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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eugène Fromentins "die alten Meister"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0152

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EUGENE FROMENTINS „DIE ALTEN MEISTER“.

einigt sieht. — Man mag Fromentin in dem, was er über
Rembrandt sagt, recht geben oder nicht: zum mindesten
ist die Anschauung, die er sich von dem Künstler ge-
bildet, geschlossen und leicht faßlich. Sie prägt sich ein
und entgleitet nicht den Händen, wenn man sich ihr
nähern will.

Fromentin bespricht im allgemeinen nur Werke, die
ihn begeistert haben. Und er tut recht daran; man ge-
winnt dadurch den Eindruck, als sei sein Buch in ge-
hobener Stimmung geschrieben. Ungehindert entfaltet
sich das feurige Temperament und die liebenswürdige
Erzählergabe des Franzosen, der es versteht, den Stoff
abzurunden, wo er sich nicht fügen will. Reduziert er
öfters seine Begeisterung oder fällt er vernichtende
Urteile, so empflndet man dankbar die freundliche Absicht,
die Phantasie des Lesers durch Kritik frisch zu erhalten.
Denn zu viel Enthusiasmus ermüdet. Vermißt der Kunst-
historiker bisweilen die eindringliche Schärfe der deutschen
kritischen Methode, so verlange man nicht alles von
einem so trefflichen Werk. Wenigen Menschen ist in
gleich hohem Maße die Fähigkeit zu eigen, Begeisterung
auszudrücken und unfehlbare Kritik im Einzelnen zu
üben. Wer aber wie Fromentin vermag, stets für seinen
Helden einzunehmen, wer es wie er versteht, uns wie
mit einem Zauberstab in den Geist einer vergangenen
Kultur durch die lebendige Betrachtung einer historischen
Gegenwart zu versetzen — man denke an die Charakteristik
des Haag — der wirbt für die Kunst im Leben, und
darin liegt ein hohes und gerade unserer Zeit verständ-
liches Bemühen.

Die Wissenschaft aber kann von Fromentin lernen,
was die Kunst der Darstellung vermag. Er erreicht vom
Leser alles was er will, vor allem Konzentration. Freilich
liegt dies nicht allein in der glänzenden Schreibweise
begründet; eine gründliche Anschauung und ein glück-
liches Gleichmaß der Gesinnung beleben die Form.
Fromentin ist geistreich und doch nicht zerfahren,
liebenswürdig und doch nicht oberflächlich, vornehm in
der Gesinnung und doch voil Verständnis für alles
Menschliche. Und so wird auch der Gelehrteste sich
an diesem Buch erfreuen, wenn sein Gemüt nach des
Tages Arbeit für reine Begeisterung empfänglich ist,
wenn er nach einer Darsteliung verlangt, die ihn leicht
und freundlich über die Sorgen des Lebens hinweghebt.

I T NSERE MUSIKBEILAGE.

Als eine der hübschesten komischen Opern der
Wagnerzeit ist Hermann Goetzens „Bezähmte Wider-
spänstige“ oft genannt, wenngleich nicht allzu oft gespielt.
Kann sie sich apch mit Corneliussens „Barbier von Bag-
dad“, neben den sie vielfach gestellt wird, nicht messen, da
weder die Erfindung gleich originell noch die musikalische
Durchführung der Orchesterbegleitung und der Ensemble-
und Chorsätze entfernt so geistvoll ist, und da sie dem
Hauptfehler jener Oper, mehr lyrisch als dramatisch zu
sein, streckenweise auch verfallen ist, so ist sie dennoch ein
feines und reizvolles Ding, dessen melodiöse Wärme leicht
über das etwas rohe Sujet des Shakespeareschen Textes
weghilft. Einen Begriff davon, wie glücklich der Kom-
ponist noch den Stil der alten komischen Oper zu wahren
wußte, gibt das Buffo-Duett zwischen den beiden Rivalen
Lucentio und Hortensio, dessen zweiten Teil unsere
Musikbeilage enthält — eins der rundesten und frischesten
Stücke in der Oper und trotz der alten Form durchaus
nicht altmodisch. Die beiden Begleitungsmotive aus
dem Duett zwischen Bianca und Lucentio (dem zarten
Liebespärchen, das das Gegenspiel zu der Widerspänstigen
und ihrem Petruchio bildet) zeigen mehr den modernen,
durch Wagner beeinflußten Komponisten; beide sind
sehr stimmungsvoll und für ein Mondscheinduett durch-

aus geeignet, und namentlich das zweite von einer Än-
mut, es könnte von Cornelius sein. Dieses Duett würde
wohl die Perle der Oper heißen müssen, wenn es nicht
leider durch einen ziemlich banalen Schluß etwas von
seinem Zauber verlöre.

„Der Widerspänstigen Zähmung“ ist nicht die einzig *
Oper des frühverstorbenen Künstlers; eine zweite trägt
den Titel „Francesca da Rimini“. Außerdem gibt es
noch eine Symphonie in F-Dur (mit einem reizenden
Scherzo-Satze) und eine beträchtliche Anzahl ein-> und
mehrstimmiger Lieder. G. K.

CHRISTUS AM KREUZ VON
ALBRECHT ALTDORFER.

Man hat Albrecht Altdorfer den ersten Landschafter
genannt und man hat ihm damit eine Sonderstellung unter
den deutschen Malern des XVI. Jahrhunderts gegeben.
In der Tat hat er der Landschaft in seinen Bildern eine
Bedeutung gegeben wie keiner vor ihm. Aber es ist
nicht der Reiz einer einfachen Naturschilderung, der uns
anzieht; wie in eine bunte Märchen- und Wunderwelt
blicken wir hinein, so zart und lieblich klingend wie ein
Frühlingslied, oder so ernst und feierlich strahlend wie
die schimmernde Pracht, die durch die farbigen Scheiben
in unsere geheimnisvoll düsteren Kathedraien dringt.
Der darzustellende Vorgang tritt zurück, und wie von
einer lästigen Fessel befreit schwelgt der Künstler in der
phantastischen Neugestaltung der in der Natur geschauten
Herrlichkeiten. In unserem Blatte jedoch steht Vorgang
und Natur gleichwertig zusammen. Ein wenig klingt es noch
an Dürer an, aber die sorgfältige wohlabgewogene Technik
des großen Graphikers fehlt. Etwas Fahriges hat das
Blatt bekommen, als habe eine tiefe seelische Erregung
dem Kunstler das Blut in Wallung gebracht und die
ruhige Arbeit beeinträchtigt.

Phantastisch ragen die Bäume auf, Nacht bedeckt
den Himmel, aber ein strahlendes Licht geht von dem
gebeimnisvollen Vorgang, der die Menschheit befreienden
Tat der Erlösung aus, das den tiefen erschütternden
Schmerz zu verklären vermag. F.

Ein sonderbares missgeschick

IST MEIER-GRÄFE

— wenn sich die Sache bestätigt — überkommen. In
seinem Fall Böcklin steht im ersten Teil ein Kapitel
„Erfindung“, das von einem Vergleich zwischen Böcklins
Selbstporträt mit dem Tod und Holbeins Schatzmeister-
bildnis mit Tod und Stundenglas in der Münchener
Pinakothek ausgeht, natürlich zuungunsten Böcklins,
dessen Einfall direkt aus dem Kopf in den Rahmen
hineinspringt, während er „dort und bei allen andern,
die wir verehren“, „zuvor in die dunkle Kammer“ dringt
und „da erst wahrbaft erfunden“ wird. Dies alles bezieht
sich in der Hauptsache auf den Tod, der bei Holbein
durch die Malerei ganz in die Herrlichkeit der Harmonie
eintritt, während bei Böcklin usw. — Nun aber will der
Zufall, daß Professor Voll, gerade mit dem Studium des
Holbeinschen Bildes beschäftigt, die Entdeckung gemacht
zu haben glaubt und einen sehr gründlichen Beweis
antritt, daß der Tod auf Holbeins Bild gar nicht von
ihm herrührt, sondern von einer späteren Hand auf den
gewohnten grünblauen Hintergrund gemalt ist. Damit
wäre dann allerdings ein lustiges Beispiel gegeben, wo-
hin die Leidenschaft widerspruchsvoller Behauptungen
führen kann. Übrigens hat Meier-Gräfe schon eine
Antwort angekündigt; die Sache könnte also noch „be-
richtigt“ werden; wir werden nicht verfehlen, dies gern
zu tun, wenns nötig ist. S.

Herausgegeben im Auftrag des Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein durch Wilhelm Schäfer,
Braubach a. Rh.; Verlag von Fischer & Franke, Düsseldorf; Druck von A. Bagel, Düsseldorf.
 
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