FRANZ SCHUBERTS einstimmige
LIEDER, GESÄNGE UND BALLADEN
MIT TEXTEN VON SCHILLER.
Von LUDWIG SCHEIBLER.
V.
**333 Der Kampf, Ode, 6 S., Nov. 1817; für
Baß, von D bis d. — Das Gedicht von Ende 1784
betrifft bekanntlich Schillers Verhältnis zu
Charlotte von Kalb. Beim 2. Druck, 1800,
wurden von den 22 Strophen nur 6 beibehalten
(zu je 4 Zeilen). Der „Lohn“, wovon dreimal
die Rede ist, bezieht sich nach der Ansicht der
Erklärer auf Charlottens Geständnis der
Gegenliebe, nicht auf etwas Unerlaubteres. —-
Das musikalische Schema ist: (Str. 1 des Textes)
A Feurig (so in einer alten Abschrift; die erste
Ausgabe, von Jan. 1829, hatte dafür „Allegro“)
2/ä, Vorspiel von 8 Takten, Gesang 15T„
von d, stark modulierend, nach G. — (Str. 2)
B: a (Zeile 1—2) Vorspiel von 3 x/2 T., Gesang
6 T. in C und As; b (Z. 3—4) von As, stark
modulierend, nach Fis. — (Str. 3) C 3/4: a (Z. 1)
von H durch hs, gis nach Dis; b (Z. 2): 5 2/3 T.
Zwischenspiel und 6 ä/3 Gesang, von Dis nach
H, h, G; c I (Z. 3), II, II (Z. 4), G nach E. —
(Str. 4) D Langsam: « in E I (Z. 1), Ii (Z. 2);
b (Z. 3) in G; c (Z. 4) in D. — (Str. 5) E:
a (Z. 1) ähnlich D a I,, in D; b (Z. 2—-3) in
d, F, A; c (Z. 4) in A. — (Str. 6) F 4/4: a (Z. 1);
hier ist die Musik der Worte „das ich ewig
fliehen wollte“ als Rezitativ vorgeschrieben;
aber die drei vorhergehenden sind auch schon
rezitativisch; b (Z. 2); [die Angabe des not-
wendigen schnelleren Tempos mit c, etwa
„Allegro 2/2“, ist hier ausgelassen] c (Z. 3 — 4)
in D, Schluß in d: d (hier wird Zeile 3—4
mehrfach wiederholt, ganz arienmäßig), d4,
Nachspiel von 5 Takten in d. — Schober führt
„den Kampf“ unter den Gesängen auf, die
Vogl schon früh vortrug (s. S. 272 II ob.). — Reiß-
mann nannte 1861 (Deutsch. Lied S. 244)
den Kampf mit Tartarus und den Ossian-
Gesängen als hervorragende von „fast epischer
Ausbreitung“; trotzdem schmiß er ihn 1872 in
die große Mistgrube, die ja fast alle Schiller-
Gesänge Schuberts unrettbar verschlang. 1
Friedländer hält den Plunder nicht einmal
der Erwähnung wert; er wird durch den
Löwianer Runze beschämt, der drei „bal-
ladischen Gesängen, die Schubert meister-
haft gelungen“, mit „auch wohl“ den Kampf bei-
fügt (Die Musik, Mai 1905, 182 ob.). Noch be-
stimmter rechne ich den Kampf zum Besten
von Schubert aus dieser an großartigen Gesängen
so reichen Zeit; namentlich hat das Werk in
der meist stark wechselnden und wirkungs-
vollen Modulation und dem vollen, oft tiefliegen-
den Klavierpart Verwandtschaft mit dem so
viel berühmteren Tartarus, wie ja auch beide
für tiefe Männerstimme geschrieben sind. Das
durch A hindurchgehende punktierte Motiv in
der Begleitung (verwandt in B b) erinnert an
das in B a des Tartarus. Freilich ist die Form
dieses Gesanges, mit den nur vier Hauptteilen,
viel einfacher, übersichtlicher als die desKampfes,
der in sechs Hauptteile zerfällt, welche (außer A
und der Schlußpartie F d) wieder aus kleineren
Teilen bestehen, die unter sich meist nicht zu-
sammenhängen. Aber man darf von einem
Verehrer Schuberts verlangen, daß er sich nicht
bloß an solche Gesänge hält, die beim ersten
Durchnehmen oder Anhören ansprechen, sondern
daß er gehaltvolle Gesänge so lange durch-
arbeitet bis er sie faßt; der Hörer hat dann
dem Meister gefallen. Bei Schuberts Kampf hat
der gut lyrische, „höchst leidenschaftliche Text
voll düsterer Glut“ (Viehoff) durchweg einen
ausgezeichneten, gleichwertigen Ausdruck ge-
funden. Der Gesang wäre ein gutes Vortragsstück
für einen ebenso ausdrucksfähigen wie stimm-
gewaltigen Bassisten. Das einheitliche Schluß-
stück (Fd) ist wie die effektvolle Coda einer
Opernarie gehalten, ohne äußerlich zu werden.
**357 Sehnsucht, 2. Kompos., für Baß, in 2
Fassungen, ohne festes Datum (vgl. S. 166 II über
die 1. Kompos. von 1813). — Das 1801—2 ent-
standene Gedicht bezieht sich, wie die besten
Ausleger annehmen, auf „das Reich der Ideale, in
das nur die Phantasie uns aus der Wirklichkeit
hinüberträgt“. Als Schiller das Gedicht nebst
andern für ein Taschenbuch Beckers an Körner
sandte (17. März 1802), schrieb er: „Es sind einige
Kleinigkeiten von Poesie, . . viel ist nicht daran.
Indessen findest Du doch vielleicht etwas Com-
ponibles darunter“; ferner am 20. April: ,, . . die
Sehnsucht, hat etwas Gefühltes, Poetisches. Ich
glaube, es wird durch die Musik gewinnen“. —
Der musikalische Bau ist: (Str. 1, Zeile 1—4 des
Textes) A: Ziemlich geschwind 2/2 („ 4/4“) von h
nach D; (Str. 1 Z. 5 — 8) B: in G; (Str. 2—3 Z. 4)
C: I in B; II (Z. 5 — 8 von Str. 2) in As, Es,
g, Es, B; I^ in B; (Str. 3 Z. 5 —Str. 4 Z. 2)
D: von g, stark modulierend, nach E; (Str. 4
Z. 3 — 8) E: Schnell I II II, Coda in E. —
Die zweite Fassung hat viele, doch selten
wesentliche Änderungen ; über den Schlußteil E
s. S. 166 II unten. Das gegebene Schema
zeigt, daß die musikalische Form meist
nicht den Strophen entspricht, sondern dem
Wechsel der Vorgänge und der Stimmungen
folgt; aber sie genügt allen billigen Ansprüchen:
hier gilt alles früher beim „Elysium“ Gesagte
(274 II oben). Als G. Fink beim Erscheinen
den Gesang besprach (Allg. mkl. Ztg. 1826, 480),
fand er freilich „für die Ausmalung mancher
Einzelheiten zu viel und darüber für . . , den
Grundton der Empfindung zu wenig getan; inter-
essant ist er in einigen Abschnitten“. Auf
diesem Standpunkt, damals entschuldbar, jetzt
LIEDER, GESÄNGE UND BALLADEN
MIT TEXTEN VON SCHILLER.
Von LUDWIG SCHEIBLER.
V.
**333 Der Kampf, Ode, 6 S., Nov. 1817; für
Baß, von D bis d. — Das Gedicht von Ende 1784
betrifft bekanntlich Schillers Verhältnis zu
Charlotte von Kalb. Beim 2. Druck, 1800,
wurden von den 22 Strophen nur 6 beibehalten
(zu je 4 Zeilen). Der „Lohn“, wovon dreimal
die Rede ist, bezieht sich nach der Ansicht der
Erklärer auf Charlottens Geständnis der
Gegenliebe, nicht auf etwas Unerlaubteres. —-
Das musikalische Schema ist: (Str. 1 des Textes)
A Feurig (so in einer alten Abschrift; die erste
Ausgabe, von Jan. 1829, hatte dafür „Allegro“)
2/ä, Vorspiel von 8 Takten, Gesang 15T„
von d, stark modulierend, nach G. — (Str. 2)
B: a (Zeile 1—2) Vorspiel von 3 x/2 T., Gesang
6 T. in C und As; b (Z. 3—4) von As, stark
modulierend, nach Fis. — (Str. 3) C 3/4: a (Z. 1)
von H durch hs, gis nach Dis; b (Z. 2): 5 2/3 T.
Zwischenspiel und 6 ä/3 Gesang, von Dis nach
H, h, G; c I (Z. 3), II, II (Z. 4), G nach E. —
(Str. 4) D Langsam: « in E I (Z. 1), Ii (Z. 2);
b (Z. 3) in G; c (Z. 4) in D. — (Str. 5) E:
a (Z. 1) ähnlich D a I,, in D; b (Z. 2—-3) in
d, F, A; c (Z. 4) in A. — (Str. 6) F 4/4: a (Z. 1);
hier ist die Musik der Worte „das ich ewig
fliehen wollte“ als Rezitativ vorgeschrieben;
aber die drei vorhergehenden sind auch schon
rezitativisch; b (Z. 2); [die Angabe des not-
wendigen schnelleren Tempos mit c, etwa
„Allegro 2/2“, ist hier ausgelassen] c (Z. 3 — 4)
in D, Schluß in d: d (hier wird Zeile 3—4
mehrfach wiederholt, ganz arienmäßig), d4,
Nachspiel von 5 Takten in d. — Schober führt
„den Kampf“ unter den Gesängen auf, die
Vogl schon früh vortrug (s. S. 272 II ob.). — Reiß-
mann nannte 1861 (Deutsch. Lied S. 244)
den Kampf mit Tartarus und den Ossian-
Gesängen als hervorragende von „fast epischer
Ausbreitung“; trotzdem schmiß er ihn 1872 in
die große Mistgrube, die ja fast alle Schiller-
Gesänge Schuberts unrettbar verschlang. 1
Friedländer hält den Plunder nicht einmal
der Erwähnung wert; er wird durch den
Löwianer Runze beschämt, der drei „bal-
ladischen Gesängen, die Schubert meister-
haft gelungen“, mit „auch wohl“ den Kampf bei-
fügt (Die Musik, Mai 1905, 182 ob.). Noch be-
stimmter rechne ich den Kampf zum Besten
von Schubert aus dieser an großartigen Gesängen
so reichen Zeit; namentlich hat das Werk in
der meist stark wechselnden und wirkungs-
vollen Modulation und dem vollen, oft tiefliegen-
den Klavierpart Verwandtschaft mit dem so
viel berühmteren Tartarus, wie ja auch beide
für tiefe Männerstimme geschrieben sind. Das
durch A hindurchgehende punktierte Motiv in
der Begleitung (verwandt in B b) erinnert an
das in B a des Tartarus. Freilich ist die Form
dieses Gesanges, mit den nur vier Hauptteilen,
viel einfacher, übersichtlicher als die desKampfes,
der in sechs Hauptteile zerfällt, welche (außer A
und der Schlußpartie F d) wieder aus kleineren
Teilen bestehen, die unter sich meist nicht zu-
sammenhängen. Aber man darf von einem
Verehrer Schuberts verlangen, daß er sich nicht
bloß an solche Gesänge hält, die beim ersten
Durchnehmen oder Anhören ansprechen, sondern
daß er gehaltvolle Gesänge so lange durch-
arbeitet bis er sie faßt; der Hörer hat dann
dem Meister gefallen. Bei Schuberts Kampf hat
der gut lyrische, „höchst leidenschaftliche Text
voll düsterer Glut“ (Viehoff) durchweg einen
ausgezeichneten, gleichwertigen Ausdruck ge-
funden. Der Gesang wäre ein gutes Vortragsstück
für einen ebenso ausdrucksfähigen wie stimm-
gewaltigen Bassisten. Das einheitliche Schluß-
stück (Fd) ist wie die effektvolle Coda einer
Opernarie gehalten, ohne äußerlich zu werden.
**357 Sehnsucht, 2. Kompos., für Baß, in 2
Fassungen, ohne festes Datum (vgl. S. 166 II über
die 1. Kompos. von 1813). — Das 1801—2 ent-
standene Gedicht bezieht sich, wie die besten
Ausleger annehmen, auf „das Reich der Ideale, in
das nur die Phantasie uns aus der Wirklichkeit
hinüberträgt“. Als Schiller das Gedicht nebst
andern für ein Taschenbuch Beckers an Körner
sandte (17. März 1802), schrieb er: „Es sind einige
Kleinigkeiten von Poesie, . . viel ist nicht daran.
Indessen findest Du doch vielleicht etwas Com-
ponibles darunter“; ferner am 20. April: ,, . . die
Sehnsucht, hat etwas Gefühltes, Poetisches. Ich
glaube, es wird durch die Musik gewinnen“. —
Der musikalische Bau ist: (Str. 1, Zeile 1—4 des
Textes) A: Ziemlich geschwind 2/2 („ 4/4“) von h
nach D; (Str. 1 Z. 5 — 8) B: in G; (Str. 2—3 Z. 4)
C: I in B; II (Z. 5 — 8 von Str. 2) in As, Es,
g, Es, B; I^ in B; (Str. 3 Z. 5 —Str. 4 Z. 2)
D: von g, stark modulierend, nach E; (Str. 4
Z. 3 — 8) E: Schnell I II II, Coda in E. —
Die zweite Fassung hat viele, doch selten
wesentliche Änderungen ; über den Schlußteil E
s. S. 166 II unten. Das gegebene Schema
zeigt, daß die musikalische Form meist
nicht den Strophen entspricht, sondern dem
Wechsel der Vorgänge und der Stimmungen
folgt; aber sie genügt allen billigen Ansprüchen:
hier gilt alles früher beim „Elysium“ Gesagte
(274 II oben). Als G. Fink beim Erscheinen
den Gesang besprach (Allg. mkl. Ztg. 1826, 480),
fand er freilich „für die Ausmalung mancher
Einzelheiten zu viel und darüber für . . , den
Grundton der Empfindung zu wenig getan; inter-
essant ist er in einigen Abschnitten“. Auf
diesem Standpunkt, damals entschuldbar, jetzt