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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Kisa, Anton Carel: Zur Erinnerung an die Schmuckausstellung in Strassburg
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eugène Fromentins "die alten Meister"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0151

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ZUR ERINNERUNG AN DIE SCHMUCKAUSSTELLUNG IN STRASSBURG.

wie von den Franzosen zu profltieren weiß. Während
Ringel d’Jllzach seine Pariser Schulung nicht verleugnet,
schließen sich Walther Eberbach, Thallmeyer u. A. den
Süddeutschen an. Die einen haben der Natur durch
feine Beobachtung eine Menge neuer und graziöser
Motive abgelauscht, andere dagegen durch harmonischen
Schwung einfacher Linien nach dem Muster der Darm-
städter und van de Veldes originelle und selbständige
Schöpfungen hervorgebracht. Die dritten, denen diese
Gaben versagt sind, reiten das moderne Steckenpferd
der Japonerie, welche nun, nachdem die eigenen histo-
rischen Stile abgegrast sind, an deren Stelle zur „Muster-
gültigkeit“ aufgerückt ist.

Eugene fromentins „die alten

MEISTER“. Von W. R. VALENTINER.

Fromentins Werk: „Les Maitres d’autrefois“ ist 1875
erschienen und erst vor kurzem von Freiherr Eb. von
Bodenhausen ins Deutsche übertragen worden (Verlag
von Bruno Cassirer, Berlin 1903). Man könnte sagen,
daß es gerade jetzt deutsches Eigentum werden müßte.

Jede Arbeit des Übersetzens ist insofern undankbar,
als ihr erstes Ziel sein muß, den Gedanken an die Arbeit
vergessen zu machen. Dies Ziel erscheint in dem vor-
liegenden Buch bei.einer im Ganzen vorwaltenden be-
scheidenen Zuriickhaltung, bei einer im Einzelnen durch-
aus notwendigen und berechtigten Freiheit im Übertragen,
erreicht. Der Lohn der Mühe muß allein in dem be-
friedigenden Gefühl liegen, daß ein gutes Buch zu rechter
Zeit eine neue Verbreitung findet.

Der Herausgeber stellt das Werk in einem Vorwort
in den Dienst der modernen Kunstbewegung. Er betont
den Wert, den Ansichten für unsere Kunstauffassung
haben, die von Künstlern selbst geäußert werden.
Fromentin aber war ein Künstler. Freilich mehr als
Schriftsteller denn als Maler. Auf die Bedeutung seiner
Charakteristik alter holländischer und vlämischer Meister
ist schon oft hingewiesen worden von J. Burckhardt,
W. Bode, W. v. Seidlitz vor Jahren, neuerdings von
C. Neumann und Jan Veth. Ihr Wert wird jetzt auch in
weiteren Kreisen erkannt werden, da das Interesse für
die eigentlich künstlerischen Probleme in letzter Zeit
stark gewachsen ist, da der gebildete Laie sich nicht mit
der Jahrmarktsliteratur oberflächlicher Kunstschreiber
zufrieden geben kann, anderseits aber spezielle wissen-
schaftliche Werke nicht einem allgemeinen Bedürfnis
entsprechen. Der Mangel solcher Bücher, die wissen-
schaftliche und künstlerische Erkenntnisse in den Dienst
des Lebens stellen wollen, wird überall empfunden.
Und dies ist ein erfreuliches Zeichen. Denn es beweist,
daß sich der Deutsche auf ein höherstehendes Niveau
künstlerischer Bildung erhebt. Daß aber tatsächlich
solche Werke erscheinen, ist ein Beleg dafür, daß die
geistige Nachfrage danach vorhanden ist.

Freilich sind sie noch nicht zahlreich. Was be-
deutende Künstler schreiben, wird nur in seltenen Fällen
populär werden, da ihre Schreibweise schwerfällig, ihr
Standpunkt für den Laien fast uneinnehmbar ist. Fro-
mentin aber ist Künstler genug, um vom Handwerk
etwas zu verstehen, um künstlerisch zu empfinden und
darzustellen. Anderseits ist er als Maler nicht so genial,
daß er sich nicht doch einen freien historischen Blick
bewahrt und sich nicht Zeit gegönnt hätte, vergangene
Kunst eingehend zu studieren. Dies befähigt ihn besonders
für eine Darstellungsweise, die im besten Sinne populär ist.

Wer auf einen weiten Zuhörerkreis rechnen will,
den darf nicht die Überfülle des Materials noch der
lastende Reichtum des Gedankens bedrängen. Er muß
Begeisterung ausdrücken können und wenig gegebene
Tatsachen so durch Gefühl und Phantasie bereichern,
daß er von Moment zu Moment lebensvolle Bilder aus
elastischer Nachempfindung vergangener Anschauungen
und leidenschaftlicher Wiedergabe eigener Erfabrungen
schafft. Er muß als Persönlichkeit erscheinen und sich

doch so weit selbst entäußern, daß er in nahem Verhältnis
zu seinen Hörern steht. Er muß stets dramatisch
wirken, immer auf der Höhe der Situation sein, das
Unbedeutende bedeutend darzustellen wissen, das Ein-
fache wechselvoll erzählen. Er muß verständlich sein,
ohne nüchtern zu werden, klar und durchsichtig dis-
ponieren, ohne den Eindruck zu erwecken, daß der Stoff
erschöpft sei; er muß zum Nachdenken anregen und
wieder überraschen, offen seine Meinung sagen, tief und
warm das Große erfassen, gefällig das Bescheidene
würdigen und lächeln können, nachdem er leiden-
schaftlich verdammt hat.

Diese Kunst einer populären Darstellungsweise ist
Fromentin eigen, und darin verleugnet er seine Nation
nicht. Er scheint Essays zu schreiben und stellt doch
mit der strengen Logik des Franzosen ein sorgfältig auf-
gebautes literarisches Kunstwerk vor uns hin. Man be-
trachte etwa den ersten Teii seines Buches, der über die
vlämische Malerei handelt. — Er wandert mit uns durch
das Museum in Brüssel, führt uns durch Anschauung
weniger Bilder wie beiläufig in den Geist der älteren
vlämischen Kunst ein und entwickelt den Stil des Rubens
aus dem seiner Vorgänger und Lehrer. Ohne daß dieser
sein Held noch genannt ist, steigt er schon vor uns im
Geiste auf. Nun erscheint er selbst, erst in schwächeren
Werken und darin schon genialer als seine Vorläufer,
dann in einem seiner Hauptwerke in der Marter des
hl. Lievin in der ganzen Mächtigkeit seines Pathos. In
dem geräuschvollen Brüssel hören wir auf die gewaltige
geistige Stimme des Künstlers, im stillen Mecheln be-
wundern wir ruhig und behaglich die Größe des Meisters
im Handwerk, in der gleich großen Kunst der Technik.
Und nun nach langsamem Aufstieg, nachdem uns Fro-
mentin in gefälligem Wechsel bald provisorische Notizen,
bald dauernde Reflexionen gegeben, der unvergleichliche
Höhepunkt der Darstellung in der Wanderung durch
Antwerpen, in dem Kapitel, das mit den Worten beginnt:
Viele sagen Antwerpen, viele aber auch sagen die Rubens-
stadt. Kontraste in der Schilderung verschiedener Werke
bereichern die Charakteristik, eindruckslosere Schöpfungen
werden analysiert, und schneller erhebt sich die Er-
zählung wieder zu den Höhen der Begeisterung. — Wie
ein guter Dramatiker bricht Fromentin nicht mit der
größten Spannung ab; ein beruhigender Abstieg leitet
von einer Besprechung der Porträtkunst des Rubens zu
einer Schlußbetrachtung über, in welcher der Künstler
als Mensch seine Würdigung flndet. Aber noch einmal
erscheint der Geist des Meisters, er leuchtet aus der
Kunst seines Nachfolgers van Dyck. So entschwindet
er langsam den Blicken, wie er undeutlich erst aus der
Unklarheit vorangehender Kunstrichtungen emportauchte.

Wie man sieht, arbeitet die Methode dieser beweg-
lichen Schreibweise nicht zum geringsten Teil mit Kontrast-
wirkungen und Vergleichen. So baut sich das ganze
Werk auf den Gegensatz der vlämischen Kunst und
Kultur zu der holländischen auf. So charakterisiert
Fromentin den Künstler, der naturgemäß im Mittelpunkt
des zweiten Teiles steht: Rembrandt. Er sucht erst fest-
zustellen, was dieses Meisters eigentliches Wesen nicht
ist. Und nun findet er in seiner Kunst zwei Grund-
anschauungen, die sich bekämpfen: eine naturalistische
und eine visionäre Auffassung. Der Zwiespalt kommt
ihm am deutlichsten in der NachtWache zum Ausdruck.
Er definiert das doppelte Wesen Rembrandtscher Kunst
näher und gibt für die eine Seite glänzende Belege in
der Analyse einiger Porträts, für die andere Beispiele
durch Beschreibung einzelner biblischer Darstellungen
wie des barmherzigen Samariters, des Emmausmahles im
Louvre. Hat er die Charakteristik Rembrandts mit einer
Gegenüberstellung der in der Anatomie sich äußernden
Schwächen und der vollendeten Kunst des Franz Hals
begonnen, so gestaltet er seine Darstellung dramatisch
durch die Schilderung des Konfliktes in dem Wesen des
Künstlers. Der Widerstreit löst sich ihm in den Werken
aus der Spätzeit, etwa in den Staalmeesters, in denen
er die beiden Wesenseigentümlichkeiten Rembrandts ver-

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