjährige
hatte schwer zu kämpfen, bis er gegen die Tradition der
Akademie Anerkennung und Nachfolge finden konnte. Er
malte in dunklen Tönen, die durch Corot und Courbet be-
einflußt waren. Corots Einfluß war der stärkste und nach-
haltigste. Später wurde Pissarros Palette lichter und farbiger,
behielt aber noch die silbergraue Patina und die gleiche reiz-
volle Intimität. Von Manet lernte er die reinen Farben ohne
Schatten verwerten, blieb aber dunkler und schwerblütiger als
alle anderen Kampfgenossen. Während des Krieges ging er

nach England und entdeckte dort gemeinsam mit Monet in
Turners Werken verwandte künstlerische Ideen und Probleme.
Später kehrt er nach Frankreich zurück, um auf dem Lande zu
arbeiten, wohnte in Pontoise in der Nähe Cezannes und erfuhr
durch diesen starke Anregung. In diesen Jahren entstanden
eine Reihe großer Landschaften. Er wollte um jeden Preis
seine Palette heller und leuchtender werden lassen. Deshalb
begann er sich mit Seurat und den Pointillisten zu beschäftigen
und geriet für kurze Zeit ganz in ihre Manier. Es entstanden
Bilder, die in der Technik völlig pointillistisch sind und in
der Komposition die kühnen Überschneidungen und die Ver-
wendung der Horizontale und der Vertikale im Stile Seurats
zeigen. Noch einen anderen Einfluß muß man berück-
sichtigen, dem er hauptsächlich in seinen Figurenkomposi-
tionen unterworfen war, den Millets. Pissarro sah von sich
aus nur die Landschaft. Durch sein Landleben lernte er
aber die Bauern in ihrer täglichen Arbeit lieben Bei Millet
hatte er sie im Bilde gesehen; dort waren sie jedoch immer
gestellt, in einer schönen Pose, die er sich von dem Atelier
auf das Land hinüberrettete. Pissarro sah in den Bauern
aber nur die mit der Landschaft verbundenen Menschen.
So ist der Einfluß Millets nur formal nachzuweisen. In dem
gesamten Schaffen Pissarros spielen seine Figurenbilder je-
doch nur eine untergeordnete Rolle.

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