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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 2
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Linde, Hermann: Ueber das Restaurieren alter Kunstwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0009
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München, 21. Okt. 1907.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst " (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

IY.Jahrg. Nr. 2.

Inhalt: Ueber das Restaurieren aiter Kunstwerke. Von Hermann Linde. — Vermeiden des Abfaiiens der
Farben bei der Pasteümaierei. Von Arthur Ratzka-Beriin. (Schiuss.) — Die Zusammensteiiung der
Paiette. Von E. Berger. — Prähistorische Maierpaietten.

Ueber das Restaurieren alter Kunstwerke.
Von Hermann Linde.

Die beifälligen Zuschriften, die ich aus Kreisen
ausübender Künstler auf meinen Aufsatz über das
Restaurieren alter Meister*) erhielt, ermutigen
mich, noch einmal mit der Besprechung dieser
so wichtigen Sache die Aufmerksamkeit der Kol-
legen in Anspruch zu nehmen; denn wie die
Bilder behandelt werden, scheint mir unbedingt
einer öffentlichen Besprechung wert zu sein.
Wenigen Kollegen ist es bekannt, dass in
den Auffrischungs-Werkstätten ein mit Unrecht
empfohlenes Malmittel, in welchem sich Leinöl
und Bleizucker befinden, in reichem Masse ver-
wendet wird. Wie mag dieses Oelquantum und
namentlich der Bleizucker in Zukunft auf die
Haltbarkeit der restaurierten Bilder wirken? Ist
es ferner bekannt, dass Bilder des Kaiser Friedrich-
Museums nach dem Restaurieren mit einem stark
(mit Indischgelb?) gefärbten Lack überzogen
werden?**)
Ueber den Grund des Blauanlaufens der
Bilder habe ich verschiedene Auskunft erhalten:
einige schieben dies den Schwankungen der
Feuchtigkeit in der Atmosphäre zu, andere dem
schlechten Material, namentlich dem minder-
wertigen Terpentinöl. Ich teile die Ansicht, dass
viel zu dick lackiert wird; solch starke Lack-
schicht streicht ein Maler nicht auf seine Bilder.
An die Tatsache, dass in die zu restau-
rierenden Bilder hineingemalt wird und oftmals
nicht wenig, ist die Künstlerschaft heutzutage ja
schon derart gewöhnt, dass sie dergleichen als
unabänderlich ruhig hinnimmt. Ich nenne aus
der Pinakothek die grosse Himmelfahrt von Guido
*) Münch, kunsttechnische Blätter III. Nr. i6 u. 17.
**) Es scheint sehr wünschenswert, wenn sich Herr
Professor Hauser jun. über diesen Punkt äussern würde.

Reni und die sechs neuerworbenen Gemälde „I
Triomh di Petrarca", an welch letzteren Bildern
ungefähr ein Drittel durch Neumalung ergänzt ist.
Ebenso hat man es ruhig mit angesehen, wenn
bei Altflorentiner Gemälden der Hintergrund neu
vergoldet wurde, wobei die feinen Konturen der
Figuren gründlich verloren gingen. Beispiele sind:
die Bilder der Schule des Giovanni da Fiesoie
Nr. 993 und 994 der Pinakothek oder Nr. 986
Lippo Memmi daselbst. Die Tatsache, dass die
Neuvergoldung bei so alten Bildern jede Harmonie
zerstört, scheint dabei gar nicht beachtet zu
werden.
Derartiges könnte man von fast allen restau-
rierten Museen berichten. Wenn Ihnen, verehrte
Kollegen, in der Kasseler Galerie z. B. gesagt
wird, dass der grosse Rembrandt „Jacobs Segen"
unfertig sei, so halte ich dem die Tatsache ent-
gegen, dass dies Bild vor etwa 18 Jahren noch
zu den vollendetsten Schöpfungen des Meisters
zählte. Mit der Herunternahme des allerdings
recht starken und teilweise rissig gewordenen
Lackes ist viel von dem Rembrandts Bildern eigen-
tümlichen Zauber geschwunden. Nur noch wenige
Rembrandts besitzen ihn, nachdem, wie mir mit-
geteilt wurde, nun auch die Holländer Rembrandts
restauriert wurden. Wenn Ihnen im Kaiser
Friedrich-Museum der Fouquet wie ein Oeldruck
erscheint, wenn sich an so manchen Bildern der
dortigen Gemälde, den Dürers, Terborchs, del
Sartos, Lorenzo di Credis, Lorenzo Lottos, Bruyns
und an den Bildern des Meisters von Flemalle
minderwertige Stellen finden, so schieben Sie dies
nicht den alten Meistern in die Schuhe! Sie ver-
danken ihr Dasein der Tätigkeit der Restauratoren.
Wenn in der Schweriner Galerie ein grosser Teil
 
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