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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Kisa, Anton Carel: Von der Menzel-Ausstellung in Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0138

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VON DER MENZEL-AUS-

STELLUNG IN FRANKFURT.

Von Dr. ANTON KISA.

In der vorigen Nummer der Rheinlande
machte der Herausgeber bei einer kurzen Be-
sprechung dieser Ausstellung auf die prinzi-
piellen Bedenken aufmerksam, welche der Ver-
leihung von Kunstwerken der Nationalgalerie
in Berlin an Ausstellungen in anderen Städten
entgegenstünden. Ich erlaube mir, bei aller
prinzipiellen Anerkennung dieser prinzipiellen
Bedenken einen andern Standpunkt einzunehmen.
Ohne Zweifel sind Gesamtausstellungen, die dem
Werke eines einzelnen Künstlers oder einer be-
stimmten Gruppe gewidmet sind, in erster
Linie dazu da, Arbeiten aus Privatbesitz, aus
Kirchenschätzen und Archiven, welche der
Öffentlichkeit sonst mehr oder minder entzogen
sind, allgemein bekannt zu machen. Arbeiten,
die in Museen oder anderen öffentlichen Ge-
bäuden, wie Kirchen, Rathäusern usw., jeder-
mann zugänglich sind, werden hinter jene zu-
rücktreten müssen. In der Regel verweigern
auch Kirchenvorstände, Museumsdirektoren und
Magistrate die Beteiligung an fremden Ausstel-
lungen unter Hinweis auf den öffentlichen
Charakter ihrer Sammlungen. Mit den Schätzen
der Nationalgalerie in Berlin steht es jedoch
anders. Sie ist die einzige, von Staatsmitteln,
aus den Steuergeldern ganz Preußens unter-
haltene Sammlung moderner Kunst in unserm
Staate. Sie ausschließlich Berlin zu reser-
vieren, wäre ein um so größeres Unrecht, als
der Anteil, welchen die Reichshauptstadt an
der Entfaltung der Kunst nimmt, bei aller
Rührigkeit der Kräfte doch nicht so bedeutend
ist, daß er ein solches Monopol beanspruchen
könnte. Selbst Paris, das in viel höherem
Maße die französische Kunst zentralisiert, be-
sitzt kein so ausschließliches Vorrecht. In
Frankreich wird alljährlich eine bestimmte
Summe aus Staatsmitteln zum Ankauf von
modernen Kunstwerken für provinziale Museen,
Stadthäuser und andere öffentliche Gebäude
bereitgestellt, während in Preußen — von ge-
legentlichen Aufträgen zu Wandmalereien und
von Leihgaben aus den Depots der Berliner
Museen abgesehen — die Provinz leer ausgeht.
Während große Städte wie Breslau, Köln, Frank-
furt, Düsseldorf bei der öffentlichen Kunstpflege
größtenteils auf die Opferwilligkeit ihrer Bürger-
schaft angewiesen sind, zieht die Reichshaupt-
stadt, ohne selbst einen nennenswerten Beitrag
zu leisten, als Tribut der Provinzen die reichsten
und schönsten Kunstsammlungen ein. Wenn
die Berliner Museen hie und da einmal etwas
von ihren Schätzen leihweise an solche Orte
abgeben, wo sie Gutes stiften können, so ist
das nur eine recht kärgliche Abfindung für

ungleich höhere Gegenleistungen. Solange der
Staat die Provinz - Sammlungen so wenig be-
denkt, wäre es angezeigt, daß die gelegentlichen
Leihgaben in systematische Wanderausstel-
lungen umgewandelt würden. Eine solche stellt
die Menzelausstellung dar, welche von der
Nationalgalerie aus ihren Weg durch einige
große deutsche Städte gemacht hat und jetzt
in Frankfurt gelandet ist. Aber ihr Leitmotiv
ist nicht ganz frei von Egoismus. München
und Frankfurt sollen Menzel bewundern, damit
die Vertreter des Volkes mit gesteigerter Be-
geisterung im Landtage die Million bewilligen,
welche der Erwerb des Menzelschen Nachlasses
für die Berliner Nationalgalerie und der hierfür
nötige Bau eines Menzelmuseums kostet.

Es ist nur ein Teil der schier unüberseh-
baren Fülle, der von Berlin nach Frankfurt
gelangte, aber es befinden sich Stücke darunter,
die selbst dem Besucher der Menzelausstellung
in Düsseldorf vom Jahre 1904 fremd blieben. In
Nachbildungen sind sie ja freilich, wie fast alles
von Menzel, jedem Kunstfreunde bekannt. Da
ist die Begegnung Kaiser Josefs II. mit dem
großen Preußenkönige in Neiße, ein Riesen-
gemälde im üblichen Historienstile aus dem
Jahre 1857 und Eigentum der Gesellschaft für
historische Kunst. Menzel hat sich hier nicht
bloß in den äußerlichen Regieapparat des Rokoko
hineingearbeitet, er hat in den Schlössern
Potsdams durch Watteau, Pesne und die
anderen französischen Meister, die Friedrich II.
bevorzugte, echte Rokokoluft eingesogen. Typen,
Bewegungen, Farbe, das alles ist nicht etwa
bloß im historischen Sinne richtig, es ist
echtes, greiibares Leben. Das sieht freilich das
Publikum kaum, während die Schwächen nie-
mandem entgehen. Die leidenschaftliche Hast,
mit welcher der junge Kaiser dem Feinde seiner
Mutter, seinem schwärmerisch bewunderten
Vorbilde entgegeneilt, die verzückten Blicke,
welche die beiden ineinander tauchen, verrät
eine tüchtige Dosis von Überschwang und fällt
bei dem sonst so kühlen Phlegma des Künst-
lers um so mehr auf.

Mehr ins Episodenhafte geht das kleinere,
durch Reproduktionen allbekannte Gemälde der
Galerie Ravene „Friedrich der Große auf
Reisen“. Gerade die Hauptfigur, der König
selbst, ist unsicher, gleichgültig, während sich
unter den zum Empfange versammelten Bauern
prächtige, scharfe Charaktere finden und die
enttäuschte Familie des adligen Gutsherrn ge-
radezu köstlich geschildert ist. Das verblüffte
Komteßchen, das mit gesuchter Naivität dem
Könige einen Teller mit Obst zu präsentieren
gedachte und unbeachtet stehen bleibt, die
gnädige Gräfin-Mutter, die sonst Haare auf den
Zähnen hat, nun aber in Ehrfurcht ersterbend
des Königs Rockzipfel küßt, ohne auch nur
einen Blick dafür zu erhaschen — das sind

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