UBER IMPRESSIONISMUS UND
ANDERE KUNSTFRAGEN.
Von Prof. HANS THOMA.
Vor allen Dingen will ich das Bekenntnis
ablegen, daß ich von jeher der eifrigste An-
hänger des Impressionismus gewesen bin,
schon ehe das Wort als französische Münze
bei uns im Umlauf war — und daß ich jetzt
noch und jederzeit für die Eindrucksmalerei
eintreten werde. Denn aus dem Eindruck,
den die Welt auf eine empiängliche Seele
macht, geht alles echte Künstlertum hervor —
und daß es aus diesem Eindruck hervorgeht,
das unterscheidet es vom Handwerkertum in
der Kunst. Eine Sache, die das Publikum
aus aller Verwirrung der Kunstbegriffe doch
immer wieder merkt, indem nur die Werke,
die aus diesem Welt- und Daseinseindruck
hervorgehen, bestehenden Wert über alle
Modetheorien haben können.
Aus dem Eindruck gehen die Kunstwerke
jeglicher Art hervor, und das Bestreben des
Künstlers ist, diesen seinen Eindruck so wieder-
zugeben, daß er eindrucksvoll in die Seele des
Beschauers übergeht.
Kurzum, wer künstlerisch etwas sagen will,
muß etwas erlebt haben ; damit will ich
nicht sagen, daß der Künstler in allen Haupt-
städten Europas herumflaniert sein muß, das
Erleben des Künstlers ist eben seine Empfäng-
lichkeit für die ihn umgebende Sinnenwelt —
und diese Empfänglichkeit muß in jeder All-
täglichkeit vorhanden sein, wenn sie dem Künst-
ler eigen und angeboren ist.
Welcher Künstler wird sich da nicht gern
zur Eindruckskunst bekennen wollen, und wenn
er eindrucksvolle Bilder hervorbringt, so hat er
das volle Recht, sich Impressionist zu nennen.
Wenn man sagt, daß der Maler nur den
Eindruck, den er von der Natur erhalten hat,
wiederzugeben hat, so läßt sich dagegen nichts
einwenden; es handelt sich nur noch darum,
wie er ihn wiedergibt und ob er ihn in seinem
Bildwerk überhaupt wiedergegeben hat.
Das Hervorbringen des Eindrucksbildes kann
in keinem Falle so schnell geschehen, wie ein
Eindruck stattfindet. Der Eindruck ist freilich
momentan. — Das Wiedergeben eines Ein-
druckes vermittelst der Malerei braucht Zeit,
Überlegung, den ganzen Apparat eines sehr
komplizierten Handwerks. Denn die Malerei
fixiert diesen Eindruck, und etwas Fixiertes kann
nicht momentan sein.
Der Eindruck einer Landschaft mit ihrer
Stimmung, die Eigenart eines Licht- und
Schatten- und Farbeneffektes, der Wesenheits-
ausdruck einer Persönlichkeit usw. kann und
wird dem Maler sowie auch anderen Menschen
plötzlich klar werden. — Das Wiedergeben
vom Bilde dieses Eindruckes braucht wohlüber-
legte Mittel, kompliziertes Material und auch
Zeit; inzwischen muß der Künstler die viel-
leicht angeborene Fähigkeit haben, diesen Ein-
druck neben all den vielen anderen, die er auf-
nimmt, festzuhalten und wenn er auch an seinem
Bilde ein Jahr lang arbeiten sollte, und wenn er
einen solchen Eindruck erst nach Jahren wieder-
geben würde. Schnelligkeit allein tut es nicht,
diesen Eindruck auf die Maltafel zu bringen,
wohlüberlegtes Wählen und Herrschenlernen
über die ihm zu Gebote stehenden Mittel wird
ihn weiterbringen.
Aniängern, die in Hast geraten, um den Ein-
druck nicht zu verlierer, und die ihre Farben
in größter Eile auf die Tafel streichen, möchte
man immer zurufen: ,.Pressiert es denn so?“
Eine Momentmalerei, wie es eine Momentphoto-
graphie gibt, wird es nie geben, sogar dann
nicht, wenn er die Momentphotographie abmalt.
Mit dem wilden Hinstreichen der Farben
kann der feingeistige Vorgang, den das Wieder-
geben eines Eindrucks bedingt, sich nicht recht-
fertigen lassen, weder vor den Augen des Malers
noch vor denen des Beschauers.
Wenn man oft von Malern als Vorwurf
sagt, er malt mit den Augen eines andern
Meisters, so möchte ich lieber sagen, er malt
mit den Händen und mit dem Material eines
andern — von einer Techniksart, die es ihm
angetan hat.
Wenn eine Theorie sich darauf versteift, daß
ein Bild momentan wirken soll, so müßte es
auch vor den Augen vorübergezogen werden,
ehe der Beschauer Zeit gefunden hat, es als
etwas Feststehendes aufzufassen. Aber je
länger man sein Bild ansieht, desto mehr fühlt
sich jeder Maler geschmeichelt; • darum dürfte
man wohl sagen, daß er von Rechts wegen be-
strebt sein sollte, eine Fülle von Anregung zu
geben, von Materialbezwingung, daß es auf
die geistigen Fähigkeiten des Beschauers wirkt,
so daß er festgehalten wird, daß er gern und
willig seine Zeit darauf verwendet, das Bild
förmlich abzulesen, daß er nicht so leicht damit
fertig werden kann, nicht etwa den Eindruck,
sondern die Kunst des Malers zu bewundern,
der ihm diesen Eindruck zu dauerndem Ge-
nuß erschaffen hat, in Form gebracht hat, die
ein schönes Gefühl klaren Erkennens über
ihn bringt.
Unter Form verstehe ich hier alles, was
künstlerisch den Eindruck aus dem Chaos der
Empfindungsvorstellungen loslöst, klar macht
und isoliert; ob dies nun durch Linien, Farben-
flecke, durch plastisches Hervorheben geschieht,
ist dann ganz des Künstlers Sache; — möge
er seinen Eindruck hervorbringen, wie er ihn
beabsichtigt, wie er will und kann: es ist sein
Wille, der bestrebt ist, aus toter Materie geistige
Eindrücke wiederzugeben. Wohl ihm, wenn
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ANDERE KUNSTFRAGEN.
Von Prof. HANS THOMA.
Vor allen Dingen will ich das Bekenntnis
ablegen, daß ich von jeher der eifrigste An-
hänger des Impressionismus gewesen bin,
schon ehe das Wort als französische Münze
bei uns im Umlauf war — und daß ich jetzt
noch und jederzeit für die Eindrucksmalerei
eintreten werde. Denn aus dem Eindruck,
den die Welt auf eine empiängliche Seele
macht, geht alles echte Künstlertum hervor —
und daß es aus diesem Eindruck hervorgeht,
das unterscheidet es vom Handwerkertum in
der Kunst. Eine Sache, die das Publikum
aus aller Verwirrung der Kunstbegriffe doch
immer wieder merkt, indem nur die Werke,
die aus diesem Welt- und Daseinseindruck
hervorgehen, bestehenden Wert über alle
Modetheorien haben können.
Aus dem Eindruck gehen die Kunstwerke
jeglicher Art hervor, und das Bestreben des
Künstlers ist, diesen seinen Eindruck so wieder-
zugeben, daß er eindrucksvoll in die Seele des
Beschauers übergeht.
Kurzum, wer künstlerisch etwas sagen will,
muß etwas erlebt haben ; damit will ich
nicht sagen, daß der Künstler in allen Haupt-
städten Europas herumflaniert sein muß, das
Erleben des Künstlers ist eben seine Empfäng-
lichkeit für die ihn umgebende Sinnenwelt —
und diese Empfänglichkeit muß in jeder All-
täglichkeit vorhanden sein, wenn sie dem Künst-
ler eigen und angeboren ist.
Welcher Künstler wird sich da nicht gern
zur Eindruckskunst bekennen wollen, und wenn
er eindrucksvolle Bilder hervorbringt, so hat er
das volle Recht, sich Impressionist zu nennen.
Wenn man sagt, daß der Maler nur den
Eindruck, den er von der Natur erhalten hat,
wiederzugeben hat, so läßt sich dagegen nichts
einwenden; es handelt sich nur noch darum,
wie er ihn wiedergibt und ob er ihn in seinem
Bildwerk überhaupt wiedergegeben hat.
Das Hervorbringen des Eindrucksbildes kann
in keinem Falle so schnell geschehen, wie ein
Eindruck stattfindet. Der Eindruck ist freilich
momentan. — Das Wiedergeben eines Ein-
druckes vermittelst der Malerei braucht Zeit,
Überlegung, den ganzen Apparat eines sehr
komplizierten Handwerks. Denn die Malerei
fixiert diesen Eindruck, und etwas Fixiertes kann
nicht momentan sein.
Der Eindruck einer Landschaft mit ihrer
Stimmung, die Eigenart eines Licht- und
Schatten- und Farbeneffektes, der Wesenheits-
ausdruck einer Persönlichkeit usw. kann und
wird dem Maler sowie auch anderen Menschen
plötzlich klar werden. — Das Wiedergeben
vom Bilde dieses Eindruckes braucht wohlüber-
legte Mittel, kompliziertes Material und auch
Zeit; inzwischen muß der Künstler die viel-
leicht angeborene Fähigkeit haben, diesen Ein-
druck neben all den vielen anderen, die er auf-
nimmt, festzuhalten und wenn er auch an seinem
Bilde ein Jahr lang arbeiten sollte, und wenn er
einen solchen Eindruck erst nach Jahren wieder-
geben würde. Schnelligkeit allein tut es nicht,
diesen Eindruck auf die Maltafel zu bringen,
wohlüberlegtes Wählen und Herrschenlernen
über die ihm zu Gebote stehenden Mittel wird
ihn weiterbringen.
Aniängern, die in Hast geraten, um den Ein-
druck nicht zu verlierer, und die ihre Farben
in größter Eile auf die Tafel streichen, möchte
man immer zurufen: ,.Pressiert es denn so?“
Eine Momentmalerei, wie es eine Momentphoto-
graphie gibt, wird es nie geben, sogar dann
nicht, wenn er die Momentphotographie abmalt.
Mit dem wilden Hinstreichen der Farben
kann der feingeistige Vorgang, den das Wieder-
geben eines Eindrucks bedingt, sich nicht recht-
fertigen lassen, weder vor den Augen des Malers
noch vor denen des Beschauers.
Wenn man oft von Malern als Vorwurf
sagt, er malt mit den Augen eines andern
Meisters, so möchte ich lieber sagen, er malt
mit den Händen und mit dem Material eines
andern — von einer Techniksart, die es ihm
angetan hat.
Wenn eine Theorie sich darauf versteift, daß
ein Bild momentan wirken soll, so müßte es
auch vor den Augen vorübergezogen werden,
ehe der Beschauer Zeit gefunden hat, es als
etwas Feststehendes aufzufassen. Aber je
länger man sein Bild ansieht, desto mehr fühlt
sich jeder Maler geschmeichelt; • darum dürfte
man wohl sagen, daß er von Rechts wegen be-
strebt sein sollte, eine Fülle von Anregung zu
geben, von Materialbezwingung, daß es auf
die geistigen Fähigkeiten des Beschauers wirkt,
so daß er festgehalten wird, daß er gern und
willig seine Zeit darauf verwendet, das Bild
förmlich abzulesen, daß er nicht so leicht damit
fertig werden kann, nicht etwa den Eindruck,
sondern die Kunst des Malers zu bewundern,
der ihm diesen Eindruck zu dauerndem Ge-
nuß erschaffen hat, in Form gebracht hat, die
ein schönes Gefühl klaren Erkennens über
ihn bringt.
Unter Form verstehe ich hier alles, was
künstlerisch den Eindruck aus dem Chaos der
Empfindungsvorstellungen loslöst, klar macht
und isoliert; ob dies nun durch Linien, Farben-
flecke, durch plastisches Hervorheben geschieht,
ist dann ganz des Künstlers Sache; — möge
er seinen Eindruck hervorbringen, wie er ihn
beabsichtigt, wie er will und kann: es ist sein
Wille, der bestrebt ist, aus toter Materie geistige
Eindrücke wiederzugeben. Wohl ihm, wenn
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