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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 23
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Gerhardt, Paul: Eugène Delacroix' Tagebuch, [2]
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Pudor, Heinrich: Haltbarkeitsprüfungen in der Farbenindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0094
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 23.

und die neuen Erfindungen notwendigerweise mit
sich bringen. Es ist kindisch, gegen den Strom
der Zeiten schwimmen zu woiien und hinzugehen,
um die primitiven Meister zu studieren.
Man darf nicht glauben, dass Dürftigkeit
identisch ist mit Einfachheit, usw."
Die Technik, so führt der Meister weiter aus,
kann nur mit der Palette in der Hand gezeigt
werden. Dahingegen fände man wenig Aufklärung
darüber in den Büchern.
Auch die notwendigen Temperaretuschen bei
der Freskomalerei kommen Delacroix scheinbar
ganz unerwartet und überraschend, er hält dies
für eine nicht genügende Fertigkeit des Fresko-
malers, obwohl er erfahren hat, dass fast alle
Fresken derartig behandelt worden sind. Hier
wird er sogar etwas unkonsequent, denn kurz
vorher predigt er, dass bei der Malerei „Aus-
dehnung der Empfindung, und zwar durch alle
vorhandenen Mittel" nicht nur erlaubt, sondern
notwendig sei.
Aber gerade das Dunkel, welches die Fresko-
technik für ihn umgibt, lässt ihn immer wieder
darauf zurückkommen, und immer wieder sind es
zum Schluss die Retuschen, die die Unvollkommen-
heit der Freskotechnik für ihn beweisen. Dabei
glaubt er sogar an Retuschen in Oelfarbe.
Aber gerade Retuschen in Oelfarbe sind von
den grossen Freskomalern kaum je angewendet
worden. Diese sprechen gewöhnlich von einer
recht wenig guten Kunstperiode. Zunächst würden
diese dem Charakter des Fresko widersprechen
und wären allerdings auch der Solidität des Bildes
unter den meisten Umständen nachteilig, wohin-
gegen eine dem Fresko entsprechende Retusche
sich genau dem Fresko sowohl in Haltbarkeit
als auch im Charakter anpasst.
Und weiter fährt Delacroix fort:
„Nach hundert oder zweihundert Jahren kann
man eine Freske kaum noch beurteilen und ent-
scheiden, was durch die Zeit verändert worden ist."
Eine derartige Verwandlung ist wohl eher bei
einem Oelbilde als bei einem richtig technisch
behandelten Freskobilde anzunehmen und auch
wohl tatsächlich der Fall.
Wie wenig Delacroix die Technik der Fresko-
malerei bekannt ist, gipfelt schliesslich in der
Begründung der Veränderungen, denen sowohl die
Oelbilder als auch die Freskobilder unterworfen
sind. Während er das Dunkelwerden der Oel-
bilder richtig im Dunkelwerden des Oeles sieht,
glaubt er, dass durch die Bildung des Kalksinters,
den man bei mit Kalkbindemittel angemachten
Farben als weisses Häutchen auf der Oberfläche
der Farbe schwimmend wahrnimmt, ein grauer
Schleier hervorgerufen wird.
Dass gerade eine grösstmöglichste Bildung der
Sinterung vom Freskomaler sehnsüchtig angestrebt
wird, die die Festigkeit und den klaren, durch-

sichtigen harten Ueberzug bildet, ist ihm fremd
und unerklärlich. Gerade dadurch wird auch das
Fresko für unser Klima widerstandsfähig und dauer-
haft, auch gegen feuchte Niederschläge.
Delacroix bedauert, dass die Kenntnis der
Techniken in Verfall geraten sei, dass sie nirgends
gelehrt werden, dass niemand sie wissenschaftlich
behandelt habe. Die Pflege der schlechten Technik
sei den schlechten Schulen eigen. Dagegen sei
sie bei den grössten Meistern, wie Rubens, Tizian,
Veronese, den Holländern am höchsten entwickelt,
während sie bei den Modernen verloren ge-
gangen sei.
Immer wieder glaubt er in der Oelfarbe alle
nur gewünschten Vorzüge zu erblicken und zu
Anden, Eigentümlichkeiten der Oelfarbe, deren
Nachteile längst erkannt und nicht zu leugnen sind.
Delacroix führt weiter aus, dass die Kunst zu
der Annahme gekommen sei, dass Massigkeit
eines der Elemente des Schönen sei. Verfall-
schulen haben durch ihre Ausschweifungen in Zeich-
nung und unangebrachtem Farbenglanz dahin ge-
führt, Wahrheit und Geschmack zu verletzen, so
dass die Kunst in allen ihren Gebieten zur Ein-
fachheit zurückstreben müsste. Die Zeichnung
müsste sich an der Antike neu stählen und die Farbe
habe an dieser Reform Anteil zu nehmen. Aber
diese Reform sei indiskret. Nach Meinung Dela-
croix' sei es David, der die Farbe bis zu einer
in der Natur nicht vorkommenden Einfachheit
zurückgeführt habe. Alle von David und dessen
Schule angewendeten Töne spielen ihre Rolle.
Wenn das Bild hell beleuchtet ist und das Bild
schräg steht, würde die Erde wieder zu Erde
und die Töne spielen nicht mehr.
Zum Schlüsse sei noch eine treffende Aus-
lassung erwähnt, die Delacroix über Lionardo da
Vinci macht, und die gerade für unsere Tage
sehr angebracht ist, für unseren „,Flora'-Büsten-
Krieg" wiedergegeben zu werden:
Sie lautet: „Der methodistischste aller Men-
schen, der sich von den Meistern seiner Zeit am
meisten mit der Technik beschäftigt, der sie mit
einer solchen Genauigkeit lehrte, dass die Werke
seiner besten Schüler alle Tage mit seinen eigenen
verwechselt werden usw."
Möchten dies doch recht viele Sachverständige
lesen und als Basis bei ihren Urteilen im Auge
behalten, vielleicht würde man dann die Auf-
fassung Bodes besser verstehen.
Haltbarkeitsprüiungen in der Farben-
industrie.
Von Dr. Heinrich Pudor.
Die Industrie befasst sich mit der Herstellung
von Gebrauchsgegenständen. Sie hat deshalb Fabri-
kate zu schaffen, die so lange als möglich „halten",
die so dauerhaft als möglich sind. Das Prinzip der
grösstmöglichen Billigkeit haben wir verlassen; nur
„preiswert" soll ein Gegenstand sein Soll er aber
 
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