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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 11
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Amaury-Duval: Erinnerungen an Ingres: Deutsch von Hermann Ganz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0440

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JEAN DOM. INGRES, BILDNIS Mme GERALDY. ZEICHNUNG

sammlung ancelet

ERINNERUNGEN AN INGRES

VON

AMAURY-DUVAL*

DEUTSCH VON HERMANN GANZ

Als der Maler Sturler als Schüler zu Ingres ins
■ Atelier kam, malte er schon mit großer Ge-
schicklichkeit. Zwischen ihm und dem Meister gab
es eines Tages eine merkwürdige Szene. Ingres
betrachtete die Figur, die Sturler eben malte, und
meinte dazu: „Ohne Zweifel sehr gut... sehr ge-
schickt ... mit echtem Talent gemalt... ich habe
Ihnen nichts zu sagen."

„Mein Herr," fiel ihm Sturler ins Wort, „wenn

* Eugene Emmanuel Amaury-Duval (1806—1885), Schü-
ler Ingres', Porträtist und Historienmaler. Diese Erinnerungen
sind vor 1880 geschrieben worden. Sie sind einem Buch ent-
nommen, das „Ingres'Atelier" heißt.

ich geglaubt hätte, daß dem so sei, wäre ich nicht
zu Ihnen in die Schule gekommen. Ich bin aber
zu Ihnen gekommen, weil ich weiß, daß es nichts
taugt, daß es schlecht ist."

„Ah, Sie fassen es so auf", antwortete Ingres,
wobei er zurücktrat und ihm ins Auge sah. „Ach,
Sie sind nicht mit dem zufrieden, was Sie da
machen! Dann sieht die Sache allerdings anders
aus. Wohlan denn: gewiß, das taugt nichts. Das
ist bloße Geschicklichkeit und weiter nichts, kein
Stil, kein Charakter, ja, es ist schlecht. Ah, wenn
es sich so verhält! Nun werde ich Ihnen offen
sagen, was ich denke. Sie müssen alles vergessen,

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