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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0083
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er möge selber die Streitfrage prüfen und sie kraft seiner ihm von Gott verliehenen "Weis-
heit zu einem guten Ende führen. Der König aber, die wohlgemeinten Ratschläge der
einzelnen gegeneinander abwägend, griff das heraus, was als Gesamtergebnis und Kern
aus den verschiedenen sich teilweise widersprechenden Ansichten sich ergab und redete
folgendermaßen zu ihnen: „Es ist euch nicht unbekannt, daß das Menschengeschlecht man-
chen Zufälligkeiten unterworfen ist und viele von diesen, aus widrigen Unglücksfällen
hervorgegangen, oft einen glücklichen Ausgang nehmen. Man sollte daher nie die Hoff-
nung aufgeben und gerade auch in diesem besonderen Fall, der durch seine Bedenklichkeit
und Einmaligkeit unser Gemüt bedrückt, auf die Güte der göttlichen Vorsehung bauen
und vertrauen, welche in ihrem Ziele niemals irrt und auch Böses zum Guten zu lenken
weiß. Wenngleich tiefbetrübt ob der Missetat meines Schreibers, möchte ich nicht Strafen
verhängen, durch welche die Schmach meiner Tochter sich eher vergrößert denn vermin-
dert. Wir halten es daher für die Ehre unseres Reiches zuträglicher und löblicher, jugend-
lichen Leichtsinn zu verzeihen. Ich werde daher die beiden in gesetzlicher Ehe vereinigen
und eine unschöne Sache mit der Farbe der Ehrenhaftigkeit übermalen." Über des Königs
Wahrspruch herrschte große Freude und seine Seelengröße und Sanftmut wurde aufs
höchste gelobt. Einhard wurde herbeigeholt. Ganz wider sein Erwarten hatte der König
ein freundliches Gruß wort für ihn und sprach ihn heiteren Angesichtes an: „Schon längst
ist die von euch vorgetragene Beschwerde zu unseren Ohren gedrungen, daß wir eure
Dienste bis zur Stunde noch in keiner Weise durch königliche Freigebigkeit entsprechend
belohnt hätten. Hauptsächlich aber, um die Wahrheit zu gestehen, ist an dieser Unter-
lassung euere Nachlässigkeit schuld. Möget ihr auch mit Recht sagen: „Ich nur, der eine,
verrichte so viele und große Geschäfte" (Horaz, Ep. II, 1, 1), so hätte ich doch, wenn ich
von euerem Willen gehört hätte, euere Dienste ehrlich und redlich belohnt. Damit ich
euch aber nicht durch eine langatmige Rede hinhalte, will ich eueren Beschwerden durch
eine großartige Schenkung Genugtuung leisten und damit ich versichert sei, daß ihr mir
so treubleibet, wie ihr es früher wäret und mir auch späterhin wohlgesinnt seid, übergebe
ich euch meine Tochter, nämlich euere Trägerin, als euere gesetzlich angetraute Gemahlin,
welche, wenn auch hochgeschürzt, sich dennoch euerer Heimbeförderung recht willfährig
erwiesen hat." Unverzüglich wurde auf des Königs Geheiß seine Tochter mit ihrem ganzen
Gefolge herbeigeholt, welche, das Gesicht von rosigem Purpur übergössen, durch die
Hände des Vaters in die Hände des genannten Einhard übergeben wurde, zugleich mit
einer reichen Mitgift von vielen Gütern und mit einem Brautschatz, bestehend aus zahl-
losen Gold- und Silber-Denaren und anderen kostbaren Geräten. Nach dem Hinscheiden
des Vaters gab ihnen Kaiser Ludwig der Fromme überdies noch die großen Besitzungen
Michelstadt und Mühlheim, welch letzteres jetzt Seligenstat (Seligenstadt am Main) ge-
nannt wird, mit folgender Urkunde:

URKUNDE 19 (Reg. 3082)

Schenkung Ludwigs I. des Frommen an Einhard in Michelstadt

Im Namen unseres Herrn und Gottes, des Erlösers Jesu Christi. Ludwig, durch die
göttlich waltende Vorsehung Kaiser und allezeit Mehrer des Reiches. Der kaiserlichen
Erhabenheit geziemt es, die ihr getreulich Dienenden mit vielfältigen G?ben und hervor-
ragenden Auszeichnungen zu ehren und zu erhöhen. Aus diesem Grunde folgen wir dem
 
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