l16 Meggendorser-Blätter, München
— „In einem Arm die Braut und im andern ein Pfund ge-
hamstertes Schweinefleisch, das ist doch der Gipsel der Glückseligkeit."
Ein Verehrer Goethes VonPeterNobinson
Was für mertwürdige Zusammenhänge es doch
gibt! Weil der Schriftsteller Reinhold Winzinger sich, ein-
mal sehr nervös gefühlt hat, und dann der Doktor Grusch
ihm einen recht vernünftigen Nat gab, darum ist der
Millionär Emil Klotzke ein begeifierter Verehrer Goethes
geworden. Dabei kannte der Schriftsteller damals, als er
den Doktor in Anspruch nahm, den Millionär noch gar
nicht, der zu jener Zeit überhaupt noch nicht Millionär
war, sondern als Agent für Anfallversicherungen einem
überaus schwankenden Verdienst nachjagte. Der Zusammen-
hang ergab sich erst acht Iahre später.
Klohke hat im Sommer 1918 angefangen, Goethe zu
verehren. Einigermaßen intelligente Leute werden also mit
Lilfe der Mathematik leicht ermitteln können, daß Win-
zingers nervöse Beschwerden im Iahre 1910 aufgetreten
sein müffen. Das Krankheitsbild genauer zu schildern, ist
nicht nötig und auch nicht ratsam, da empfindliche Leute,
die dergleichen lesen, sich dann
leicht das gleiche Aebel einbilden.
Es gibt aber schon gerade genug
nervöse Menschen oder solche,
die wenigstens meinen, es zu
sein, was im Grunde genau so
schlimm ist. Also kurz und gut:
zitterige Lände, Schwächeqefühl
und ünlust zu jeder Tätigkeit
in den Vormittagsstunden, häu-
fige Magenübelkeiten ohne er-
sichtliche Arsache hinsichtlich der
genossenenSpeisensowie sonstige
läfiige Verdauungsstörungen,
schlechter Schlaf und so weiter.
Wer Bescheid weiß, kann das
alles selbst aufzählen und ge-
nauer ergänzen. Wer nicht Be-
scheid weiß, soll sich darüber
freuen; er hat alle Arsache dazu.
Reinhold Winzinger ging
also zum Doktor Grusch. Der
sagte: „Ausspannen! Mal einen
Monat in ein Stahlbad und
dann einen Monat an die See."
Der Patient zuckte die Ach-
seln. „Ach so!" sagte Doktor
Grusch daraus. Er verstand:
das angegebene Mittel erschien
wohl gut, war aber zu teuer.
Gute Dinge sind meistens teuer.
Aber deshalb sind sie eben auch
gut oder haben wenigstens den
Anschein. Winzinger hälte fich
weder einen längeren Aufent-
halt in einem Stahlbad noch
einen an der See leisten können
und schon gar nicht beides zu-
sammen oder vielmehr hinter-
einander, um nicht unlogisch zu
sein. Er war schon froh, wenn
er bei sehr bescheidener Lebenr-
führung ohne Schulden durch-
kam. Das Publikum ist der
Meinung, die Schriftsteller ver-
dienten alle sehr viel Gßld. An
unermeßliche Einnahmen der Schriststeller glauben besonders
jene Leute, die nie ein Buch kaufen, höchstens ein Kursbuch
oder das Bürgerliche Gesetzbuch. An den Kursbüchern der
verschiedenen Ausgaben sind aber Schriftsteller nicht beteiligt.
Auch nicht am Bürgerlichen Gesetzbuch, das sonst vielleicht
etwas verständlicher zu lesen wäre. Freilich wäre es auch
ganz auf den Schriftsteller angekommen. Nein, die Schrift-
steller verdienen gar nicht so viel; ihre Arbeiten werden
ihnen nicht mit Gold aufgewogen. Wenn das der Fall
wäre, würden sie natürlich das allerdünnste Papier benützen,
das zu haben wäre, oder sich gar eigens welches anfertigen
laffen. Jmmerhin, es gibt schon diese und jene Autoren,
die als Ausnahmeerscheinungen vortreffliche Einnahmen
haben. Besonders sind es die humoristischen Schriftsteller,
die außerordentlich hoch bezahlt werden, aber immer noch
mehr haben wollen, habgierige Kerle, die sie sind.
Reinhold Winzinger dagegen war froh, wenn er am
Ende des Iahres seine dreitausend Mark zusammen ge-
schrieben hatte, mit kleinen Erzählungen, allerlei Aufsätzen
— „In einem Arm die Braut und im andern ein Pfund ge-
hamstertes Schweinefleisch, das ist doch der Gipsel der Glückseligkeit."
Ein Verehrer Goethes VonPeterNobinson
Was für mertwürdige Zusammenhänge es doch
gibt! Weil der Schriftsteller Reinhold Winzinger sich, ein-
mal sehr nervös gefühlt hat, und dann der Doktor Grusch
ihm einen recht vernünftigen Nat gab, darum ist der
Millionär Emil Klotzke ein begeifierter Verehrer Goethes
geworden. Dabei kannte der Schriftsteller damals, als er
den Doktor in Anspruch nahm, den Millionär noch gar
nicht, der zu jener Zeit überhaupt noch nicht Millionär
war, sondern als Agent für Anfallversicherungen einem
überaus schwankenden Verdienst nachjagte. Der Zusammen-
hang ergab sich erst acht Iahre später.
Klohke hat im Sommer 1918 angefangen, Goethe zu
verehren. Einigermaßen intelligente Leute werden also mit
Lilfe der Mathematik leicht ermitteln können, daß Win-
zingers nervöse Beschwerden im Iahre 1910 aufgetreten
sein müffen. Das Krankheitsbild genauer zu schildern, ist
nicht nötig und auch nicht ratsam, da empfindliche Leute,
die dergleichen lesen, sich dann
leicht das gleiche Aebel einbilden.
Es gibt aber schon gerade genug
nervöse Menschen oder solche,
die wenigstens meinen, es zu
sein, was im Grunde genau so
schlimm ist. Also kurz und gut:
zitterige Lände, Schwächeqefühl
und ünlust zu jeder Tätigkeit
in den Vormittagsstunden, häu-
fige Magenübelkeiten ohne er-
sichtliche Arsache hinsichtlich der
genossenenSpeisensowie sonstige
läfiige Verdauungsstörungen,
schlechter Schlaf und so weiter.
Wer Bescheid weiß, kann das
alles selbst aufzählen und ge-
nauer ergänzen. Wer nicht Be-
scheid weiß, soll sich darüber
freuen; er hat alle Arsache dazu.
Reinhold Winzinger ging
also zum Doktor Grusch. Der
sagte: „Ausspannen! Mal einen
Monat in ein Stahlbad und
dann einen Monat an die See."
Der Patient zuckte die Ach-
seln. „Ach so!" sagte Doktor
Grusch daraus. Er verstand:
das angegebene Mittel erschien
wohl gut, war aber zu teuer.
Gute Dinge sind meistens teuer.
Aber deshalb sind sie eben auch
gut oder haben wenigstens den
Anschein. Winzinger hälte fich
weder einen längeren Aufent-
halt in einem Stahlbad noch
einen an der See leisten können
und schon gar nicht beides zu-
sammen oder vielmehr hinter-
einander, um nicht unlogisch zu
sein. Er war schon froh, wenn
er bei sehr bescheidener Lebenr-
führung ohne Schulden durch-
kam. Das Publikum ist der
Meinung, die Schriftsteller ver-
dienten alle sehr viel Gßld. An
unermeßliche Einnahmen der Schriststeller glauben besonders
jene Leute, die nie ein Buch kaufen, höchstens ein Kursbuch
oder das Bürgerliche Gesetzbuch. An den Kursbüchern der
verschiedenen Ausgaben sind aber Schriftsteller nicht beteiligt.
Auch nicht am Bürgerlichen Gesetzbuch, das sonst vielleicht
etwas verständlicher zu lesen wäre. Freilich wäre es auch
ganz auf den Schriftsteller angekommen. Nein, die Schrift-
steller verdienen gar nicht so viel; ihre Arbeiten werden
ihnen nicht mit Gold aufgewogen. Wenn das der Fall
wäre, würden sie natürlich das allerdünnste Papier benützen,
das zu haben wäre, oder sich gar eigens welches anfertigen
laffen. Jmmerhin, es gibt schon diese und jene Autoren,
die als Ausnahmeerscheinungen vortreffliche Einnahmen
haben. Besonders sind es die humoristischen Schriftsteller,
die außerordentlich hoch bezahlt werden, aber immer noch
mehr haben wollen, habgierige Kerle, die sie sind.
Reinhold Winzinger dagegen war froh, wenn er am
Ende des Iahres seine dreitausend Mark zusammen ge-
schrieben hatte, mit kleinen Erzählungen, allerlei Aufsätzen
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
In einem Arm die Braut
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "In einem Arm die Braut und im anderen ein Pfund gehamstertes Schweinefleisch, das ist doch der Gipfel der Glückseligkeit."
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1456 (21.11.1918), S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg