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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Kisa, Anton Carel: Von der Menzel-Ausstellung in Frankfurt
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Schäfer, Wilhelm: Die I. grosse Kunstausstellung des Verbandes der Kunstfreunde zu Köln 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0140

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VON DER MENZEL-AUSSTELLUNG IN FRANKFURT.

geistreiche von der Rokokostimmung verfeinerte
Lustspielzüge. Ein kleines Kunstwerk für sich
ist der altererbte, zur feierlichen Gelegenheit
hervorgeholte Familienstaat der Gräfin, schwere,
braune, schon etwas verschossene Seide mit
kleinen Rosenbuketts gemustert, mit einer an
Leibl erinnernden Sorgfalt gemalt, aber kein
totes Stilleben, wie auf dessen „Dachauerinnen
in der Kirche“, sondern frei bewegt in jedem
Fältchen. Und die Bauern mit ihrem Schulzen,
den Ältesten und dem Schulmeister! Die einen
voll behäbiger Zufriedenheit, die anderen furcht-
sam und demütig, die dritten etwas kritisch
veranlagt, eine Art Reichsnörgler, die sichs
vorgenommen haben, es „Ihm einmal gründlich
zu sagen“, und die erblassend verstummen
werden, wenn der Blick aus den kühnen Adler-
augen sie trifft. Bei vielen geistvollen und
prächtig gemalten Einzelheiten fehlt dem Ganzen
die Geschlossenheit.

Zu Menzels schwächsten Leistungen zählt
der Besuch Friedrich Wilhelms I. in der Dorf-
schule. Die Komposition ist für lithographische
Vervieltältigung bestimmt und folgt im Stile
den Jugendarbeiten des Künstlers, den Bildern
aus der brandenburgischen Geschichte. Da-
gegen kann es ein kleines, unbeachtetes 01-
gemälde in seinen künstlerischen Qualitäten mit
den berühmtesten Werken Menzels aufnehmen.
Es schildert eine ganz alltägliche Szene, zwei
Arbeiter in einem Neubau. Man sieht aus
dem dunklen Innern durch die Türöffnung in
einen sonnendurchfluteten Hof hinaus, sofern das
geblendete Auge überhaupt durch die Wolke von
Staub dringen kann, welche in der Luft wirbelt.
Über einen improvisierten Steg schreitet ein
Arbeiter, dessen Körper sich, an den Umrissen
von hellem Streiflichte getroffen, silhouetten-
artig von der Helle abhebt. Hinter ihm schiebt
ein anderer einen Karren quer über den Weg,
vom Seitenlichte voll übergossen. Seit Velas-
quez’ Spinnerinnen ist das Problem sich kreu-
zender Lichtquellen, aufwirbelnden Staubes und
Sammlung des Lichtes in verschieden beleuch-
teten, zusammenhängenden Räumen nicht so
naturwahr, mit so selbstverständlicher Sicher-

DIE I. GROSSE KUNSTAUSSTELLUNG
DES VERBANDES DER KUNST-
FREUNDE ZU KÖLN 1906

wird schon durch ihre Gebäude Aufmerksam-
keit beanspruchen dürfen.

Neben dem Hauptgebäude von Professor
Billing werden Nebenbauten von Professor
Behrens, Olbrich und Pankok die Eigenart dieser
Künstler zu einem wechselvollen Bild ver-
einigen. Allerdings nur Behrens und Olbrich
erstellen freistehende Bauten, während Pankok

heit gelöst worden. Bei dem Bilde wird man
wieder so recht daran erinnert, daß sich diesem
Wirklichkeitsmaler alles, was er sah, zum dank-
baren Motiv gestaltete. Darin war er jenem
Großen gleich, welchen die moderne Malerei
neben Rembrandt als ihren Schöpfer verehrt.
In einem freilich blieb er hinter ihm weit,
weit zurück, in der inneren Umgestaltung des
Natureindrucks zum subjektiven, persönlich er-
lebten Kunstwerke. Mit selbstloser Gewissen-
haftigkeit, mit pedantischer Korrektheit gibt er
das Geschaute wieder, wie es sich ihm mit
allen Zulälligkeiten bot, ohne durch diese zum
bleibenden typischen Charakter durchzudringen.
So erklärt es sich, daß der große Realist Menzel
keine Bildnisse malte. Velasquez fühlte bei
jedem Kopfe gerade das Wesentliche, den Typus
heraus und unterstrich dieses vor allen zu-
fälligen Begleiterscheinungen. Das gibt seinen
Bildnissen den großen Zug und läßt sogar die
unbedeutenden, auch des Reizes der Häßlichkeit
entbehrenden Züge der dekadenten Habsburger,
die damals in Spanien herrschten, vornehm,
selbst sympathisch erscheinen. Sein Philipp IV.
weckt in uns Erinnerungen an die Sünden der
Väter, wir fühlen in ihm das unschuldige Opfer
fremder Schuld. Wir stehen vor einem Werke
von tragischem Gehalte und nicht vor einem
einfachen Konterfei der Natur. Nehmen wir
dagegea die Porträtköpfe, die Menzel für sein
berühmtes Bild der Krönung in Königsberg
malte. In Frankfurt sind sie alle zu sehen,
während in Düsseldorf einige besonders kenn-
zeichnende fehlten. Die Herren unterscheiden
sich kaum von ihren eigenen Bedienten. Ge-
rade bei einer Erscheinung wie Bismarck sind
einige grobe, nichts weniger als charak-
teristische Formen herausgesucht, welche deut-
lich zeigen, daß Menzel für den geistigen Ge-
halt der Erscheinung unempfindlich war, daß
er Wesentliches nicht immer von Zufälligem
zu trennen vermochte. Daher auch die Über-
füllung vieler Bilder mit verwirrenden, über-
flüssigen Einzelheiten, die bei zunehmendem
Alter immer mehr hervortritt.

einen Hof und den dahinter liegenden Teil des
Hauptgebäudes ausbildet.

Die Abbildungen zeigen den Grundriß des
Billingschen Hauptgebäudes, die Vorderansicht
und zwei Schnitte. Der Maßstab 1 :100 bezieht
sich auf die Originalpläne, die meisten Maße
sind als Meter im Grundriß verzeichnet. Der
Vorhof wird, wie aus einer wechselweisen Be-
trachtung des Grundrisses, der Vorderansicht
und des Längsschnittes ersichtlich ist, von einer
Pergola eingeschlossen sein, deren Gebälk sich
vor gestutztem Grün abhebt. Zum Hauptportal
wird je in drei Stufen abgesetzt eine breite

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