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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Schäfer, Wilhelm: Der Kunstverein für Rheinland und Westfalen
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Schäfer, Wilhelm: Die Handwerks-Ausstellung in Köln
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Kühl, Gustav: Unsere Musikbeilage
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Fries, Friedrich: Christuskopf von Melchior Lorch
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0060

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Der kunstverein für rhein-

LAND UND WESTFALEN,

gegründet 1829, veranstaltet in jedem Jahr eine Aus-
stellung, um daraus für seine Verlosung Kunstwerke
anzukaufen. Daß bei diesen Ankäufen der verbildete
Laiengeschmack ausgiebig zur Geltung kommt, ist den
Künstlern nicht unbekannt; so mag es ungerecht sein,
an der Hand solcher Ausstellung über ihre Werke zu
urteilen. Aber eins drängt sich dem Betrachter doch
auf, wenn ihm ein Blick in die Preisliste gestattet ist:
Diese angeblichen Kunstwerke kosten durchschnittlich
gegen 10U0 Mark. Wer nun die Säle durchschreitend
die zum Teil recht mühe- und gewissenlos bemalten Lein-
wände sieht, muß sich doch sagen: was ist das für ein
eigentümliches Gewerbe, bei dem ein halber Quadrat-
meter ohne sonderlichen Materialaufwand so viel kostet
wie ein einfaches bürgerliches Zimmer? Angeblich
wegen der Kunst, aber was haben diese rasch hin-
geschmierten Farben anderes mit der Kunst zu tun, als
daß eine gewisse Übung dazu gehört. Das deutsche
Volk hat eine hohe Idee der Kunst und wird darin recht
jämmerlich mißbraucht und betrogen durch eine unnütze
Schar von Leuten, die durch Akademiestudium legitimiert
ihre Machwerke als Kunst zu hohen Preisen verkaufen
können, zum Schaden der wirklichen Künstler.

Es waren nicht allzuviel Bilder in dieser Ausstellung,
vor denen sich solche traurigen Gedanken nicht von
selbst einstellten. Soll ich einige Ausnahmen nennen?
Zum ersten zwei schöne Bilder von Ernst Hardt, denen
zur letzten Vollendung nur noch zeichnerische Liebe fehlt
(leider nicht angekauft, ein Zeichen, daß in den Ankäufen
des Kunstvereins andere Dinge als der künstlerische
Geschmack bestimmend sind). Danach eine frische und
treu gearbeitete Landschafts-Studie eines jungen Aka-
demikers namens Opphey, sowie eine kleine Landschaft
von Falkenberg. Von bekannten Meistern Liesegang und
Clarenbach, daneben sehr erfreulich Christian Heyden mit
einer kleinen Schafherde, und — weil so viel Stilleben
gekauft wurden — ein bemerkenswertes von Rieper in
München: ein kleiner Porzellan-Pagode auf einent far-
bigen Seidentuch. Jemand schlug vor, statt Zügelschüler
fortab Zügelfälscher zu sagen; zwei kleine Bilder ließen
das fast als gerechtfertigt scheinen. Und sehr traurig ist,
daß die totgeglaubte Düsseldorfer Genremalerei wieder
anfängt; gehen die Landschaften nicht mehr? S.

Die handwerks-ausstellung

IN KÖLN

soll hier nicht unerwähnt bleiben, weil sie einen er-
schreckenden Einblick in den Ungeschmack unserer
Handwerker gab. Nur da, wo die überlieferte Handarbeit
weder durch Kunstgewerbeschulen noch durch Fabrik-
betrieb verdorben werden konnte, werden noch Dinge
geschaffen, deren Anblick wohltätig statt peinigend ist,
z. B. in dem schönen niederrheinischen Pferdegeschirr
und in den zweirädrigen Karren. So war vielleicht die
grüne Karre mit schwarzen Eisenbeschlägen der Gebrüder
Biecker in Honnef auf dieser Ausstellung das beste Stück.
Sonst zumeist ödeste Nachahmung elender Fabrikmuster
namentlich int Schreinerwerk, und von unserm hoch-
entwickelten Kunstgewerbe keinen andern Einfluß als
jene geschlängelten Gurkenranken, die in den Speise-
wagen deutscher D-Züge so schamlos unsere Geschmack-
losigkeit verkünden. Daß von solchem Tadel nicht ein-
mal die Meisterkurse ausgenommen werden können, wie
sie sich in dieser Ausstellung zeigten, gibt zugleich einen
Grund an, warum wir trotz aller Bemühung keine
Besserung bemerken.

Vielleicht zeigt die Vereinigung Kölner Kunstwerk-
stätten einen gangbaren Weg, wie aus der Verderbnis
herauszukommen ist. Unter der Leitung des Architekten
L. Paffendorf haben sich Handwerker vereinigt, um
Häuser und Wohnungseinrichtungen einheitlich und den

Neigungen der Besteller gemäß auszuführen. Man kann
sich denken, daß auf solche Weise allmählich wieder
ein Stamm tüchtiger Handwerker herangezogen werden
kann. Und in der Tat zeigen die ausgestellten Räume
sehr gute Arbeiten. Freilich von einer Ausbildung „sehr
vieler Keime, die im Boden der heimischen Tradition
schlummern“ — wie der Prospekt verspricht — ist noch
wenig zu spüren; es wäre auch schade, wenn hierin
irgendwelche Originalität gesucht und dargestellt würde.
Die Hauptsache ist, daß an würdigen Aufgaben das hand-
werkliche Gewissen wieder zur Geltung kommt; und so
mag man dieser Kölner Handwerker-Vereinigung ebenso
viele Aufträge in Köln wie nach Nacheiferung sonstwo
wünschen. S.

UNSERE MUSIKBEILAGE.

Heinrich J. F. von Biber, 1650 —1700, Hof-
violinist des Erzbischofs von Salzburg, vom Kaiser Leopold
im Jahre 1690 in den Adelsstand erhoben, gehört zu den
Begründern der Sonatenform. Die vorliegende Gavotte
ist der ersten seiner sechs Sonaten für Violine und be-
zifferten Baß entnommen, die im Jahre 1681 erschienen
sind; Ferdinand David hat diese C-Moll-Sonate in seiner
Hohen Schule des Violinspiels, mit Klaviersatz versehen,
herausgegeben. Die Gavotte schließt bei David in Moll;
doch ist, wenn das Stück als ein Abgeschlossenes für
sich gespielt wird, der Schluß in Dur vorzuziehen, da er
der alten Zeit mehr entspricht. — Die beiden Orchester-
stücke aus Glucks „Alceste“ begleiten Opferhandlungen
im Tempel des Apollo im ersten Akt dieser Oper. Das
erste, der Aufzug der Priester in G-Dur, ist in der Stim-
mung auffallend verwandt mit dem Priestermarsch in
Mozarts Zauberflöte, wie denn die „Alceste“ auch sonst
manche Prophezeiungen auf Mozart enthält. So deckt
sich der Beginn des Chors „Unglücklicher Admetos“
fast durchaus mit dem des Schlußchors der Zauberflöte:
„Heil sei den Geweihten“; und das Orakel spricht in
denselben Akkorden wie der steinerne Gast im Don Juan.

G. K.

CHRISTUSKOPF

VON MELCHIOR LORCH.

Der Zug nach dem Großen, Monumentalen steckt
dem Deutschen im Blut, wie dem Franzosen der Sinn
für das Kleine, die Grazie, den Chic.

Wer an die Aufgabe, einen Christuskopf zu bilden,
heranging, mußte ein Monument schaffen können, wuchtig,
groß und einfach, mußte ein Meister der Selbstbeschrän-
kung sein, der es versuchte, als Individualität zu ver-
schwinden hinter jener gewaltigen Erscheinung, die heute
mehr als ein Begriff wie als eine Persönlichkeit in
unserer Vorstellung lebt. So hat denn auch rein technisch
es der Kiinstler vermocht, alles Persönliche zu unter-
drücken, denn wie mit der Maschine gemacht liegen die
Linien vielfach nebeneinander, die keine individuelle
Führung mehr verraten, die in ein festes System gezwängt
und darin erstarrt sind. (Obgleich uns der Künstler
einen Holzschnitt gechaffen, kennzeichnen die Kreuz-
schraffierungen am Halse, sowie die eigentümlichen
Drucker an der Gewandung den im Kupferstich geübten
Meister.)

Aber kräftig und klar, fest und bestimmt heben sich
die hellen Flächen des Gesichtes von den dunklen der
Nische ab und steigern die ruhige große Wirkung des
sicher im wohlabgemessenen Raume stehenden Kopfes,
der tatsächlich ein kleines Monument zu sein scheint
mehr noch, wenn man ihn aufrecht stellt, als wenn man
ihn liegend betrachtet. Die Ruhe aber würde zur Starr-
heit, die Größe zum leeren Schema, vermöchte nicht der
träumerische ßlick der großen Augen und der weiche
Zug um den Mund zu erzählen von jenem Meister, der
die Menschen über alles geliebt und der ihnen die Bos-
heiten und Grausamkeiten verzeihen konnte, weil er
ihre Schwächen zu begreifen imstande war. F.

Herausgegeben im Auftrag des Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein durch Wilhelm Schäfer,
Braubach a. Rh.; Verlag von Fischer & Franke, Düsseldorf; Druck von A. Bagel, Düsseldorf.
 
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