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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Nr. 12
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Bacmeister, Ernst: Das verwandelte All: der Traum eines Erwachten
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Sternberg, Leo: Das Sakramentshäuschen des Adam Krafft
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Schaller, Hans Otto: Beiträge zum Problem der Wandmalerei: (gesucht am württembergischen Bildbeispielen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0411

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Das verwandelte All.

Deutlich arbeitete der Mensch gegen die betriebsamen
Engel. Wahrend sie den Vorhang der Welt unermüdlich
mit Sinnenblust färbten und die Täuschung des bunten
Gewebes durch flimmernde Andachtskerzen verdichteten,
blies er entfärbenden Wortwind und grelle, spleißende
Gedanken dagegen und machte den heiligen Trug immer
fahler und dünner. Propheten traten auf, Vortreiber
des reinen Geistes, und zerschmissen mit heftigem Munde
die Auflucht der gläubigen Sinne: die schauerlichen Götzen
und die schönen Götter, und die Tempel und die Opfer.
„Meinst du, daß ich Ochsenfleisch essen wolle, oder Bocks-
blut trinken?", ließen sie den Unsichtbaren grimmig
fragen; bis der unsichtbare Grimm sich selbst verschlang
und das Denken des Menschen durch die zerrissene Schleuse
des Glaubens frei gegen die nackten Dinge fuhr. Da
zerstoben die Dinge als irrender Schein, und ehe die be-
flissenen Engel sie, gewitzigt, den durstigen Sinnen zu
feinerem Trug abermals verweben und begläuben
konnten, sprang Satan dazwischen, hielt den Riß
breit auseinander und stand gierig gerüstet, als letzte
Wahrheit des Menschen ihn selber, Gottes Ich, be-
wußt wider bewußt, hinter den erkannten Dingen zu
empfangen.
Da geschah das Wunder:
Die ungeheuer gestiegene Spannung auf Gott wurde
in Satan ein Geschehen und verwandelte sein eigenes Ich.
Mit so jäher Begierde über sich hinausblickend, schlug er
in sich selber um und wurde, vorn innersten Nichts ge-
nesend, als ein dichter, strebender Wesenskern sein
eigenes, grenzenlos begehrtes Ziel: — der Andere,
das Du.
Auf dieses dichte, strebende Du Satans traf das im
Menschen der letzten Erkenntnis sich selbst als Quelle der
Täuschung umkreiselnde Ich Gottes. Alsbald erhub
sich ein wirbelndes Ringen und Einander-Durchdringen
des Ich und des Du, — eine unermeßliche Gärung des
Geistes, die das ganze All ergriff und die mitgerissenen
Scharen der unbewußten Engel tausend Äonen hindurch
verstummen ließ. Aber nach tausend Äonen, darüber die
Erde und die Zeit und alle Gestirne vergingen, versöhnte
und klärte sich das All aus der tiefen Gärung in eine neue
lebendige Unendlichkeit, die in schwingender Weite
von sich selber wußte.
Die Engel aber, vormals blind und nur einander
fühlend, blickten sich mit erkennenden Augen an und
hatten ihr dunkles Tönen in ein Helles Singen vertauscht.
Das All erbrauste von ihrer gewollten Symphonie, und
der Gesang ihres gemeinsamen Wollens war nicht nur
gläubige Inbrunst wie einst, sondern hatte vernünftigen
Sinn. Dieser Sinn des lebendigen All, den die wissenden
Engel sangen, war ein selig begreifendes — Wir!
f666sj Ernst Bacmeister.
as Sakramentshäuschen
des Adam Krafft.
Mit der Schmerzenslast des Werkes auf dem Rücken,
kauerst du am Boden, machst dich selbst zum Sockel
des gewaltigen Turmes, daß dein Werk,
sich auf dir erhebend, nicht den Erdenstaub berührt.

Doch der Stein erdrückt dich nicht. Der Berg des
Menschenleides,
die Passion des Gottes türmt sich himmelhoch auf deinen
Schultern —
und zermalmt dich nicht! Du hast die Felsennadel,
die ans hemmende Gewölbe stößt,
aufgelöst in Laub und Licht und eine Engelswendelstiege;
und die bunte Edelstcineglut der Kirchenfenster
funkelt durch das luftige Gehäuse;
und wenn draußen vor dem Chor die Schwalben jagen,
fliegt ihr Schatten in dem Bögen- und Fialenwalde
aus und ein —
In Spiralen schwebt die Schöpfung auf zur Himmelsburg,
heiligenbesetzte Wolkenpfadc . . .
Und du brichst nicht unter deinem Werke,
wie ein Dämon unter aufgewälztem Berg, zusammen. —
Leicht steht dir und licht die Pyramide
deines Lebens,
deren Mitte Gott bewohnt,
als ein Flügel auf den seligen Schultern.
f657sj Leo Sternberg.
eiträge zum Problem
der Wandmalerei
(gesucht an württembergischen Bildbeispielen).
Nach dem Krieg wird die Malerei naturgemäß nc ch aus-
geprägter als seither abhängig sein von den Aufträgen,
welche die öffentlichen Kunstpfleger und die in Vereinen
organisierten Bilderfreunde erteilen können. Nicht der
kleinste Teil dieser Aufträge wird von den Stadtgemeinden
ausgehen, über deren Mäzenatenpflichten irgendwelche
Zweifel längst nicht mehr bestehen. Jedermann weiß, daß
die Städte einst die Träger der großen deutschen Kunst-
kultur gewesen sind. Aber damals sind die Mittel, die
sie verschafften, durch geübte Hände verwaltet worden.
Für das Niveau der deutschen Kunst des Mittelalters
bis zur beginnenden Renaissance war genau so wichtig
wie das städtische Geld die inzwischen mit allzu wenig
Ausnahmen leider fast ganz verschwundene Sachverstän-
digkeit der geistlichen Auftraggeber. Heute sind die für
Kunstzwecke zur Verfügung stehenden Mittel gewiß nicht
kleiner geworden; sie waren zum mindesten vor dem
Krieg oft fabelhaft groß. Nicht minder fabelhaft aber
war die Unsicherheit, mit der sie verwendet wurden.
Nach dem Krieg wird die städtische Kunstpflege, gerade
weil sie sich so sehr als möglich einjchränken muß, viel-
leicht noch mehr als vorher geneigt sein, die Kunst nicht
um ihrer selbst willen, sondern am ehesten bei äußeren
Anlässen (wie z. B. bei der Ausstattung monumentaler
Bauten) und auch dann am liebsten im Dienst bestimm-
ter stofflicher Interessen heranzuziehen. Mehr als je
empfiehlt es sich also, darüber nachzudenken, inwieweit
der Malerei eine enge Verbindung mit der Architektur
überhaupt zuträglich ist, ferner, ob die Wandkunst, die
notwendigerweise immer illustrativ bedingt ist, aus diesen:
Grunde nicht schon ein Augeständnis bedeutet an außer-
künstlerische Wünsche; ob also, wenn trotz alledem in
einzelnen Fällen eine große Begabung die entstehenden
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