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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eugène Fromentins "die alten Meister"
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Nr. 10
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Schmitthenner, Adolf: Die Entdeckung des Heidelberger Schlosses vor hundert Jahren
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Diez, Max: Zum Fall Böcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0188

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DIE ENTDECKUNG DES HEIDELBERGER SCHLOSSES

Schloßhofe stand und das alles schaute, was
Sie hier sehen, da hatte ich für den Rest meines
Lebens einen Zweck gefunden.“

„Dort wohnen Sie beide ganz allein? Fürchten
Sie sich nicht in dem weiten Schloß?“ fragte
der Knabe.

„Wie kann man fürchten, wo man liebt?
Aber nun kommen Sie, treten Sie ein! Es
sitzt sich droben bequem am eichenen Tisch,
und etwas, den Hunger zu stillen, wird auch
vorhanden sein.“

„Hier hab ich drei Äpfel, meinen Teil hab
ich schon gegessen!“

Der alte Herr hob lächelnd den Finger. Dann
schaute er sich nach den Eltern um, die zurück-
geblieben waren und entzückt im Schloßhof sich
umschauten.

„Es wird nicht lange währen,“ rief der Vater,
„so werden die Menschen von allen Enden der
Erde hierher wallen, damit ihre Seelen erhoben
werden durch dies einzige Werk, das Kunst und
Natur, Wachstum und Zerfall im fruchtbaren
Wettkampf miteinander geschaffen haben.“

„Die Zeit ist schon da,“ rief der Kavalier,
„und ihr, meine lieben Gäste, seid die ersten
Pilger. Tretet ein!“

Hermann Seidler, Konstanz.

Die Herren der Welt. Farbig glasierte Tonfiiese.

UM FALL BÖCKLIN.

Von Prof. MAX DIEZ, Stuttgart.*

Wenn Meier-Gräfe, Schefffer, Rosenhagen
und Genossen recht hätten, so würde es sich
in der Tat nicht verlohnen, einen Jahresbericht
über deutsche Kunst zu schreiben. Was lassen
sie noch übrig als Resultat der ganzen reichen
und mannigfaltigen Bewegung auf dem Gebiete
der Malerei, aller dieser Bemühungen, den
malerischen Feinheiten der Natur nachzugehen,
aller dieser technischen Experimente, aller dieser
sorgfältig aufgenommenen Einflüsse von allen
Himmelsgegenden! Einen einzigen Berliner, der
französisch malt, als Vertreter der deutschen
Kunst.

Aber sie haben nicht recht, sondern sie
haben das alte Unrecht des Deutschen, das
Fremde zu überschätzen — das einzige Deutsche
an dieser ganzen Bewegung! Es sind einige
gute ästhetische Ideen bei Meier-Gräfe, aber
ihre Anwendung zeigt bloß, daß zum Kunst-
urteil mehr gehört, als ästhetische Regeln
vor allem der unbefangene Wille, das Kunst-
werk als das zu nehmen, wofür es sich gibt,
und die Weitherzigkeit des Urteils, der Über-
blick über den Reichtum künstlerischer Möglich-
keiten, der gegenüber der natürlichen Einseitig-
keit des Künstlerurteils das beste Recht und
die heiligste Pflicht des Kritikers ist. Aber wo
gibt sich heute noch ein Kritiker die Mühe,
sich eine gründliche und allseitige ästhetische
Bildung zu verschaffen! Es genügen einige
künstlerische Impressionen, eine künstlerische
Kneipgesellschaft im Hintergrund, ein geist-
reichelnder Feuilletonstil, um Geschichten der
Malerei zu schreiben. Solche Geschichten, bei
denen einem die Haare zu Berg stehen, wenn
auf der einen Seite gelobt wird, was man auf
der andern Seite mit Tadel überschüttet, in
denen allgemeine Prinzipien aufgestellt werden,
mit deren Anwendung es nirgends Ernst ist und

* Dem Manuskript eines Jahresberichts über Stuttgarter
Kunst für das „Jahrbuch der bildenden Kunst 1905“ ent-
nommen. D. Red.

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