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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Sutter, Conrad: Die Gartenbaukunst auf der Darmstädter Gartenbau-Ausstellung im Sommer 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0119
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DIE GARTENBAUKUNST AUF
DER DARMSTÄDTER GARTEN-
BAU- AUSSTELLUNG IM SOMMER 1905.
Von Professor CONRAD SUTTER.

Erscheint es nicht selbstverständlich, daß
die Natur das Vorbild der Gartenbaukunst sei,
der Kunst, die mitten in die Natur hinein-
gestellt ist? Und doch, wie hat man durch
eine lange Zeit hindurch das Vorbild der Natur
für den Garten mißverstanden!

Man hat nicht etwa jene Kraft walten lassen,
welche die Wiedergabe dessen, was man in
der Natur sieht, erst zum Kunstwerk macht —
nämlich die schöpferische Umgestaltung der ge-
sehenen Natur zum Kunstwerk —, sondern
man hat versucht, die Natur nachzuahmen,
statt sie als unnachahmliche Größe zu achten
und die künstlerische Gestaltungsfähigkeit von
ihr befruchten zu lassen.

Alle wirkliche Kunst wächst nur auf dem
Boden der Natur, sie steht zu ihr in direkter
Beziehung. Sie ist die Darstellung der Natur
mittels künstlerischer Schöpferkraft oder, wie
in der Baukunst, die gestaltende Folgerung aus
ihr für die gesteigerten Bedürfnisse mensch-
licher Kultur. Deshalb verfällt auch alle Kunst,
sobald sie zur Nachahmerin der Natur wird.
Die Phantasiekunst wie die realistische Kunst
stehen, wenn sie echt sind, in diesem guten
Abhängigkeitsverhältnis zur Natur — der Natu-

ralismus als nachahmende Kunst aber ist
Verfall!

Zu jenen Zeiten, wo wir eine selbständige
Kunst, insbesondere eine selbständige Archi-
tektur hatten, hatten wir auch eine wirkliche
Gartenbaukunst; mit dem Rückgang der Bau-
kunst 'im 19. Jahrhundert verfiel auch diese und
man setzte hier wie dort an Stelle der Kunst
die Nachahmung.

So gelangte man zu der durch lange Zeit
hindurch so beliebten Landschaftsgärtnerei. —
Eine romantische Schwärmerei wollte die ewige
über allem Menschenwerk stehende Natur im
Miniaturbild nachahmen, um sie stets zur Er-
regung gefühlsseliger Stimmung zur Hand zu
haben,

Man maßte sich an, sowohl die milde Schön-
heit der bachdurchrieselten Waldwiese, die
anspruchslosen und doch in ihrer Schönheit
unerreichbaren Blumenteppiche sonniger Fluren,
als auch die Majestät der Waldesdome, gi-
gantisch getürmte Felsen und wild schäumende
Gebirgsbäche im begrenzten Raume nachzu-
bilden. Man gab sich der Täuschung hin, daß
man mit einer besonders fein getroffenen Aus-
wahl all dieser Requisiten der Natur deren
Schönheit nachahmend erreichen könne.

Man machte die Natur zum Spielzeug und
zerbrach ihre Schönheit mit täppischer Hand.
Man verwechselte die Begriffe und hielt das
verkleinerte und getrübte Spiegelbild der Natur

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