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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Sutter, Conrad: Die Gartenbaukunst auf der Darmstädter Gartenbau-Ausstellung im Sommer 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0120

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Gesamtblick über die Olbrichschen Gärten auf der Darmstädter Gartenbau-Ausstellung,

für das reinste Werk, dessen der Mensch fähig
ist, für das Werk schöpferischer Kunst.

Naturschönheit und Kunstschönheit sind in-
kommensurable Größen. Die eine ist der
Quell, die andere spiegelt den Eindruck des
Quells auf die menschliche Empfindungsfähigkeit
und Gestaltungskraft.

Die gärende Bewegung, die heute unser
Kunstleben in frische Wallung bringt, die uns
Befreiung bringt vom akademischen Naturalis-
mus und, wie wir hoffen, von der Not der
Stilarchitektur, hat ihre Wellen auch bis in die
stillen Gärten geschlagen.

Künstler zeigten den Weg, auf dem wir auch
hier wieder aus dem Naturalismus heraus zur
Natur kommen sollen, zur Lehrmeisterin der
Kunst.

„Also bilde ich, weil es die Natur mich
so hat schauen lassen.“

Schon zu verschiedenen Malen wurden auf
Ausstellungen von Künstlern Gartenanlagen vor-
geführt, die einen neuen Weg, ein künstlerisches
Erfassen und Durchdringen auch dieser Auf-
gabe zeigten. Nun hat auch Darmstadt sich
angeschlossen. Gerade dort durfte man ja auch
auf diesem Gebiete einen Fortschritt erwarten.

Schon in der ersten Ausstellung der Künstler-
kolonie war den Gartenanlagen, in welche die
Einzelhäuser hineingestellt waren, besondere Be-
achtung geschenkt, und speziell das terrassierte
und geometrisch aufgeteilte Gartenland zwischen
dem Ernst-Ludwigs-Haus und dem gegenüber-
liegenden Ausstellungsgebäude und der Garten
des Hauses Olbrich zeigten, einerseits mehr die
Form, anderseits zugleich stark die Farbe be-
tonend, daß der Künstler auch hier die eigen-
geartete Lösung für geboten hielt. Die Garten-
anlagen um die Dreihäusergruppe der vor-
jährigen Ausstellung lassen deutlich Olbrichs fort-
schreitende Bemühung um den Garten erkennen.

Der Orangeriegarten in Darmstadt-Bessungen,
in welchem die Ausstellung Aufnahme gefunden
hat, entstammt jener Zeit des blühenden Ba-
rocks, wo einem der genialsten Gartenkünstler —
Andre Lenotre — von seinem prachtliebenden
königlichen Bauherrn Aufgaben gestellt wurden,
deren Erfüllung nur durch eine großzügige
künstlerische Naturauffassung möglich war, wie
seine Werke in St.-Germain-en-Laye, in Fon-
tainebleau, in Versailles, in der Eremitage de
Marly und an vielen anderen Orten beweisen.
Es ist bekannt, daß das in den Gartenanlagen
Ludwigs des XIV. gegebene Beispiel mehr
oder weniger den zeitgenössischen Fürstengärten
als Vorbild galt.

Der Garten der italienischen Renaissance,
die großzügige Aufteilung des Geländes im
kanalreichen Holland waren den französischen
Gartenkünstlern die Traditionen, auf welchen
sie eigenartig weiterbauten. Man gab der Kunst
der Natur gegenüber gewissermaßen die Auf-
gabe, ordnend aufzutreten, Zufälligkeiten durch
Gewolltes künstlerisch zu überwinden und alles
einem leitenden Gedanken unterzuordnen, so-
wohl in Beziehung zum etwa beherrschenden
Bauwerk oder auch hervorgegangen aus der
natürlichen Schönheit und dem Reichtum der
künstlerisch zu gestaltenden Natur, in welche
hinein die Kunst getragen wurde.

Wie eine zeitgemäße, selbstschöpferische
Baukunst ohne eine künstlerische Tradition
nicht denkbar ist, und nur der entlehnten Form
und Ausdrucksweise, wie sie in der Stilarchi-
tektur auftritt, entbehren soll, so auch eine
moderne Gartenbaukunst.

Die Aufgaben sind andere geworden. Die
erste Stelle wird der räumlich mehr oder we-
niger beschränkte Hausgarten einnehmen. Er
wird, soll er seine Aufgabe in künstlerischem
Sinne lösen, gewissermaßen eine Fortsetzung

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