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Münchner kunsttechnische Blätter — 6.1909/​1910

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Nr. 23
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Pudor, Heinrich: Haltbarkeitsprüfungen in der Farbenindustrie
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Die Uebermalung von Photographien
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Linde, Hermann: Zur Affäre Tschudi - Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.36592#0096
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92

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 23.

können, sonst taugt sie nicht, sonst ist sie weder reeU
noch solide, sonst ist keine Treue und kein Charakter
in ihr.
Die Uebermalung von Photographien.
Von M. i. T.
Trotz der wesentiichen Fortschritte, die in neuester
Zeit in der direkten Farbenphotographie gemacht
wurden, ist man doch noch nicht dahin geiangt, auf
ieichte und zuveriässige Weise Farbenphotographien
herzusteiien, die der Natüriichkeit ganz entsprechen.
Wenn auch die tüchtigsten Phototechniker ver-
schiedene und bewährte Verfahren zur Erzeugung
direkter Farbenphotographien ausgearbeitet, beschrie-
ben und der Oeffentiichkeit übergeben haben, ist der
Zeitpunkt immer noch ziemiich fern, wo in ieichter
und sicherer Weise jeder Photographierende natur-
getreue farbige Aufnahmen beziehungsweise Biider er-
zieien kann. Deshaib bieibt voriäuhg die Koiorierung
der übiichen einfarbigen Photographien noch immer
bestehen, ais der sicherste Weg für jene Lichtbiidner,
die nicht Zeit, Materiai und Kosten opfern woiien, um
günstigen Faites geringwertige Farbenphotographien
zu erhaiten.
Für die Zwecke der Reproduktion des Dreifarben-
druckes oder auch für soiche des iithographischen
Chromodruckes macht sich sehr oft die Koiorierung
der photographischen Vortagen oder Origínate nötig,
weit es zu umständiich und zeitraubend wäre, erst eine
Zeichnung auf irgend einem Aquareiipapier anzufertigen,
und diese mit den entsprechenden Aquareti-, Oei- oder
sonstigen Farben zu Übermaien. Aus diesem Grunde
wird die direkte Uebermaiung der Photographie vor-
gezogen, wozu man, wenn es sich um eine voilkommene
Ueberdeckung des braunen oder sonstwie gefärbten
(getonten) photographischen Biides handeit, dieAquareii-
oder Oeifarben benutzt. Das Aquareiiieren der Photo-
graphien, besonders soicher, die Hochgianz haben, ist
indessen eine ziemiich schwierige Arbeit, die schon
eine grosse Uebung und Sicherheit in der Aquareii-
maierei voraussetzt, da es sich, wie schon erwähnt,
um die Verdeckung des photographischen Biides und
Schaffung eines neuen, aiiein in Farben wirkenden
Biides handeit.
Die Aquareiifarbenhaften aufdennicht entsprechend
vorpräparierten, hochgiänzenden photographischen Bii-
dern sehr schwer; sie springen nach dem Trocknen
wieder ab, und diese Biider bedingen deshaib eine
vorherige Behandiung, die niemals Untertassen werden
darf, in foigender Weise: Man kann entweder den so-
genannten käuflichen Matgrund für Koiorierung giän-
zender Photographien mit Aquareilfarben benutzen,
womit das Biid erst überstrichen werden muss. Dieser
Maigrund wird erwärmt und mitteis eines weichen
Pinseis aufgetragen, worauf er nach dem Trocknen
gehärtet, d. h. uniösiich gemacht werden muss.
(Fortsetzung foigt.)
Zur AH*äre Tschudi-Rubens
geht uns foigende Berichtigung zu:
Die beruhigende Versicherung, die der Minister
v. Wehner im Bayerischen Landtag auf die Vorsteiiungen
der Abgeordneten über die Eingriffe in Gemäide der
Pinakothek abgab, dass nämiich dieseiben „jederzeit
in den aiten Zustand zurückversetzt werden könnten",
ist bereits in der Sitzung vom 16. Juii durch den Ab-
geordneten Hübsch ais unrichtig zurückgewiesen worden.
In seinem eingehenden Bericht über die Umordnung
der Pinakothek sagte er folgendes: „Es sind in das
Meieagerbiid in Abständen von 5 zu 3 cm dicke
Nägei eingeschiagen, Bandeisen sind fest-

geschraubt und beim Umbiegen ist ausserdem ein
Riss aufgegangen, der aiierdings früher durch Oeikitt
verschmiert war, kurz, es ist das Biid derart zu-
gerichtet, dass es ohne schwere Restaurie-
rungsarbeiten nicht mehr in die aite Form
gebracht werden kann. Tschudi hat auch ganz
aufrichtig und kait gesagt, er habe nie daran gedacht,
dass irgendein Direktor wieder auf die Idee kommen
könnte, das Biid wiederherzusteiien. Aiso damit kann
man die Leute nicht beruhigen."
Wie die „Satyrn", von denen bekanntiich Stücke
abgesägt wurden, in den aiten Zustand gebracht
werden solien, bieibt ebenfaiis unklar; noch mehr aber,
wie man die Biider, bei denen nach der Abwaschung mit
Wasser Farbteiie abbiättern, ohne weiteres wiederher-
stelien wiii. Nach einer Zusammensteiiung in Heft 2 der
„Technischen Mitteiiungen für Maierei" handeit es sich
um 77 Biider, die mehr oder weniger gelitten haben,
namentiich schwer die Apostei Dürers Nr. 24S, bei
denen das progressive Abbiättern der Farbschicht von
Woche zu Woche zu bemerken gewesen sei und noch
keinesfaiis zum Stiiistand gekommen wäre. — Und in
der Tat scheint dies Biid, das schon durch das Lack-
abnehmen in früheren Jahren sehr mitgenommen war
und schon defekte Stehen zeigte, von nun an einem
schneiieren Verfaii entgenzugehen. Die merkwürdigen
heiigeiben Stehen im Kopfe des Pauius haben sich
nach dem Abwaschen in kurzer Zeit vergrössert und
die Abbiätterungen der Farbschicht nahmen bedenklich
zu. — An den beiden Aposteibiidern Dürers ist
nebenbei auf das bestimmteste der Nachweis zu er-
bringen, dass durch das Lackabnehmen, wie es früher
in der Pinakothek betrieben wurde, die ganze Ueber-
maiung und ahe Feinheiten mit heruntergeputzt worden
sind. Es befinden sich im Nürnberger Germanischen
Museum gute Kopien dieser Aposteibiider, weiche um
t8oo gemacht worden sind. Ein Vergleich mit diesen
zeigt, dass z. B. der grüniich-weisse Mantei des Petrus
Untermaiung ist, darüber waren, namentiich in den
Schattenpartien, kräftige warme Töne geiegt; das Stoif-
iiche war bei ahen Gewändern viei mehr zum Ausdruck
gebracht, Köpfe und Hände waren ganz anders ab-
getönt; so stand z. B. der Kopf des Pauius nicht hart
auf dem Hintergründe, sondern tonig in dem satten
Schwarz desselben.
Inzwischen wurde dieses Biid, wie andere, die
durch die Waschung verietzt waren, schon ausgebessert.
Zu wünschen wäre nur, dass man sich bei den Restau-
rierungsarbeiten, die nun vorgenommen werden, iedig-
iich auf den physikalischen Teii beschränkt und endiich
anfängt, mit Farbe und Pinsei den Biidern fernzubieiben.
Denn wenn Teiie von den Gemälden umgeschtagen,
abgesägt und heruntergeputzt werden, damit sie auf
keinen Faii etwas von anderer Hand aufweisen, so
soilte man konsequenterweise den Restaurator nicht
wieder hineinmaien und ausbessern iassen.
Es wäre interessant, zu erfahren, wer die Verant-
wortung für die richtige Behandiung der Kunstschätze
trägt. Der Direktor deckt sich hinter der „Zustimmung
der Kommission", während Kommissionen bekanntlich
unverantwortiiche Körperschaften sind.
Hermann Linde.
Nachschrift.
Nach dem oben erwähnten Bericht des Abge-
ordneten Hübsch scheint der Herr Minister über die
kastrierten Rubens-Biider doch sehr unvoiikommen
unterrichtet gewesen zu sein! Bezügiich der „Satyrn"
wird uns, der Behauptung des Herrn Einsenders ent-
gegen, von einer der Pinakothek-Leitung nahestehenden
Seite versichert, dass es nicht abgesägt worden sei.
Wer hat aiso recht? E. B.
 
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