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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 2
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Sutter, Otto Ernst: Das Jungferngärtlein
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Fuhrmann, H. E.: Drei Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0078

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Das Iungferngärtlein.
die floristischen und botanischen Kostbarkeiten ihres Rari-
tätenkabinetts bewunderte, zu erzählen, wo und wann
sie die niedliche Bienenragwurz oder die Affenorchis aus-
gegraben hatte. Der Großvater pflegte, wenn er bei
solchen Unterhaltungen zugegen war, zu sagen: „Regina,
du hättest halt doch heiraten sollen. Und zwar einen
Apotheker. Der hätte es sich wohl sein lassen können. Du
wärst mit den Kräutern und dem Giftmischen allein zu
Streich gekommen."
Gegen Osten stieß der kleine Garten am Lerchenweg
an ein großes bäuerliches Hofgut. Die hohe Mauer, die
dieses umschloß, war mit Efeu ganz übersponnen. Diese
herrliche grüne Wand gab einem feinen Brunnendenkmal
in Fräulein Döderleins stillem Blumenland einen feinen
Hintergrund: In leichtem Bogen und mit Hellern Klang
sprang in eine tiefe Steinschale, die einer Muschel Form
hatte, allzeit kühles Wasser aus der funkelnden Messing-
röhre eines säulenartigen Brunnenstockes, der eine kleine
weiße Skulptur, das Merkchen eines offenbar begabten
Bildhauers, trug. Auf einem Baumstumpf hatte sich ein
Engelein niedergelassen. Die schön modellierten Flügel-
chen hingen ein wenig müde herab. Awei große Kinder-
augen schauten nach der Geißblattlaube hinüber, als er-
warteten sie, es solle jemand unter dem Geranke hervor-
treten . . . Der Großvater neckte Fräulein Regina dann
und wann, wenn wir von des Brünnleins köstlicher Gabe
genossen: „Hab acht, Regina! Dein kleiner Engel fliegt
dir eines Nachts davon. Den: Bürschlein ist nicht zu
trauen. Ich würde den Strolch an ein Kettlein legen.
Es wäre doch zu schade, wenn der Flügelbub dir auskäme."
In meinen Erinnerungen aus der Bubenzeit hat das
„Iungferngärtlein" mit seinen Schnörkelwegen, den
sorgsam eingefaßten Beetlein der romantischen Land-
schaft, dem Elfenseelein, dem Tempelchen, dem Engelein-
brunnen, mit all seinem anderen merkwürdigen Garten-
zierat, mit seiner altjüngferlichen, da und dort etwas ver-
künstelten Schönheit seinen sicheren Platz . . . Vor ein
paar Jahren hat bald nach den Großeltern, die schier mit-
einander sich zum Sterben legten, auch Fräulein Döder-
lein die Wanderung nach dem fernen, fernen, ewig
blühenden Garten angetreten. Ihr Sommerreich, das
„grüne Raritätenkabinett", ist von der nach allen Seiten
sich dehnenden Stadt überrannt worden. Das „Jungfern-
gärtlein" hat weichen müssen. Und der Lerchenweg ist
eine lange, kerzengerade Straße mit hohen Häuser-
wänden geworden . . . f59I^


rei Gedichte von H. E. Fuhrmann*.
i.

Ich bin erwacht und warte
auf mein Königtum;
auf die Krone, die goldene harte,
und auf den Ruhm.

Alle sind Könige wesen
und viele Königinnen,
* Als Freiw.-Fähnrich gefallen im Westen.
(Der Herausgeber.)

ich bin ausgelesen
und muß noch immer sinnen:
Wer kann Kronen schenken,
und wer Kraft?
Wer kann sich so weit senken,
daß er schafft?
Wer langt zu mir hinunter
ganz in Traum? —
Das Leben wird immer bunter,
ich versteh es kaum.
II.
Es macht das Mannsein und Reifen
alles viel zu schwer und auch viel zu tief,
es legen sich Fesseln und Streifen
um jeden, der träumte, und jeden, der schlief.
Träumen ist Sich-Erholen,
ein Hingegebensein in Lust,
in Schönheit sich wärmen und wohlen,
überfließen willig und unbewußt.
Du kennst das Erwachen vom Traume:
als stieg inan von schwüler Dämmerung auf,
wie Lachen im leeren Raume,
sowie vergessenes Atmen nach übermüdem Lauf.
Niemals ganz zerbrechen,
und immer geknickt und gebrochen sein,
eine Stärke in allen Schwächen,
und von Leide zernagt und zerstochen sein.
Alles Leben verschwindet,
die Schönheit ist, und was sie errang,
jedes Wort erblindet,
und das Schicksal wird zum großen Gesang.
Der Frühmond.
Dem Andenken Caspar David Friedrichs gewidmet.

Aum Horizont will grad
der Mond sich neigen,
er schwankt so seinen Pfad
und löst das Schweigen.
Und alle Dinge schwimmen
ganz breit und flach,
schwarze Katzen klimmen
voll Angst auf jedes Dach.
Die Häuser fallen groß
wie sich entgegen,
und können sich dann bloß
im Kreise legen.
Auf allen Dingen schweben
noch weiß und grau
Schleier und dichte Reben,
schwälend und ungenau. —

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