Zeitschrist für Humor ««d Ku«st lI9
Der Schleichhändler " „Wenn wir Besuch kriegen sollten, werde ich Sie als Seitenverwandten
von uns vorstellen."
— „Sehr nett von Ihnen, gnä Frau; vielleicht als Speckseitenverwandten."
Etn Verehrer GoeLhes
So ging denn Winzinger zu einem alten, kenntnis-
reichen Buchbinder und lernte von diesem, was nötig ist,
ein Buch anständig und solide einzubinden. Dann kaufte
er sich Pappe, Kalikoleinwand, ein Stückchen Kalbleder,
einen Leimtopf und verschiedenes Gerät, wie Leftlade,
Kaschiereisen, Schlaghammer und so weiter. Auch einen
Preßbengel kaufte er sich, denn ein Preßbengel ist ein
Buchbindergerät und nicht, wie man leicht annehmen könnte,
ein Individuum, nämlich ein junger Iournalist. Llnd dann
begann Winzinger Bücher einzubinden, mit immer wach-
sender Geschicklichkeit und stets sich mehrendem Vergnügen
an dieser ersprießlichen Arbeit, die bei manchen Büchern
ja sogar wichtiger ist als vorher das Schreiben. Bald
spürte er auch wirklich eine Befferung seines Nervenzu-
standes. Wenn er jetzt einmal ein Rezensionsexemplar
geschickt bekam, das ausnahmsweise schon gebunden war,
dann ärgerte er sich, während er sich früher über solche
Ausnahme sehr gefreut hatte.-
Was nun Emil Klotzke anbelangt, den späteren Millio-
när, so wußte der damals noch nichts von Winzinger und
dieser auch nichts von ihm. Klotzke versicherte und erhob
Provisionen, gewöhnlich schon auf Vorschuß. Er besuchte
jeden Tag eine Anmenge Leute, denen er lange Vorträge
hielt über die durch das mvderne Verkehrswesen und das
Lasten und Iagen unserer Zeit bedingte außerordentliche
Gefährdung des menschlichen Körpers, wobei er schauerliche
Geschichten erzählte von abgefahrenen Armen und Beinen.
zerquetschten Schädeln und anderen, mehr oder minder
schlimmen Beschädigungen. Und aus der Anmenge von
Leuten, die das anhören mußten, wenn ste nicht so energisch
waren, Klotzke hinaus zu schmeißen, gelang es ihm von
Zeit zu Zeit einen so mürbe zu machen, daß er den Ver-
sicherungsantrag unterschrieb. Dann bekam Klotzke Provision,
und der Verficherte hatte die beruhigende Gewißheit, zwar
nicht gegen einen Anfall gefichert zu sein, aber doch nach
einem solchen etwas Geld zu bekommen, — das heißt, wenn
er den Prozeß, auf den es die Versicherungsgesellschaft
natürlich erst ankommen laffen würde, wovon Klotzke freilich
nichts gesagt hatte, siegreich durch alle Znstanzen würde
durchgesochten haben.
Eines Tages nun brach jenes internationale Ereignis
aus, daß die Gesährdung vieler menschlicher Körper ganz
außerordentlich steigerte und eine so gewaltig hohe Zahl
von Anfällen mit tödlichem Ausgange zur Folge hatte, wie
ste selbst Klotzke bei seinen Besuchen und Vorträgen nie als
möglich hingestellt hatte. Nur war es jetzt sehr bedauerlich
für Klotzke, daß gegen diese besondere Art von Anfällen
keine Versicherungen abzuschließen waren. Es war umge-
kehrt wie früher: sonst waren die Versicherungsnehmer
schwer heran zu kriegen, und die Versicherungsgesellschaften
liefen ihnen nach; jetzt hätten sehr viele Leute, die sich ge-
fährdet glauben durften, sich gern versichern laffen, aber
nun wäre keine Versicherungsgesellschaft darauf eingegangen.
Das war schlimm für Klotzke, oder wenigstens glaubte er
zwei Tage lang, daß es schlimm wäre, wenn er sich auch
in diesen beiden Tagen immer wieder zum Trost vorhielt,
daß er glücklich das Alter von 45 Jahren erreicht hatte
Der Schleichhändler " „Wenn wir Besuch kriegen sollten, werde ich Sie als Seitenverwandten
von uns vorstellen."
— „Sehr nett von Ihnen, gnä Frau; vielleicht als Speckseitenverwandten."
Etn Verehrer GoeLhes
So ging denn Winzinger zu einem alten, kenntnis-
reichen Buchbinder und lernte von diesem, was nötig ist,
ein Buch anständig und solide einzubinden. Dann kaufte
er sich Pappe, Kalikoleinwand, ein Stückchen Kalbleder,
einen Leimtopf und verschiedenes Gerät, wie Leftlade,
Kaschiereisen, Schlaghammer und so weiter. Auch einen
Preßbengel kaufte er sich, denn ein Preßbengel ist ein
Buchbindergerät und nicht, wie man leicht annehmen könnte,
ein Individuum, nämlich ein junger Iournalist. Llnd dann
begann Winzinger Bücher einzubinden, mit immer wach-
sender Geschicklichkeit und stets sich mehrendem Vergnügen
an dieser ersprießlichen Arbeit, die bei manchen Büchern
ja sogar wichtiger ist als vorher das Schreiben. Bald
spürte er auch wirklich eine Befferung seines Nervenzu-
standes. Wenn er jetzt einmal ein Rezensionsexemplar
geschickt bekam, das ausnahmsweise schon gebunden war,
dann ärgerte er sich, während er sich früher über solche
Ausnahme sehr gefreut hatte.-
Was nun Emil Klotzke anbelangt, den späteren Millio-
när, so wußte der damals noch nichts von Winzinger und
dieser auch nichts von ihm. Klotzke versicherte und erhob
Provisionen, gewöhnlich schon auf Vorschuß. Er besuchte
jeden Tag eine Anmenge Leute, denen er lange Vorträge
hielt über die durch das mvderne Verkehrswesen und das
Lasten und Iagen unserer Zeit bedingte außerordentliche
Gefährdung des menschlichen Körpers, wobei er schauerliche
Geschichten erzählte von abgefahrenen Armen und Beinen.
zerquetschten Schädeln und anderen, mehr oder minder
schlimmen Beschädigungen. Und aus der Anmenge von
Leuten, die das anhören mußten, wenn ste nicht so energisch
waren, Klotzke hinaus zu schmeißen, gelang es ihm von
Zeit zu Zeit einen so mürbe zu machen, daß er den Ver-
sicherungsantrag unterschrieb. Dann bekam Klotzke Provision,
und der Verficherte hatte die beruhigende Gewißheit, zwar
nicht gegen einen Anfall gefichert zu sein, aber doch nach
einem solchen etwas Geld zu bekommen, — das heißt, wenn
er den Prozeß, auf den es die Versicherungsgesellschaft
natürlich erst ankommen laffen würde, wovon Klotzke freilich
nichts gesagt hatte, siegreich durch alle Znstanzen würde
durchgesochten haben.
Eines Tages nun brach jenes internationale Ereignis
aus, daß die Gesährdung vieler menschlicher Körper ganz
außerordentlich steigerte und eine so gewaltig hohe Zahl
von Anfällen mit tödlichem Ausgange zur Folge hatte, wie
ste selbst Klotzke bei seinen Besuchen und Vorträgen nie als
möglich hingestellt hatte. Nur war es jetzt sehr bedauerlich
für Klotzke, daß gegen diese besondere Art von Anfällen
keine Versicherungen abzuschließen waren. Es war umge-
kehrt wie früher: sonst waren die Versicherungsnehmer
schwer heran zu kriegen, und die Versicherungsgesellschaften
liefen ihnen nach; jetzt hätten sehr viele Leute, die sich ge-
fährdet glauben durften, sich gern versichern laffen, aber
nun wäre keine Versicherungsgesellschaft darauf eingegangen.
Das war schlimm für Klotzke, oder wenigstens glaubte er
zwei Tage lang, daß es schlimm wäre, wenn er sich auch
in diesen beiden Tagen immer wieder zum Trost vorhielt,
daß er glücklich das Alter von 45 Jahren erreicht hatte
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der Schleichhändler
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Wenn wir Besuch kriegen sollten, werde ich Sie als Seitenverwandten von uns vorstellen." - "Sehr nett von Ihnen, gnä Frau; vielleicht als Speckseitenverwandten."
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1456 (21.11.1918), S. 119
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg