Bodo ebhardt als restau-
RATOR. Von W. SCHÄFER.
Wenn die Berichte wahr sind, hat sich
Bodo Ebhardt jüngst in einem Vortrag zu
Straßburg sehr gewundert, daß man so wenig
von seinen Wiederherstellungen spräche. Auch
sandte er ein Schriftstück in die Welt: „Über
Verfall, Erhaltung und Wiederherstellung von
Baudenkmalen mit Regeln für praktische Aus-
führungen“, worin er uns in mildem Ernst
gleichsam ein Lehrbuch gibt, was wir mit
unseren alten Burgen machen sollen. Ich kann
mir denken, daß mancher die „Grundsätze“
und „Erläuterungen“ darin ganz harmlos liest
und kaum versteht, wie ein rechtschaffener
Mann bei so viel Ernst und Studium noch
Widerspruch erfahren kann. Wer aber zufällig
am Fuß der Marksburg wohnt und also eine
seiner Wiederherstellungen täglich vor Augen
hat, der muß den Mut höchlichst bewundern, bei
solchen Leistungen das Urteil herauszufordern.
Die Marksburg galt bis zum Frühjahr als
die einzige noch unzerstörte Burg am Rhein.
Als die Gerüste in diesem Sommer an ihren
Bergtried kamen, hat mir die Besorgnis die
Feder oft in die Hand gedrängt; ich habe wohl
geschrieben, doch nichts drucken lassen, weil
ich mir sagen mußte: daß die Vereinigung zur
Erhaltung deutscher Burgen — deren Eigen-
tum die Marksburg ist — sich unmöglich in
ihrem eigenen Haus verhöhnen könne; und
nachdem dies doch geschehen, nachdem durch
einen schornsteinartigen Turm die wundervolle
Silhouette dieses Berges verhunzt war, hab ich
geschwiegen, weil ich zweifelte, ob außerhalb
von Braubach jemand Anteil nähme an dem
Schicksal dieser Burg. Erst Bodo Ebhardts
Schrift hat mich belehrt, welche Gefahr dieser
Mann für unsere Rheinlandschaft bedeutet; und
da er selber ein Urteil fordert, so fühle ich mich
nun verpflichtet, am Beispiel seiner Braubacher
Leistungen zu erläutern, wie wenig er befähigt
ist, aus seinen Studien Taten zu vollführen.
Ich muß nur noch bemerken, daß ich nichts
weniger als ein Ruinenschwärmer bin — so
gern ich auch in hellen Nächten vom Burg-
gemäuer in die mondflimmernden Täler schaue —
daß ich das Heidelberger Schloß ungern als Ruine
sehe, und nur bedaure, daß es gerade ein Opfer
des Verderbens von Jung St. Peter in Straßburg
werden soll. Ich bin auch nicht der Meinung,
daß durch das bloße Alter irgend etwas ge-
heiligt werde, das vorher nichts war, und möchte
des malerischen Stadtbilds wegen nicht modrige
Höfe und scheußliche Spelunken erhalten wissen.
Wohl aber weiß ich, daß Natur und Kunst im
Bunde Kunstwerke schaffen können, die keiner
Künstlerhand allein gelängen. Und solch ein
Kunstwerk war die Marksburg. Wie sie auf
ihrem Tonschieferkegel als zackige Krönung
saß, gleichsam aus dem Berg gewachsen nicht
aufgebaut, von jeder Seite mit Dächern, Türmen,
Erkern schön aufstrebend und trotzig nach
oben abgezackt: man konnte nicht im Zweifel
sein, hier waren Jahrhunderte ineinander ver-
baut und verflickt und hatten jenen wunder-
vollen Einklang mit der Landschaft erhalten,
der uns vor alten Bauten oftmals einen rätsel-
haften Instinkt vermuten läßt — wie etwa den
Heimatssinn der Zugvögel — der unsern Bau-
meistern so ganz verloren scheint.
Daß Bodo Ebhardt nicht mit diesem künst-
lerischen Instinkt behaftet war, hatte er durch
sein Kriegerdenkmal am Fuß der Marksburg
bewiesen. Daß ihm nichts anderes einfiel als
ein Baukastenturm mit kindlichen Abmessungen
und lächerlichem Schmuck, war sein persön-
liches Unglück; daß dieses Musterstück aber
an die Stelle gesetzt werden konnte, wo es
heute steht, ist eine Roheit, die auf jedem
andern als auf dem künstlerischen Gebiet mit
Gefängnis bestraft würde. Ich will versuchen,
dies harte Urteil zu erläutern: Braubach liegt
dicht gedrängt in einem Halbkreis um den Fuß
des Marksburgkegels; und namentlich zum Rhein
hin ist der Raum vom Felsen so beschränkt,
daß hier nur eine Gasse sich lang hinzieht, die
in den hohen Schieferdächern der Philippsburg
rechts einen schönen Abschluß findet. In dieser
Gasse steht bis heute noch kein neues Haus,
und auch die Eisenbahn, die mit vorbildlicher
Roheit hier wie meist am Rhein die schönen
Ortschaften angeschnitten hat, vermochte ihren
Reiz nicht zu zerstören; sie zieht ihren Damm
so davor hin, daß die oberen Stockwerke, die
Erker und Schieferdächer in einem langen
lustigen Band darüber hinaus sehen. Und weil
eine einsichtige Ortsverwaltung vor den Bahn-
damm eine Doppelreihe gestutzter Kastanien
gestellt hat, die ihn von dem Rhein her völlig
verdecken, so ist das Uferbild von einem seltenen
Reiz: unten das Doppelband der grünen Bäume
und der gezackten Schieferdächer, darüber fast
senkrecht aufsteigend die schöne durch schräge
Lagerung des Gesteins gleichsam schraffierte
Pyramide der Marksburgfelsen. Wie vom
höchsten Kunstgefühl erwogen dient jede Linie
dieser Ansicht einer zauberhaften Harmonie.
Und mit jenem instinktiven Gefühl für eine
solche Landschaft hat ein alter Baumeister links
als Abschluß dieser Kette und als Stützpunkt
für die Flanke der Felspyramide einen Kirch-
turm hingestellt, einen dicken massigen Kerl
mit einer schiefernen Doppelkappe, der seines-
gleichen sucht am ganzen Rhein, einen Turm,
der noch jeden Künstler (ich nenne Schönleber)
entzückte.
Links von dem Turm beginnt die Barbarei
des neuen Deutschen Reiches: da steht — fast
alles in Verblendstein — ein Hotel, das Amts-
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RATOR. Von W. SCHÄFER.
Wenn die Berichte wahr sind, hat sich
Bodo Ebhardt jüngst in einem Vortrag zu
Straßburg sehr gewundert, daß man so wenig
von seinen Wiederherstellungen spräche. Auch
sandte er ein Schriftstück in die Welt: „Über
Verfall, Erhaltung und Wiederherstellung von
Baudenkmalen mit Regeln für praktische Aus-
führungen“, worin er uns in mildem Ernst
gleichsam ein Lehrbuch gibt, was wir mit
unseren alten Burgen machen sollen. Ich kann
mir denken, daß mancher die „Grundsätze“
und „Erläuterungen“ darin ganz harmlos liest
und kaum versteht, wie ein rechtschaffener
Mann bei so viel Ernst und Studium noch
Widerspruch erfahren kann. Wer aber zufällig
am Fuß der Marksburg wohnt und also eine
seiner Wiederherstellungen täglich vor Augen
hat, der muß den Mut höchlichst bewundern, bei
solchen Leistungen das Urteil herauszufordern.
Die Marksburg galt bis zum Frühjahr als
die einzige noch unzerstörte Burg am Rhein.
Als die Gerüste in diesem Sommer an ihren
Bergtried kamen, hat mir die Besorgnis die
Feder oft in die Hand gedrängt; ich habe wohl
geschrieben, doch nichts drucken lassen, weil
ich mir sagen mußte: daß die Vereinigung zur
Erhaltung deutscher Burgen — deren Eigen-
tum die Marksburg ist — sich unmöglich in
ihrem eigenen Haus verhöhnen könne; und
nachdem dies doch geschehen, nachdem durch
einen schornsteinartigen Turm die wundervolle
Silhouette dieses Berges verhunzt war, hab ich
geschwiegen, weil ich zweifelte, ob außerhalb
von Braubach jemand Anteil nähme an dem
Schicksal dieser Burg. Erst Bodo Ebhardts
Schrift hat mich belehrt, welche Gefahr dieser
Mann für unsere Rheinlandschaft bedeutet; und
da er selber ein Urteil fordert, so fühle ich mich
nun verpflichtet, am Beispiel seiner Braubacher
Leistungen zu erläutern, wie wenig er befähigt
ist, aus seinen Studien Taten zu vollführen.
Ich muß nur noch bemerken, daß ich nichts
weniger als ein Ruinenschwärmer bin — so
gern ich auch in hellen Nächten vom Burg-
gemäuer in die mondflimmernden Täler schaue —
daß ich das Heidelberger Schloß ungern als Ruine
sehe, und nur bedaure, daß es gerade ein Opfer
des Verderbens von Jung St. Peter in Straßburg
werden soll. Ich bin auch nicht der Meinung,
daß durch das bloße Alter irgend etwas ge-
heiligt werde, das vorher nichts war, und möchte
des malerischen Stadtbilds wegen nicht modrige
Höfe und scheußliche Spelunken erhalten wissen.
Wohl aber weiß ich, daß Natur und Kunst im
Bunde Kunstwerke schaffen können, die keiner
Künstlerhand allein gelängen. Und solch ein
Kunstwerk war die Marksburg. Wie sie auf
ihrem Tonschieferkegel als zackige Krönung
saß, gleichsam aus dem Berg gewachsen nicht
aufgebaut, von jeder Seite mit Dächern, Türmen,
Erkern schön aufstrebend und trotzig nach
oben abgezackt: man konnte nicht im Zweifel
sein, hier waren Jahrhunderte ineinander ver-
baut und verflickt und hatten jenen wunder-
vollen Einklang mit der Landschaft erhalten,
der uns vor alten Bauten oftmals einen rätsel-
haften Instinkt vermuten läßt — wie etwa den
Heimatssinn der Zugvögel — der unsern Bau-
meistern so ganz verloren scheint.
Daß Bodo Ebhardt nicht mit diesem künst-
lerischen Instinkt behaftet war, hatte er durch
sein Kriegerdenkmal am Fuß der Marksburg
bewiesen. Daß ihm nichts anderes einfiel als
ein Baukastenturm mit kindlichen Abmessungen
und lächerlichem Schmuck, war sein persön-
liches Unglück; daß dieses Musterstück aber
an die Stelle gesetzt werden konnte, wo es
heute steht, ist eine Roheit, die auf jedem
andern als auf dem künstlerischen Gebiet mit
Gefängnis bestraft würde. Ich will versuchen,
dies harte Urteil zu erläutern: Braubach liegt
dicht gedrängt in einem Halbkreis um den Fuß
des Marksburgkegels; und namentlich zum Rhein
hin ist der Raum vom Felsen so beschränkt,
daß hier nur eine Gasse sich lang hinzieht, die
in den hohen Schieferdächern der Philippsburg
rechts einen schönen Abschluß findet. In dieser
Gasse steht bis heute noch kein neues Haus,
und auch die Eisenbahn, die mit vorbildlicher
Roheit hier wie meist am Rhein die schönen
Ortschaften angeschnitten hat, vermochte ihren
Reiz nicht zu zerstören; sie zieht ihren Damm
so davor hin, daß die oberen Stockwerke, die
Erker und Schieferdächer in einem langen
lustigen Band darüber hinaus sehen. Und weil
eine einsichtige Ortsverwaltung vor den Bahn-
damm eine Doppelreihe gestutzter Kastanien
gestellt hat, die ihn von dem Rhein her völlig
verdecken, so ist das Uferbild von einem seltenen
Reiz: unten das Doppelband der grünen Bäume
und der gezackten Schieferdächer, darüber fast
senkrecht aufsteigend die schöne durch schräge
Lagerung des Gesteins gleichsam schraffierte
Pyramide der Marksburgfelsen. Wie vom
höchsten Kunstgefühl erwogen dient jede Linie
dieser Ansicht einer zauberhaften Harmonie.
Und mit jenem instinktiven Gefühl für eine
solche Landschaft hat ein alter Baumeister links
als Abschluß dieser Kette und als Stützpunkt
für die Flanke der Felspyramide einen Kirch-
turm hingestellt, einen dicken massigen Kerl
mit einer schiefernen Doppelkappe, der seines-
gleichen sucht am ganzen Rhein, einen Turm,
der noch jeden Künstler (ich nenne Schönleber)
entzückte.
Links von dem Turm beginnt die Barbarei
des neuen Deutschen Reiches: da steht — fast
alles in Verblendstein — ein Hotel, das Amts-
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