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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 6
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Schäfer, Wilhelm: Zu den Landschaftsradierungen von Felix Hollenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0193
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Felix Hollenberg.

Windmühle (1898).

Zu den Landschafts-Radierungen von Felix Hollenberg.

ildnis und Landschaft haben dies gemein, daß
ihre innere Erscheinung dem wechselnden Mal-
bandwerk widerstrebt. Wir mögen einen Kopf
im Helldunkel Rembrandts oder im kühlen Licht Holbeins,
im Farbgerinnsel des Impressionisten oder im kubischen
Zwang des Expressionisten gemalt sehen, irgendwie blickt
— und zwar je größer der Künstler war, um so mehr —
das wirkliche Gesicht durch alle linearen und farbigen
Künste hindurch und spottet ihrer. Und so mag die ge-
malte Bravour ihre Flügel spreizen wie sie will, wenn
sie nicht dieses wirkliche Gesicht zu bannen vermag, hat
sie vielleicht ein annehmbares oder vortreffliches Stück
Malerei zustande gebracht, nur eben kein Bildnis. Was
beim Bildnis zutage liegt, zeigt sich verborgener, aber
darum nicht weniger entschieden in der Landschaft: da
hängt irgendein unscheinbares Stück zwischen den glänzend-
sten Leinwänden, es ist womöglich ungeschickter als sie
gemalt und gegen die Bravour ihrer Lüfte und Perspek-
tiven ein armseliges Ding: nur dies eben hat es in sich,
daß ein Stück Landschaft ihr wirkliches Gesicht darin
aufmacht. Wir fühlen, hier war ein Künstler anders
als auf der Palette zuhause, hier wurde die Kunst
irgendwie Mittel statt Zweck; und wenn wir der Malerei
die Fehler ablesen wollten, einen ganzen Korb voll, das
spöttische Lächeln, das solch eine Landschaft ebensogut
wie ein Menschengesicht an sich tragen kann, bliebe
höchst unberührt von dieser Kritik.
Aus dieser inneren Stärke der Erscheinung, die
eigentlich eine Unbeugsamkeit ist, kommt das Zeitlose
guter Bildnisse — und guter Landschaften, das einen
vor dem Gesicht einer griechischen Göttin oder vor einem
Dürerantlitz als eine Begegnung von gestern und heute
ebenso anmuten kann, wie eine Landschaft von Rem-
brandt aus all ihrem Firnis heraus ein brüderlicher
Genosse irgend einer grellfarbig gemalten Brücke van
Goghs scheint. Alle anderen Eigenschaften der Kunst
bewegen sich im Dekorativen, im Schmückenden — um
es deutscher und schöner zu sagen — diese zielt ins

Ewige und ist dadurch der innere Halt einer wirklichen
Monumentalität. Die Grundlage wird, wie gegenwärtig,
immer dann gern vergessen, wenn man um monumentale
Werke bemüht ist. Man möchte der Natur selber hinter
die Schliche ibrer Wirkung kommen und übersieht, daß
alle dahin zielenden Einsichten im Rahmen der Kunst (in
der Kenntnis der künstlerischen Mittel und ihrer Anwen-
dung) bleiben. Es ist bestenfalls eine äußere Monumen-
talität, die damit erreicht werden kann (die Unverrückbar-
keit aller Teile eines harmonisch durchgebildeten Ganzen),
die aber von besagtem Geheimnis der Erscheinung genau
so weit entfernt bleibt, wie alle übrige Einsicht auch nicht
an das Rätsel des Lebens zu rühren vermag.
Das soll nicht etwa heißen, daß diese Bemühungen
um die künstlerische Wirkung, wie sie gegenwärtig die
erfreuliche Abwendung vom Naturalismus vorstellen
— der mehr oder weniger immer nur eine höhere Form
der Photographie sein kann — gering geachtet werden
dürften. Sie stellen das Höchste dar, was die sogenannte
Schule im Sinn der alten Meister für die Kunst zu
leisten vermag, und es wäre gut für unsere künstlerische
Bildung, wenn sie endlich den Ernst dieser Bemühungen
begriffe, um aus der Verzettelung in alle möglichen
Künftchen wieder zur künstlerischen Form zu kommen.
Aber darum darf doch einmal dem Hochmut gesteuert
werden, als ob der Weg in das wirkliche Heiligtum der
Kunst von hier aus kürzer wäre. Es ist eine Kom-
positionsehre der hohen Kunst — nicht weniger, aber
auch nicht mehr — was die malende Jugend so fiebrig
gemacht hat, und so sehr im Sinn der künstlerischen
Kultur gehofft werden muß, daß die grausamen Folgen
des Krieges diese Saat nicht vernichten, daß sie im
Wand- und Bildschmuck der kommenden Bau- und
Denkmäler zu einer andern Ernte ausgehe, als es die
kümmerliche Protzerei nach siebzig war: einmal mit leiser
Stimme darf daran erinnert werden, daß auch in der
Kunst der große Rausch nicht der Träger des Glaubens
ist, der selig macht.


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