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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 5
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Schäfer, Wilhelm: Das Lachkabinett
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Muthesius, Hermann: Kommende Krieger-Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0189

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heit ist, wobei die Gewohnheit stets ein wenig am ,,cul
äs?g.ris" haftet, so mag sich der Lacher zwar subjektiv
im Recht fühlen, aber doch nur in der Rolle des nicht
ausreichenden Subjekts, das seine Gewohnheit für ein
absolutes Gesetzbuch der Empfindung hält. Da ihrer
zwei gegen eine bessere Vorsicht die Mehrheit haben,
scheint es eine Art Naturgesetz — und der Weise achtet
es auch so —, daß jede wirkliche Neuerung irgendwie
durch das Lachkabinett hindurch muß, bevor sie als
Bestandteil einer neuen Konvention zur Macht kommt.
Das Schema der Leidensgeschichte aller Neuerer in
der Kunst und im Geist überhaupt ist damit gegeben.
Somit könnte sich der einzelne, der im Lachkabinett
tätig ist, als Bestandteil einer Naturmacht fühlen,
solange er seine Unzulänglichkeit für das gute Gewissen
der Überzeugung hält, und auch dem Kritiker, sofern
er nichts sein will als das Sprachrohr der „öffentlichen
Meinung" — welch demütiges Instrument es freilich
nirgends gibt — wäre als solchem kaum etwas anzu-
haben: nur sollen beide wissen, daß ihre Rolle in nichts
über die halbwüchsige Straßenjugend hinausgeht, die
dem schlichten Fräulein den fehlenden ,,cul äs üuris"
nicht durchgehen lassen wollte.
Und damit sind wir bei dem leider notwendigen
Schlußwort dieser Betrachtung: Wir haben uns (z. B.
bei der italienischen Kriegserklärung) genügend darüber
ausgesprochen, was wir von der „Straße" halten, und
wir sind stolz darauf, daß bei uns die Gassenjungen und
der Pöbel weder in die Entscheidungen der Verant-
wortlichen noch sonst in die Meinung der ernsten Leute
mit ihrem Geschrei hineinlangen; wir wissen, was wir
von der sittlichen Entrüstung dieser Elemente zu halten
haben, und daß es ein verdächtiges Gewerbe ist, darin
Hetzer und Mundstück zu sein. Warum geben wir zu,
daß die Kunst und ihre Künstler, die ihr Leben an ein
Ideal setzen, immer wieder den schlechten Manieren
ausgeliefert sind? Am Ende ist es nicht nur ein fauler,
sondern auch ein unsittlicher Trost, daß dergleichen der
Lauf der Welt sei: die Welt unseres geistigen Daseins
hat zu laufen, wie die anständigen und nicht wie die
unanständigen Leute wollen; und solange das nicht so
ist, muß jeder anständige Mensch für den schlechten Lauf
verantwortlich gemacht werden. Eine Kunstausstellung
ist keine Straße und auch kein Jahrmarkt, wo die Lach-
kabinette zu Hause sind; sie wird von verantwortlichen
Fachleuten gemacht und kann den schuldigen Respekt
verlangen, wie er unter gebildeten Menschen üblich ist:
wer da jemand verlachen wollte, weil ihm dessen Nase
komisch vorkäme, würde als ein Flegel gelten. Wie es
ein Schicksal ist, eine solche Nase, einen Buckel oder sonst
etwas „Lächerliches" an der Erscheinung zu haben, so ist es
ein Schicksal des Künstlers, von der Norm abweichen zu
müssen, gleichviel, ob es ein Ideal oder ein Idol ist, was
ihn treibt. Daß aus diesem Schicksal die großen Werke
der Menschheit geschaffen wurden, diese tausendfältige
Erfahrung sollte endlich auch in die Konvention mit ein-
gehen. Nicht die Menge, sondern die Persönlichkeit ist
der Mutterboden der großen Dinge; je mehr einer will,
je „genialer" wird er sich auf sich selber verlassen müssen,
und diese Einsamkeit ist schwer genug, als daß es noch der
Bloßstellung im Lachkabinett bedürfte. W. Schäfer.

ommende Krieger-Denkmäler'.
Nach Friedensschluß wird die Denkmalskunst in
Tätigkeit treten. Im Hinblick auf die Lehre von 1870
sollte es schon jetzt eine unserer Sorgen sein, die zu er-
wartende Hochflut der Wahrzeichenerrichtung in gesunde
Bahnen zu lenken. Die große Mehrzahl der Krieger-
denkmäler von 1870 betrachten wir heute nicht mehr
als eine Zierde Deutschlands. Viele von ihnen berühren
peinlich, und man gäbe etwas darum, wenn sie geräusch-
los von der Bildfläche verschwinden würden. Wie
kommt es, daß das allgemeine Ergebnis der damaligen
Anstrengungen heute so wenig befriedigt?
Es ist richtig, daß die Denkmalskunst jener Zeit nicht
auf der Höhe stand, daß sie vielfach im Genrehaften be-
fangen war und den Zusammenhang mit der Architektur-
verloren hatte. Wir können weiter feststellen, daß nach
dem Aufschwünge, den heute die Architektur bei uns ge-
nommen hat, auch in die Denkmalskunst ein strafferer
Geist eingezogen ist; daß unser heutiges Streben auf
strengere, geschlossenere Fassung geht, daß das archi-
tektonische Rückgrat sich auch in der Bildhauerei einge-
funden hat. Auch in der Grabmalskunst ist durch eifrige
Arbeit eine frische Bewegung entstanden, die sogar die
viel geschmähten Granitlieferanten dazu begeistert hat,
sich der Entwürfe von Künstlern zu bedienen. Es läßt
sich wohl sagen, daß wir heute besser gerüstet sind als
in der Zeit nach 1870, und so wird auch, wenn nur die
geeigneten Kräfte angerufen werden, ein besseres Er-
gebnis zu erwarten sein.
Nun sollte man meinen, daß nichts einfacher sei, als
die besten Künstler heranzuziehen. Wird nicht jede Stelle,
die einen Auftrag zu vergeben hat, von solchem Bestreben
erfüllt sein? Sehen wir zu, wie sich in der Wirklichkeit
die Dinge abzuwickeln pflegen. Die Errichtung von
Denkmälern ruht meistens in der Hand von Ortsaus-
schüssen, Ehrenkomitees, Kriegcrvereinen, die sich, wie
man es ausdrückt, aus den Spitzen der Gesellschaft zu-
sammensetzen. Nun lehrt es die alltägliche Erfahrung,
daß in solchen Ausschüssen Sonderliebhabereien vor-
walten, meist vertreten durch ein gesellschaftlich hoch-
stehendes Mitglied, dem sich die andern fügen. Dazu
kommt, daß bei dem Gedanken an ein Ehrenmal über-
haupt das rein Gegenständliche so sehr überwiegt, daß
Rücksichten auf die große Gesamtwirkung, auf den künst-
lerischen Allgemeineindruck, auf die Einpassung des
Denkmals in die Straßen- oder Landschaftsbilder gar-
nicht aufkommen. Es ist ja überhaupt das Bezeichnende,
daß, wenn heute in weiteren Kreisen von Kunst die Rede
ist, das Anekdotische oder Senk'..lentale in den Vorder-
grund gerückt wird. Irgendein auf das Ganze gehender,
im besten Sinne architektonischer Gedanke leidet vor
solchen Beurteilern hoffnungslos Schiffbruch; die rea-
listische Vorführung eines zusammenbrechenden Kriegers
jedoch erfreut sich sogleich des Beifalls. Auch stark ab-
genutzte Sinnbilder wie Germania, Reichsadler, Viktoria,
* Diese Flugschrift des „Kulturbundes deutscher Gelehrten
und Künstler" scheint uns in jeder Beziehung so bemerkenswert,
daß wir sie in unserem Kreis von Künstlern und Kunstfreunden
bekanntgeben möchten. Die Redaktion.


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