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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 6
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Schäfer, Wilhelm: Zu den Landschaftsradierungen von Felix Hollenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0194

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Felir Hollenberg. Strohgäulandschaft (1915).


Es ist kein Zufall, daß van der Kunst unserer Jugend
das Figurenbild (mit seiner Etüde, dem Stilleben) so
leidenschaftlich bevorzugt wird; sie drängt nach der Ver-
einigung mit der Mutter der Künste, möchte wieder
Wandbild wie die romanische Wandmalerei sein, möchte
mit dem Spiel ihrer Figuren wieder als Schmuck ein-
gehen in den Raum. Gerade das aber vermag weder
das Bildnis noch die Landschaft, zum wenigsten nicht
mit ihrem zweiten, dem wirklichen Gesicht. Man braucht
nicht an die Landschaften auf Hotelterrassen zu denken,
um den Widerspruch zu fühlen, den die Natur iu ihrer
elementarsten Erscheinung einer derartigen dekorativen
Verwertung bietet; es sei denn, daß sie wie aus ja-
panischen Holzschnitten vollkommen ins Ornamentale
umftilisiert sei: aber dann ist sie eben keine Natur mehr
in dem Geheimnis ihrer wirklichen Erscheinung, sondern
sozusagen ein menschlicher Gebrauchgegenstand.
Nun ist aber dieses Geheimnis der Landschaft durchaus
nicht, wie es vor einigen Jahrzehnten leidenschaftlich ge-
glaubt wurde, die sogenannte Stimmung. Die stellt
nur das Band dar, auf dem unsere Seele sich ihr am
bequemsten verbindet; ein Mondschein auf dem Wasser,
eine lastende Gewitterwolke, das sind Erscheinungen, die
jedem deshalb zugänglich sind, weil er darauf aufs
naivste seine eigene menschliche Empfindung überträgt,
sich gewissermaßen auf Kosten der Natur breit macht.
Hier ist nicht ihre Ewigkeit, sondern die menschliche Ver-
gänglichkeit zuhause, was gerade solche Landschaften, die
aus einer gewissen Zeitbestimmung heraus geläufig wur-
den, für die kommende Generation meist so altmodisch
und leer macht. Die stärkste Wirkung der Natur ist
nicht ihre Nähe, sondern ihre Ferne zum Menschen, ihre
Abweisung seiner Nöte und Sentimentalitäten, ihre in
sich selber ruhende llbermenschlichkeit: wer ihr Geheimnis
darstellen will, hat hier, nicht in ihrer Anwendung aus
sich die Wurzelu der künstlerischen Kraft.
Wenn diese Bemerkungen an die einfachen Blätter
von Felix Hollenberg geknüpft werden, geschieht es nicht,
um sie mit einer Bedeutung aufzublasen, die sie gar
nicht haben wollen; sie sollen nur als Beispiele einer
Kunstweise dienen, die gegenwärtig in Gefahr steht, noch
mehr als bisher in Mißachtung zu fallen. Nachdem
durch anderthalb Jahrzehnte der Impressionismus den

Maßstab abgab, an dem mehr oder weniger alle Malerei
beurteilt wurde, beginnt jetzt ein Subjektivismus gel-
tend zu werden, für den die Erscheinung an sich weder
Wert noch Geltung hat; alles wird erst insofern zum
Gegenstand der Kunst, als es durch die Ekstase des
Künstlers dazu umgeschaffen wurde. Das ist eine kon-
sequente, aber auch eine bequeme Auffassung, die sich
von der vergangenen Sentimentalität doch nur dadurch
unterscheidet, daß sie — wie dies gern betont wird -
die bürgerliche Empfindung mit einer gesteigerten über-
trumpft. Das, was letzten Grundes den Kamps der
Kunst ausmacht, das Ringen der menschlichen Einsam-
keit mit der Unheimlichkeit der Erscheinungswelt, wird
umgangen, indem diese Erscheinungswelt an sich ver-
neint wird. Wir haben gesehen, wie gangbar dieser
Weg im Anfang ist — besonders, wenn ein Genie wie
van Gogh als Schrittmacher vorausstürmt — aber auch
wie gründlich er in eine Sackgasse führen muß, weil
die Willkür nuu einmal die Todfeindin aller Kunst ist.
Wie noch stets, wird auch diesmal die Natur selber das
Heilmittel sein, die nichts Außergesetzliches kennt und in
der Selbstverständlichkeit aller ihrer Erscheinungen jeden
zum Don Quichote werden läßt, der mit eingelegter
Lanze auf sie cinstürmt. Nur, was ihr abgerungen ist
in Demut und Treue, kaun den menschlichen An-
schauungsbesitz, der in der Kunst seine Schatzkammer
hat, wirklich bereichern; indem sie der ewige Gegner des
Künstlermenschen ist, bleibt sie die ewige Quelle seiner
Kunst und — wie der alte Spruch sagt — seine Lehr-
meisterin.
Was von Felir Hollenberg in diesem Heft gezeigt
wird, ist radierte Landschaft, also ein handwerklich be-
schränktes Spezialgebiet der Kunst. Seitdem die Meister-
striche Rembrandts dem Impressionismus ziemlich alles
an Kühnheit und Inbrunst vorweggenommen haben,
was er graphisch zu leisten vermöchte, haben cs Blätter
wie diese schwer, Zutrauen zu finden. Ihre handwerk-
liche Bescheidenheit und dieZurückdrängung jedes Tempera-
mentsausdrucks, ihr Nichts als gute Arbeit sein wollen,
läßt sie, an den Vorstellungen wirklicher oder vermeint-
licher Genialität gemessen, leicht dürftig und belanglos
erscheinen. Und doch bieten sie ein Brot des Lebens
dar, nach dem wir — wenn nicht alles trügt — bald

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