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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 3
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Röttger, Karl: Von des Menschen Einsamkeit
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Bartels, Ilse: Die bunten Ampeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0113

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Von des Menschen Einsamkeit.

waren falb. Und ein Birkenhain stand vor der Abend-
sonne. Da hielt er sein Pferd an und sah auf sie nieder.
Er sprach und grüßte vom Pferd: Wir sahen uns
schon.
Und sie nickte zu ihm herauf und streichelte den
Schimmel, der neben ihr stand: Ja, doch. Ja.
Er sprach weiter: Ich bin auf der Reise zum Herrn
Arne und bin ein wenig verirrt.
Sie lachte ihn an.
Arne von Börssum, sprach er.
Ich weiß, lachte sie. — Am andern Zipfel des Sees
ist es. Aber Ihr werdet erst in der Nacht da sein.
Er saß und schaute groß und ernst aus seinem dunklen
Bart; derweilen fein Pferd ungeduldig mit den Hufen trat.
Er sprach: Es mag wohl nicht gut reisen sein in der
herben Frühlingsnacht — ich dachte mir, daß Euer Hof
nicht allzu ferne sein möchte ....
Ich komme nicht heim, sprach sie. Ich werde in der
Hütte über Nacht sein.
Er kaute die Lippe und sah vor sich hin. Und dann
wieder zu ihr nieder. Und ihre Blicke faßten ineinander.
Dann lachte sie und sprach: Was also kann ich dabei
tun? — Da reckte er seinen Kopf hoch, sprang vom
Pferd, ließ die Zügel fahren und stand vor ihr.
Nun? fragte sie trotzig.
Ich bleibe noch ein wenig hier, sprach er.
Fragt Ihr mich darum?
Da sah er sie an; und nach einer Weile sagte er
kurz: Nein!
Darauf wandte sie sich und lehnte an den Zaun der
Weide. So ging er ihr nach, lehnte auch daran. Es ist
schön hier; die Birken duften im Abend und die Sonne
ist rot überm Wasser.
Sie schwieg. Aber während er gerade träumend
hinsah, schielte sie zu ihm her. Er aber fühlte es und war
auf einmal bei ihr und nahm ihre Hand und darauf kurz
sie selbst, ihr Gesicht und danach ihre Schultern in seine
Hände und sprach: Wer bist du?
Inge, sagte sie leise.
Es war aber nicht mehr viel zu reden danach, denn
sie wußten schon alles. Da ist rings die Welt und hier
find wir zwei, sprach der Mann, und das Mädchen
nickte.
Danach, als sie schon vor der Holzhütte saßen, eng
aneinander und umschlungen, sprach der Mann: Aber die
Antwort weiß ich noch nicht, wer du bist. Du sagst,
daß du Inge heißt, und ich habe dir gesagt, daß ich Knut
bin, der da drüben auf dem Hof wohnt. Aber das besagt
nichts. Wer sind wir zwei, daß wir uns hier finden;
und uns an den Händen und in den Armen halten?
Und sie wußte es nicht, so wenig wie er. Nur daß sie
wußte, daß etwas zwischen ihnen.sei, und daß es sie beide
fessele.
Am andern Morgen, als sie vor die morgenfrühe
Sonne traten, sprach der Mann: Ich habe die Nacht von
Weib und Kind geträumt; sie wähnen mich jetzt beim
Arne und werden mich morgen abend spät zurück-
erwarten. Aber ich werde nicht kommen. Das Mädchen
schwieg. — Dann sprach es: Mein Oheim sitzt gebrechlich
auf dem Hof und mein Bruder geht jagen. Aber sie
werden mich auch vergeblich erwarten. Hüte dich vor
///

meinem Bruder, er ist jähzornig und wild. Der Mann
lachte: Er mag kommen! — Aber danach vergaßen sie
bald all dessen, der Mann des Heimathofes und der
Seinen, und das Mädchen der Ihren. Und es geschah so,
wie sie gesagt hatten, und kehrte keins von ihnen heim;
um der Liebe willen, nut der sie aneinander gefesselt
waren und die gekommen war, wie etwas Schnelles
und Heftiges, wie ein Blitzschlag und ein plötzliches
Licht. Und es konnte geschehen, daß in ganz einsamen
Stunden der Mann der Seinen dachte und daß er fand,
er habe sein Weib sehr geliebt, und liebe es wohl noch —
und daß sein Weib gut sei, und wohl immer noch den Hof
versehen werde und auf seine Rückkehr warte.
Und das Mädchen gedachte ebenso der Ihren. Aber
heim ging keins von ihnen .... Und lebten beiein-
ander in der Liebe — und doch auch zuletzt einsam,
wie alle Menschen. Und standen nach Jahren manchmal
in der Abendsonne schweigsam beieinander, wenn das
letzte Licht auf den weißen Birkenstämmen lag.
ie bunten Ampeln.
Von Ilse Bartels.
Der Tag dämmerte in den Straßen und der Mond
stand dunkelrot an einem grauen Himmel, wie so oft an
jungen Herbstabenden.
Die alte Stadt mit den schön geschweiften Giebeln
und roten Dächern und mit den kupfergrünen Kirch-
türmen versank immer mehr im Dämmergrau, und der
Mond nahm den roten Schleier langsam vom Gesicht
und sah klar und hell in die Straßen hinunter.
In den abgelegenen Gassen, um die hohe, alte Kirche
herum, klopften nur wenig Schritte das Pflaster, und
spärliches Licht fiel auf die dunklen Steine. Da erklang
plötzlich lautes Singen und Getrappel von vielen kleinen
Füßen. Ein Scheinen lief die Häuser hinauf und hin-
unter. Bis zu den alten Giebeln hinauf huschte es, die
sich schon schläfrig aneinanderduckelten, und es war, als
wenn sie erfchreckt mit den Köpfen wackelten.
Eine Schar Kinder sprang und sang durch die schmalen
Straßen, sie trugen bunte Ampeln aus Papier in den
Händen. Rot- und grünleuchtende Kugeln, die sie an
kurzen Stöcken tanzen ließen, daß der bunte Schein hin
und her huschte. Sie sprangen umher mit einer schweren,
unausgewachsenen Anmut, wie man sie oft bei den
Kindern der Straße findet, und sie sangen die alten
Kinderreime so laut, daß ihnen manche kopfschüttelnd
aus den Fenstern nachblickten.
Ein kleines Mädchen lief hinterher und hatte kein
Licht in ihrer Ampel. Sie zupfte einen größeren Jungen
vor ihr am Rock, der sang aber so eifrig, daß ers nicht
merkte, und seine Schritte wurden immer länger, daß
sie garnicht mehr mitkonnte. Sie blieb stehen und sah
noch weit die bunten Lichter leuchten und hörte noch die
Stimmen, als die Schar schon um die Ecke gebogen war.
Sie lehnte sich an eine Wand und schluchzte in ihre
Schürze hinein. Sie sah nicht, daß vor ihr in der Straßen-
rinne ein großes Faß lag, und daß ein Junge rittlings
darauf saß und sie mit großen dunklen Augen ansah. Er
kletterte herunter und ging zu ihr heran und zog an ihrer
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