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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 9
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Hofmann, Albert: Nordböhmische Kunstindustrien, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0147
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Hordböbmische Kunst-Industrien.

!)on Albert hofinann, Reichenberg.

III.

Die Jndustrie der „böhmischen Steine".

Da, wo stch das nordbvhmischc Mittelge-
birge, die Ausläufer des Erz- und Riesenge-
birges, in die südböhmische Ebene absetzt, gleich-
sam als Thorhüter an der Gebirgsgrenze, liegt
das Städtchen Turnau. Jn dem Bezirke, dcssen
Mittelpunkt das Städtchen ist nnd welches ihm
den Namen leiht, ein Bezirk mit etwa 30000
Einwohnern, hat die Jndustrie dcr „böhmischen
Steine" von alters her geblüht. Hier stnden
sich die natürlichen Fundorte für die unter dem
vulgären Namen „böhmische Steine" auf dem
ganzen Weltmarkt bekannten böhmischen Gra-
naten, kleine, nnansehnliche Steine, die durch
Schlifs nnd Folic eine tief dunkelrote Farbe und
intensive Leuchtkraft gewinnen. Das Gebiet
für die Fundorte der Granaten ist von nnr ge-
ringer Ausdehnung, eine Fläche von kanm
zwei Stnnden Länge und einer Stunde Breitc.
Am südlichen Abhange des Mittelgebirges, am
häufigsten auf den Herrschaften Trziblitz und
Dlaschkowitz, bei den Orten Podseditz, Chrastcin,
Trzemschitz, Starai, Setschcn, Merunitz und
Chodolitz führt die junge Flötzformation den
wertvollcn Edelsteiu. Der in den großen Ser-
pentinblöcken eingewachsene Granat eignet sich
nicht zum Schliff. Die schönsten Granaten. von
reinem Feuer und tiefrotem, sattem Glanze
werden zu Podseditz in einer Erdschichte ge-
funden, die in einiger Tiefe nnter der Alluvial-
erde liegt und mit Basaltgerölle gemengt ist.
Es ist der aus dem zerfallenden Eruptivge-

KunstgewcrbeblaU. V

steine sich ergebende Sand, der die Granaten
mit sich sührt. Die Ausbeute geschieht berg-
männisch in der Weise, daß der Sand gesiebt
und zur Entfernung erdiger Bestandteile ge-
schlämmt wird. Ganze Familieu widmen fich
dem Graben in Gruben und fördern den Sand
zu Tage, der bei gelblicher Färbung mehr Gra-
naten enthält, als bci grauer. Nicht selten wer-
den nach starken Regengüssen die Granaten
bloß gespült auf den Feldern gefnnden. Die ge-
fundenen Steine werden sortirt und zumeist zum
Schliff vorwiegend nach Turnau gebracht. Die
Ausbcute au rohen Granaten ist sehr im Ab-
nehmen begriffen, da sich die verhältnismäßig
kleine Strecke der Erschöpfung naht.

Eine zweite Fundstätte für Granaten ist
der in der Nähe des Ortes Rovensko gelegene
Berg Kozakov, der auch eine reiche Fnndgrube
für andere Halbedelsteine bildet. Eine dritte
Fundstätte bei dem Orte Svvtla im Czaslauer
Kreise ist beinahe verlassen, da ihre Granaten
nicht das Feuer und die sattrvte Farbe besitzen,
wie die der beiden anderen Fundorte. Die nach-
lassende Ergiebigkeit der Fundorte und der nicht
verminderte Bedarf führten allmählich zur Ein-
führung fremder Granatsorten, von indischen
und Tiroler Granaten, die dann gleich den ein-
heimischen zum Schliff kommen.

Doch nicht der Bearbeitung allein von
Granaten dient die Tnrnancr Edelsteinschleiferei,
sondern die zahlreichen andcr» Arten von Edel-

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