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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 7/8
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Manskopf, Johannes: Mantegna
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0296

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Mantegna.
von St. Zeno, die, so markig und fest sie als Vertreter
der verschiedenen Altersstufen hingestellt sind, doch noch
die religiöse Weihe und Kraft vermissen lassen, erscheinen
hier in vertiefter Auffassung als Männer Gottes, in
Leiden und Kampf geläutert. Am packendsten ist die Ge-
stalt des Alten zur Rechten: ein müder Greis, der zu-
sammensinken möchte und doch durch die unbeugsame
Kraft seines Glaubens aufrecht erhalten wird. Und dann
endlich die beiden Begleiter des Auferstandenen, Ge-
stalten voll schlichter Demut und tiefen Ernstes, in deren
Seelen das Miterleben der Passion so sichtbar nachzittert,
der eine mit dem schweren Kreuz in den Armen, der an-
dere mit der Lanze des Kämpfers in den gefalteten Händen.

hestands- und Junggesellenlieder.
Otto Zoff hat bei MoraweL Scheffelt in Berlin Ehe stand s-
und Iunggesellenlieder erscheinen lassen, eine entzückende
Sammlung alter Volkslieder, an der nur der etwas schwerfällige
und betuliche Titel stört: . Ja, das Heieraten steht mir an ...!"
und die 39 farbigen, handkolorierten, antiquarisch grotesken, un-
naiven Bilder von Fritz Wolf.
Cs fällt auf, daß eigentlich wenige Gedichte einen gegen-
wärtigen Ehestand preisen. Entweder sehnt sich ein Verliebter nach
der Ehe, oder ein Geplagter aus der Ehe. Nur das erste Lied singt
das „Lob des Ehestands", so ziemlich das jüngste der Sammlung,
ein österreichisches Stück aus dem 19. Jahrhundert. Wie ein derberer
bürgerlicher Nachklang jenes Liedes, das Goethe der Geliebten „mit
einem gemalten Bande" sandte, klingt es:
„Mit einem Rosenband bin ich gebunden."
Und dann, nach dieser Einleitung, eigentlich nur Sehnsucht nach
der Ehe oder Leid über Abweisung oder Spott über die Ehe.
Da gibt es die Lieder aus der Zeit der sinnlichen Reifung, wie
hier „Die Spinnerin" (am bekanntesten das Lied: „Modder, ick will
en Ding^haben," aus den Brahmsschen Volksliedern, von Zoff
nicht ausgenommen): die Mutter verspricht der traurigen Tochter
allerlei, ein Tuch, einen Rock, aber sie will nur „'nen Mann". Auch
Lieder der Werbung hat Zoff ausgenommen: glückselige Lieder,
gewiß der Erhörung, die das eheliche Glück geruhig ausmalen:
bereits die Namen der Kinder werden überlegt:
„Wird solches Kind ein Maidelein,
So soll Els sein Name sein,"
aber:
„Beschert mir Gott ein werten Sohn,
Bin ich mehr erfreuet von,
Also in solcher Gestalte
Sein Nam christlich
Heißen wie ich
Mit Namen Dorg Grünewalde."
Oder das entzückende Lied:
„Wo a kleins Hüttle steht,
Ist a kleins Gütle;
Wo a kleins Hüttle steht,
Ist a kleins Gut.
Und wo viel Bube sind,
Maidle sind, Bube sind,
Do ist's halt lieble,
Do ist's halt gut.
Lieble ist's überall,
Lieble auf Erden,
Lieble ist's überall,
Lustig im Mai;j
Wenn es nur mögle wär,
Z'mache wär, mögle wär,
Mei müßt du werde,
Mei müßt du sei."
Es ist wie ein Wortländler: die Worte nehmen sich an den
Händen, wie der Singer und die Singerin selbst, und drehen sich
rundum. Dies Lied ist so voller anmutig kreisender Musik, daß man
von dem Rhythmus freundlich bewegt wird, selbst wenn man ihn

Durch die religiösen Werke Mcintegnas hallt der
mächtige Schritt der großen Welttragödie. Seine
religiöse Kunst ist aus dem innersten Erleben erwachsen.
Sie wirkt als ein Bekenntnis, ein Bekenntnis zu dem
Opfer als dem tiefsten Sinn des Lebens, als dem Weg
zur Erlösung.
Und darum gehört dieser unserm deutschen Empfinden
so nahestehende alte Italiener zu denen, die in dieser
Zeit aus ihrem Grabe aufstehen. Es wird die Stunde
kommen, da die tiefen und aufrichtigen Geister seines
und unseres Volkes in Erinnerung an die Zeit der opfer-
freudigen Söhne und trauernden Mütter sich still die
Hand reichen. f626^

sich ohne die Worte vorsummt. Bei solcher Melodie kommt es auf
jedes Taktteil an; Zoff druckt: „Und wo viele Bube sind," was
den Rhythmus unterbricht und mit der entsprechenden und ent-
sprechend geteilten Zeile: „wenn es nur / mögle wär" nicht überein-
stimmt. Lieder der Abweisung: das Mädchen will den Jäger nicht,
besonders ungern aber den Schreiber; hier vermisse ich das geist-
reiche „Rätsellied": das Mädchen muß des Schreibers Rätsel raten,
wenn er es heiraten soll, und es rät sie alle: ein Feuer, das nicht
brennt: ein gemaltes Feuer; eine Straße ohne Sand: die Milch-
straße am Himmel, ein König ohne Land: der König in den Karten,
und zum Schluß will das Mädchen den Schreiber nicht, weil es
klüger ist als er. DaS Mißtrauen des Volkes gegen die Gebildeten
und Gelehrten spiegelt sich in diesen Abweisungsliedern; und man
erinnert sich jenes mißlungenen Werbelieds des Herrn Sixtus Beck-
messer, Stadtschreiber und Meistersinger zu Nürnberg.
Lieder der Klage: ein Abgewiesener trumpft auf mit einem
Trutzlied, dessen Rhythmen gleichsam mit der Faust auf den Wirts-
haustisch pochen:
„Und g'heirat hat s' aa,
Und g'heirat hat s' aa,
Ins Zillertal eini
An Pech'ntraga;"
oder das Mädchen will, daß der Bube sein Wort wahr macht:
j,Hast gesagt, du willst mich nehmen,
Sobald der Sommer kommt.
Der Sommer ist gekommen,
Du hast mich nicht genommen,
Geh, Buble, geh, nehm mich! Gelt ja,
Du nimmst mich noch;"
aber der Bube hat eine „starke Einbildungskraft":
„Wie sost ich dich denn nehmen,
Und wenn ich d'ch schon hab.
Denn wenn ich halt an dich gedenk,
Denn wenn ich halt an dich gedenk,
So mein ich, so mein ich, ich mein,
Ich wär bei dir."
Und wie ein Gegenvers zu der Iubelzeile: „Ja, das Heieraten
steht mir an," ist die Zeile eines Ungetreuen:
„Aber's Heiraten, 's Heiraten,
Aber's Heiraten ist nie mein Sinn."
Lieder der Verführung: die Zwiesprache zwischen dem Lieb-
haber und der Erhörenden, ganz leise, Worte wie auf Zehen:
„Wo bellet denn das Hündlein dein?
Säuberlich's Mägdelein! —
Ruf den Wächter leise ein,
Schweig still und laß dein Fragen sein."
Hübsch, aber nicht zu vergleichen jenem (hier nickt abgedruckten)
bezaubernden plattdeutschen Gedicht, darin es heißt:
„Kaem du um Middernacht,
Kaem du Klock een,
Vadder slöppt, Modder slöppt,
Ick slap' alleen.
Klopp an de Kaminerdeer,
Klopp an de Klink',
Vadder meent, Modder meent,
Dat deit de Wind."


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