Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
variiert vom Weißgelben bis zum Schwarz-
braunen in den mannigfachsten Schattierungen.
Die fleischfarbene oder auch grelle — blau,
rot — Tönung der nackten Teile, wie Gesicht,
Hände, Gesäßschwielen, usw. ist peinlich genau
abgestimmt.

Eine andere naturhistorische Serie bildet
die Kollektion von hirschartigen Tieren,
die bisher nur im Germanischen Museum ver-
treten ist. Es sind darunter Elche, Renntiere,
Hirsche usw. vertreten. Ohne Zweifel sind auch
sie nach einem naturhistorischen Werk ge-
schaffen.

Die Familie Hilpert hat aber auch andere
Serien gearbeitet, wie die Figuren des National-
museums beweisen. Da ist einmal eine Wein-
lese: Winzer im Zeitkostüm, die vor einem
Rebstock stehen, ferner kleine einzelne Wein-
stöcke und Bütten mit Trauben. Die Aus-
führung derselben ist etwas plump.

Eine andere Serie bringt ein Lager von
Zigeunern und fahrendem Volk. Eine roman-
tische Strohhütte, eine alte Hexe, vor einem
offenen Feuer kochend, eine bettelnde Frau,
zerlumpte Kinder, lustige Zecher, dazu einige
Föhrenbäume. Die Charakterisierung der ein-
zelnen untersetzten Figuren, auch ihre derbe
Realistik läßt an niederländische Einflüsse
denken, wie sie seit dem 17. Jahrhundert
durch zahllose Bilder und Stiche allgemein ver-
breitet waren.

Dagegen völlig aus der Umwelt seiner Zeit
hat Hilpert seine ,,Eisbahn" entlehnt. Eine
vornehme Frau in einem goldenen Schlitten
von einem Diener geschoben, ein älterer Mann
in rotem pelzverbrämten Rock — man denkt
unwillkürlich einen Moment an den jungen
Goethe auf der Eisbahn — ein kniender Mann,
der sich die Schlittschuhe anschnallt und
schließlich ein frierender, armer Zuschauer. Die
Figuren sind elegant aufgefaßt, mit großen
gemuskelten Formen aus dem Schiefer heraus-
geholt und ausgezeichnet bemalt.

Übertroffen werden sie allerdings von einer
Serie, die wohl die Arbeiten des Sommers
darstellen soll: ein Fischer, ein Gärtner, ein
Garbenbinder und schließlich Äolus selbst, ein
kokett vornehmer Kavalier, der, mit Trikot-
strümpfen, losem Hemd und Puffhosen be-
kleidet, auf einer Wolke daherschwebt, in

der Rechten einen Blasbalg haltend. Diese
vier Figuren stellen allerbeste Rokokoklein-
plastik dar, die sich in ihrer Art getrost mit
den berühmten gleichzeitigen Porzellanfiguren
vergleichen darf. Die Bewegung ist voll leicht-
flüssiger einschmeichelnder Rhythmik, die For-
mung ganz aus dem Gießhandwerk begriffen —
man betrachte nur Schürze, Hose und Ge-
sichter, und dann vor allem die äußerst subtile
Bemalung in lichten, hellen Farben: lila,
grün, hellblau, so zart wie bei einer Höchster
Figur.

Offenbar haben sich von diesen Hilpertschen
Zinnfiguren doch noch mehr Stücke erhalten,
als man bisher vermuten durfte. Denn kurz
nach diesem Erwerb wurde von Herrn Antiquar
Lümmle, München, der durch die obigen Fi-
guren aufmerksam gemacht war, ein ganz
prächtiger alter Schimmel, ebenfalls J. H.
signiert, dem Museum geschenkt. Vielleicht
gehört er zum Zigeunerlager. Die Charakte-
ristik des müden, abgeschundenen Gauls, der
sich mühevoll auf seinen gichtigen, lahmen
Füßen dahinschleppt, ist gerade in dieser
fest umschnittenen und mit wenigen Strichen
durchmodellierten Silhouette ganz vortiefflich.

Zu diesen Figuren kommt noch der stehende
Mann mit den übereinander geschlagenen
Armen von 1778 im Germanischen Museum,
der nach Gebert den Meister Joh. Gottfried
Hilpert selbst darstellen soll (Abb. dortselbst),
was mir aber unwahrscheinlich dünkt. Dagegen
gehören die unsignierten preußischen Garde-
soldaten im selben Museum sicher nicht zu
den Hilpertschen Fabrikaten, denn sie sind
unangenehm steif in der Bewegung und ohne
künstlerisches Gefühl modelliert.

Man darf wohl annehmen, daß die Hilperts
nicht selbst die Entwürfe gemacht haben,
sondern nach Vorlagen, Stichwerken usw. ge-
arbeitet haben, wie dies schließlich bei den
meisten Kunsthandwerkern der Fall war.
Dagegen die Vollkommenheit des Technisch-
Handwerklichen in Modellierung und Bemalung
ist ihre eigenste Leistung. Hier haben sie mit
das Beste geleistet, was die Nürnberger Spiel-
warenindustrie hervorgebracht hat. Ihre besten
Sachen haben ein direkt künstlerisches Ge-
präge.

Georg Lill.

75
 
Annotationen