Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

DOI Heft:
Heft 10/11
DOI Artikel:
Lang, Oskar: Fritz Burger †
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0389

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fritz Burger.

hierin geleistet hat, in der Erklärung des Aufbaues eines
Kunstwerkes bis in seine einzelnen Teile, in der allmäh-
lichen Herausschälung des maßgebenden „Bildgedankens",
in dem Nacherleben der zugrunde liegenden „schöpfe-
rischen Idee", in der Ableitung der Weltanschauung eines
Künstlers lediglich aus dessen Formengebung, das war
einfach unvergleichlich und unnachahmlich; jeder, der
einmal an neuen Objekten ähnliches versucht hat, wird
sich dessen bewußt geworden sein. Immer aber war das
eigentlich Künstlerische sein Ausgangspunkt; die Grund-
frage, die er stellte, war die nach der „Bildgestaltung";
daraus zog er dann erst alle weiteren Schlüsse.
Die Früchte dieser neuen Betrachtungsweise sollten
sich bald, zunächst im rein Negativem, zeigen; sie schloß
nämlich von vornherein alle und jede Dogmatik völlig
aus. Wer sich nun erinnert, wieviel Schaden gerade
eine falsche Dogmatik in der gesamten Kunstgeschichte
und Ästhetik angerichtet hat, wie sie die Denkweise ganzer
Generationen in bestimmte enge Bahnen gezwängt hat,
der wird ermessen können, was es hieß, damit reinen
Tisch zu machen. Es war eine Niesenarbeit. Nicht daß
Burger der erste war, der dagegen auftrat und gegen die
Aufstellung von Wertnormen, die nur aus einer bestimm-
ten Kunstperiode geschöpft waren, Sturm lief, keines-
wegs, aber, daß er so völlig und endgültig mit allen Dog-
men, vor allem mit den fast in allen Kunsturteilen noch
nachwirkenden „Renaissancetraditionen" aufgeräumt hat,
das allerdings halte ich für eins der ganz großen und
bleibenden Verdienste Fritz Burgers. Damit hat er der
Kunstbetrachtung erst die wirkliche Freiheit gegeben,
hat unfern Blick aus der Jahrhundertenge, in die er ge-
bannt war, erlöst, und den wirklichen Horizont für „die
Kunst" erst eröffnet.
Die zweite, positive Aufgabe war die Aufstellung
einer neuen Systematik auf den gewonnenen Grund-
lagen, die die ganze Kunstgeschichte auf einen anderen
Boden gestellt hätte; unermüdlich hat er daran ge-
arbeitet, sie wäre der krönende Abschluß seines Lebens ge-
worden; nun blieb sie durch seinen Tod in den Funda-
menten stecken. Aber deutlich hat er sie als seine Aufgabe,
als sein Lebenswerk angesehen und nicht ohne Grund

immer wieder mit der Veröffentlichung derselben zu-
rückgehalten, um sie in aller Ruhe ausreifen zu lassen
und bis in alle Einzelheiten hinein ausbauen zu können.
Sicherlich hat dies seinen Schriften insofern geschadet,
als er in ihnen doch schon mit dieser Systematik arbeitete,
ohne aber dem Leser gleicherweise die nötigen Grund-
lagen und Beweise dafür an die Hand zu geben. Es
kann nicht Aufgabe dieser Zeilen sein, auf das kompli-
zierte, mit den subtilsten Mitteln aufgebaute Gebäude
seiner Systematik, soweit sie überhaupt schon faßbar war,
hier einzugehen; das könnte nur Gegenstand einer ganz
eingehenden Untersuchung sein. Hoffentlich gelingt es
aber einem seiner Schüler, vielleicht an Hand des Nach-
lasses und sonstiger Aufzeichnungen, das Wesentliche
seiner Anschauungen zusammenzustellen und so für die
Nachwelt zu retten, was zu retten ist. Es ist immerhin
so viel und so bedeutsam, daß alle, die seine Werke nur
einigermaßen kennen, um die Frage einer Nachfolge
verlegen sein werden und sich wohl oder übel werden ein-
gestehen müssen, daß da, wo er aufgehört hat, wohl
niemand weiterzumachen vermag und uns nichts übrig
bleiben wird, als den Weg langsam und mit kleinen
Schritten wieder von vorne anzufangen, den er mit
Riesenschritten und wie im Sturmwind durchmessen hat.
Ich hatte das Glück, als Angehöriger desselben Regi-
ments Burger kurz, bevor er zum zweitenmal ins Feld
zog, noch einmal zu sprechen. Er war wie immer voller
Pläne und Entwürfe, und sein Tisch, neben dem der Offi-
zierssäbel hing, war voll von Bildern, Büchern und
sonstigem Material. Er sprach des längeren von einer
Geschichte des 19. Jahrhunderts, die er in Arbeit hatte
und in der auch Dichtkunst und Musik mitbehandelt
werden sollten, ebenso von einer Geschichte der Welt-
anschauungen der gesamten Kunst, nach geographischen
Zentren geordnet. Zum Schluß, als das Gespräch sich
dem Tod Weisgerbers und Franz Marcs zuwandte,
wurde er sehr ernst und sprach mit Wehmut von den
Werten, die mit ihnen verloren gegangen. Er ahnte
wohl nicht, daß uns nur wenige Wochen darauf dieselbe
Trauer um ihn erfüllen würde! f663j>
Oskar Lang.

fand viel Aufmerksamkeit und viele Käufer und ist nun auf dem
Wege über Magdeburg nach Düsseldorf gekommen.
Mit wohl nicht ganz wieder gefüllten Lücken. Aber der Ge-
samteindruck blieb unverwischt. Man wird warm mit diesen Dingen
und denkt erst nach, wenn man warm geworden ist. Darüber zum
Beispiel: Ob Gegenstände aus unserer Zeit, aber vor der Re-
generation des Kunstgewerbes, auch den Enkeln einmal dieselbe
Temperatur vermitteln werden. Denn vieles von diesen Kostbar-
keiten ist wirklich nicht schön. Aber es geht eigentümlich zu mit der
Zeit. Sie tut zur Schönheit, Gleichgültigkeit, Bedenklichkeit der
Form eine immer stärker durchleuchtende Lebendigkeit, die von der
Form nicht mehr zu trennen ist und Haß oder Liebe einer absoluten
Kritik hinabdämpft zum Lächeln und durchaus nicht sentimentaler
Rührung über ein, sei es auch welcher Art Menschliches, das von
menschlichen Händen Gestalt angenommen hat. Der Sohn, der
sich vom Vater loskämpfen muß, merkt das noch nicht oder nicht
mehr; ihm ist der Vater nur das, „was war, vergangene Jahre,
welche fremd gedacht, veraltete Gebärde, tote Tracht, verblühte
Hände und verblichenes Haar" (Rilke). Aber dem Enkel wird leise
Veraltetes sich zum Alten wandeln, die Form steigt aus ihrer Gruft
und nimmt die zweite, unverlierbare Gestalt objektivierten Lebens,
die nie wieder zerstört werden kann.

§V^aLerlanddank.
Es braucht hier nicht von dem liebestätigen Zweck des „Vater-
landdank" näher die Rede zu sein: Kreise, deren gründender Mittel-
punkt in Krefeld liegt, haben für die Kriegshinterbliebenen eine
Sammlung von Gold- und Silbergegenständen eröffnet und schon
eine hübsche Höhe eingeschmolzener Gold- und Silberbarren auf-
gebaut. Nun aber gab es außer Einschmelzwerten eine beträcht-
liche Anzahl formwertvoller Dinge. Einiges Überjahrhundertalte,
das meiste vom Biedermeier stark anschwellend in die siebziger
Jahre und wieder spärlicher aus ihnen heraus verlaufend — ganz
natürlich und doch überraschend warf die Art der Sammlung die
kunstgewerblichen Formen einer ganzen und aus noch zu großer
Nähe wenig gekannten Zeit ans Ufer, den Schmuck der Großväter
und der nun schon an erwachsenen Enkeln sich freuenden jungen
Mütter. Wiederum vermochte die Absicht der Sammlung, groß-
möglichster Ertrag, erfreulich mit dem sich aufdrängenden Wunsch
zusammenzufallen, was so als Strandgut angeschwemmt war,
in sichere Truhen zu dauernder Bewahrung zurückzuleiten. Man
siebte und ordnete (der Name Muthesius gibt schon Gewähr), die
Verkaufsausstellung des „Vaterlanddank" wurde in Berlin eröffnet,

X/X/

Z7Z
 
Annotationen