Heimliche Ehe: die kein eigen Haus bauen können, bauen sich
eins im Gras:
„Wir wollen uns eins bauen
Von grüner Petersill. —
Mit was woll'n wir es decken? —
Mit gelber Lilg' und Dill.
Und wie das Häuslein fertig war,
So hatten wir keine Tür,
Schön Lieb, das hat sich schier bedacht
Und hing ihr Schürzlein für."
Das Lied von der „traurig prächtigen Braut" ist dann ein selt-
sames Hochzeitslied: man könnte es fast für ein Kindsmörderinlied
halten, so warnt es und klagt es in drohendem Rhythmus, dessen
Ernst durch die beiden stets wiederholten Worte am Schlüsse jeder
ersten Zeile verstärkt wird:
„Komm heraus, komm heraus, du schöne schöne Braut,
Deine guten Tage sind alle, alle aus,
O Weiele weh, o Weiele weh!"
„Lache nicht, lache nicht, deine rote rote Schuh
Werden dich wohl drücken, sind eng genug dazu, . . .
Springe heut, springe heut deinen letzten, letzten Tanz,
Morgen kannst du weinen auf den schönen Hochzeitskranz."
Hier zeigt sich bereits vor der Ehe die Auffassung, die in den
meisten Ehestands- und Witwerliedern dann erkennbar ist. So
warnt auch die Mutter in einem andern Liedes
„Wenn alle jungen Mädchen
Wohlauf zum Tanzboden gehn,
Mit ihren grünen Kränzerchen
Im Reihentanze stehn.
Dann mußt du, junges Weibchen,
Wohl bei der Wiege stehn,
Mit deinem schneeweißen Leibchen,
Der Kopf tut dir so weh."
Aber das Mädchen antwortet:
„Das Feuer kann man löschen,
Das Feuer brennt so sehr;
Die Liebe nicht vergessen
Je nun und nimmermehr."
Von eigentlichen Hochzeitsliedern findet sich hier dann nur
ein Spottlied auf die Protzerei der groben, stolzen, unnützen Bauern,
und nun erschallt lauter Klage und Wehegeschrei über die Ehe.
Über allen diesen Liedern stehen die Zeilen:
„Armut hat mir die Lauten geschlagen,
Elend hat mir gepfiffen,"
und so manche Braut heißt „Ach Leider" und so mancher Bräutigam
„Daß Gott erbarm". Um Geringes würden die Weiber gern her-
gegeben werden:
„Mein Weib wollt' ich verkaufen
Wohl um ein leichtes Geld;"
oder auch „um eine Bratwurst" oder „ein Seidel Weine". Den
Männern wird auch hart zugesetzt:
„Cs war mal ein kleiner Mann, he! juhe!
Eine große Frau wollt' er Han, nutti, nutti,
bums valera hopsa sa sa.
Frau auf den Tanzboden ging, he! juhe!
Kleiner Mann wollt auch mitgehn, nutti, nutti,
bums valera hopsa sa sa."
Bei diesem Lied von der großen Frau und dem kleinen Mann
ist es ganz reizend, wie die Kleinheit des Mannes im Refrain mit
„nutti, nutti" gemalt und verspottet wird; der Kehrreim höhnt:
er ist eine Nutte. Oder die Männer, ob Bauer ob Wirt, ob Mark-
graf, werden betrogen mit Fiedlern und Zimmergesellen oder sonst
einem „Jung frisch Blut", und selbst die Ertappten laufen den
landsverwiesenen Buhlen nach:
„Und wenn dir Wein zu sauer ist,
So trinke du Malvasier,
Und wenn mein Mündlein dir süßer ist,
So komme nur wieder zu mir."
Aber die Männer sind nicht besser: sie müssen gemahnt werden,
daß sie die Frauen nicht „brach liegen lahn," oder sie leihn ihre Frau
gar um Geld her. Die Frau geht nicht vom Tanz fort zum kranken
Mann, nicht zum toten, nicht zum Begräbnis, erst wie ein neuer
Freier da ist, läuft sie vom Tanzboden: so sind die jungen, und die
alten so, „daß man sieben alte Weib um eine junge gäb". Man sieht,
daß sich eine ganze Preistabelle für Weiber aus diesen Liedern Her-
stellen ließe. Und der Junggeselle bittet den „Tod von Basel" —
den Tod des Holbeinischen Totentanzes? —, sein steinalt Weib zu
holen, und die Träger, fein sachte zu gehn, daß sie ja nit erwacht.
Die Sympathie des Liedes ist mit dem jungen Mann, aber aus
Moral wird er dann alsbald von seiner neuen jungen Frau ver-
prügelt: aus dem fröhlich rohen: „ach lieber Tod von Basel,
Bi—Ba—Basel" wird ein „nutti nutti". Daneben sitzt dann
breit der Junggeselle und preist den „liebsten Buhlen" im „hölzern
Röcklin". Aber auch das Los der Junggesellen ist nicht beneidens-
wert, denn ein Lied schließt:
„So muß es allen Junggesellen gehn,
Die trachten nach großem Gut.
Sie hätten als gern schöne^Weiber,
Sind aber nicht reich genug."
Und kein Wunder, daß einer aus Geldmangel alle „Buhlerei"
verschwört und sich völlig dem „süßen Wein" ergibt. Ja, diese
wenig auferbauliche Anschauung vom Ehestand ist auch bei den
Kindern zu Haus, denn ein Kinderreim, dünkt mich, ist diese
„Chestandsklage":
„Drei Rosen im Garten,
Vier Listen im Wald,
Jetzt muß ich heiraten,
Sonst werd ich zu alt.
Jetzt hab ich geheirat,
Was hab ich davon?
E Stübchen voll Kinder,
E lumpige Mann."
Gern hätte ich daneben gesehen den entzückenden Kinderreim:
„Petersil und Suppenkraut
Wächst in unserm Garten.
Unser Annchen ist die Braut,
Kann es kaum erwarten.
Roter Wein und weißer Wein —
Morgen soll die Hochzeit sein."
Hier einmal singt Glück und Frieden eines Elternhauses, und
Freude an der ersehnten Ehe.
Die Zoffsche Auswahl enthält fast gar keine entbehrlichen
Stücke, aber sie könnte bedeutend erweitert werden. Doch würde
sich das Verhältnis der ehefrohen und der eheleidigen Lieder hier-
durch nicht verändern. Denn sicherlich ist die Anschauung von der
Ehe im Volkslied die des Volksspruchs: „Ehestand — Wehestand",
und die Sprache selbst gibt einen fürchterlichen Aufschluß über diese
Auffassung, denn sie spricht von „Flitterwochen". Die Zahl der
Werbe- und Sehnsuchtslieder ist besonders reich; hier brauchte man
nur zuzulangen, und fände eine Herrlichkeit neben der andern:
„Die Sonne scheint nicht mehr," „Es ist nit lang, daß es g'regnet
hat", „Dort droben auf jenem Berge". Aber eigentlich gehören diese
Stücke gar nicht in diesen Umkreis, und Zoff hätte mehr eigentlichste
Ehelieder bringen sollen. Der Titel stimmt, wenn man die Summe
zieht, nicht, denn nicht Beglückte singen, sondern verbitterte Spötter
warnen vor einer Hölle.
Die dumpfe Auflehnung des Geschlechts gegen die Sitte, des
Triebs gegen den Zwang, der Natur gegen die Zivilisation tönt
aus dem Unterbewußten dieser oft flachen Lieder und gibt ihnen
manchmal eine stärkere Dynamik: mir will scheinen, daß jenes Lied
von Armut, die gepfiffen, und Elend, das die Laute geschlagen hat,
nur ein Gleichnis anderen Jammers ist. Diese stärkste Bindung,
diese Urzelle aller Gemeinschaft, wird vom Volke verspottet und
bekrittelt: Ehestandsschwänke, nicht Ehestandslieder.
Man hat früher auf die Flachheit der Romane und Theater-
stücke hingewiesen, die mit der Verlobung schließen: das eigentliche
Thema beginnt, wo sie enden. So singt auch diese volkstümliche
Lyrik fast nur Sehnsucht und Wunsch: „Der Lenz, der sang für sie."
Doch auch eine Betrachtung der kunstmäßigen Ehestandslyrik — die
sich wohl verlohnte — würde zeigen, wie wenige die Ehe lobsingen.
Hans Sachs, Meistersinger und Schuster zu Nürnberg, der Stollen
und Bar weise als Abbilder der Che deutet, wußte den Grund:
„Kam Sommer, Herbst und Winterzeit,
viel Not und Sorg' im Leben,
manch ehlich Glück daneben,
Kindtauf', Geschäfte, Zwist und Streit;
denen 's dann noch will gelingen
ein schönes Lied zu singen,
seht, Meister nennt man die."
Ernst Lissauer. sP87^
28?
eins im Gras:
„Wir wollen uns eins bauen
Von grüner Petersill. —
Mit was woll'n wir es decken? —
Mit gelber Lilg' und Dill.
Und wie das Häuslein fertig war,
So hatten wir keine Tür,
Schön Lieb, das hat sich schier bedacht
Und hing ihr Schürzlein für."
Das Lied von der „traurig prächtigen Braut" ist dann ein selt-
sames Hochzeitslied: man könnte es fast für ein Kindsmörderinlied
halten, so warnt es und klagt es in drohendem Rhythmus, dessen
Ernst durch die beiden stets wiederholten Worte am Schlüsse jeder
ersten Zeile verstärkt wird:
„Komm heraus, komm heraus, du schöne schöne Braut,
Deine guten Tage sind alle, alle aus,
O Weiele weh, o Weiele weh!"
„Lache nicht, lache nicht, deine rote rote Schuh
Werden dich wohl drücken, sind eng genug dazu, . . .
Springe heut, springe heut deinen letzten, letzten Tanz,
Morgen kannst du weinen auf den schönen Hochzeitskranz."
Hier zeigt sich bereits vor der Ehe die Auffassung, die in den
meisten Ehestands- und Witwerliedern dann erkennbar ist. So
warnt auch die Mutter in einem andern Liedes
„Wenn alle jungen Mädchen
Wohlauf zum Tanzboden gehn,
Mit ihren grünen Kränzerchen
Im Reihentanze stehn.
Dann mußt du, junges Weibchen,
Wohl bei der Wiege stehn,
Mit deinem schneeweißen Leibchen,
Der Kopf tut dir so weh."
Aber das Mädchen antwortet:
„Das Feuer kann man löschen,
Das Feuer brennt so sehr;
Die Liebe nicht vergessen
Je nun und nimmermehr."
Von eigentlichen Hochzeitsliedern findet sich hier dann nur
ein Spottlied auf die Protzerei der groben, stolzen, unnützen Bauern,
und nun erschallt lauter Klage und Wehegeschrei über die Ehe.
Über allen diesen Liedern stehen die Zeilen:
„Armut hat mir die Lauten geschlagen,
Elend hat mir gepfiffen,"
und so manche Braut heißt „Ach Leider" und so mancher Bräutigam
„Daß Gott erbarm". Um Geringes würden die Weiber gern her-
gegeben werden:
„Mein Weib wollt' ich verkaufen
Wohl um ein leichtes Geld;"
oder auch „um eine Bratwurst" oder „ein Seidel Weine". Den
Männern wird auch hart zugesetzt:
„Cs war mal ein kleiner Mann, he! juhe!
Eine große Frau wollt' er Han, nutti, nutti,
bums valera hopsa sa sa.
Frau auf den Tanzboden ging, he! juhe!
Kleiner Mann wollt auch mitgehn, nutti, nutti,
bums valera hopsa sa sa."
Bei diesem Lied von der großen Frau und dem kleinen Mann
ist es ganz reizend, wie die Kleinheit des Mannes im Refrain mit
„nutti, nutti" gemalt und verspottet wird; der Kehrreim höhnt:
er ist eine Nutte. Oder die Männer, ob Bauer ob Wirt, ob Mark-
graf, werden betrogen mit Fiedlern und Zimmergesellen oder sonst
einem „Jung frisch Blut", und selbst die Ertappten laufen den
landsverwiesenen Buhlen nach:
„Und wenn dir Wein zu sauer ist,
So trinke du Malvasier,
Und wenn mein Mündlein dir süßer ist,
So komme nur wieder zu mir."
Aber die Männer sind nicht besser: sie müssen gemahnt werden,
daß sie die Frauen nicht „brach liegen lahn," oder sie leihn ihre Frau
gar um Geld her. Die Frau geht nicht vom Tanz fort zum kranken
Mann, nicht zum toten, nicht zum Begräbnis, erst wie ein neuer
Freier da ist, läuft sie vom Tanzboden: so sind die jungen, und die
alten so, „daß man sieben alte Weib um eine junge gäb". Man sieht,
daß sich eine ganze Preistabelle für Weiber aus diesen Liedern Her-
stellen ließe. Und der Junggeselle bittet den „Tod von Basel" —
den Tod des Holbeinischen Totentanzes? —, sein steinalt Weib zu
holen, und die Träger, fein sachte zu gehn, daß sie ja nit erwacht.
Die Sympathie des Liedes ist mit dem jungen Mann, aber aus
Moral wird er dann alsbald von seiner neuen jungen Frau ver-
prügelt: aus dem fröhlich rohen: „ach lieber Tod von Basel,
Bi—Ba—Basel" wird ein „nutti nutti". Daneben sitzt dann
breit der Junggeselle und preist den „liebsten Buhlen" im „hölzern
Röcklin". Aber auch das Los der Junggesellen ist nicht beneidens-
wert, denn ein Lied schließt:
„So muß es allen Junggesellen gehn,
Die trachten nach großem Gut.
Sie hätten als gern schöne^Weiber,
Sind aber nicht reich genug."
Und kein Wunder, daß einer aus Geldmangel alle „Buhlerei"
verschwört und sich völlig dem „süßen Wein" ergibt. Ja, diese
wenig auferbauliche Anschauung vom Ehestand ist auch bei den
Kindern zu Haus, denn ein Kinderreim, dünkt mich, ist diese
„Chestandsklage":
„Drei Rosen im Garten,
Vier Listen im Wald,
Jetzt muß ich heiraten,
Sonst werd ich zu alt.
Jetzt hab ich geheirat,
Was hab ich davon?
E Stübchen voll Kinder,
E lumpige Mann."
Gern hätte ich daneben gesehen den entzückenden Kinderreim:
„Petersil und Suppenkraut
Wächst in unserm Garten.
Unser Annchen ist die Braut,
Kann es kaum erwarten.
Roter Wein und weißer Wein —
Morgen soll die Hochzeit sein."
Hier einmal singt Glück und Frieden eines Elternhauses, und
Freude an der ersehnten Ehe.
Die Zoffsche Auswahl enthält fast gar keine entbehrlichen
Stücke, aber sie könnte bedeutend erweitert werden. Doch würde
sich das Verhältnis der ehefrohen und der eheleidigen Lieder hier-
durch nicht verändern. Denn sicherlich ist die Anschauung von der
Ehe im Volkslied die des Volksspruchs: „Ehestand — Wehestand",
und die Sprache selbst gibt einen fürchterlichen Aufschluß über diese
Auffassung, denn sie spricht von „Flitterwochen". Die Zahl der
Werbe- und Sehnsuchtslieder ist besonders reich; hier brauchte man
nur zuzulangen, und fände eine Herrlichkeit neben der andern:
„Die Sonne scheint nicht mehr," „Es ist nit lang, daß es g'regnet
hat", „Dort droben auf jenem Berge". Aber eigentlich gehören diese
Stücke gar nicht in diesen Umkreis, und Zoff hätte mehr eigentlichste
Ehelieder bringen sollen. Der Titel stimmt, wenn man die Summe
zieht, nicht, denn nicht Beglückte singen, sondern verbitterte Spötter
warnen vor einer Hölle.
Die dumpfe Auflehnung des Geschlechts gegen die Sitte, des
Triebs gegen den Zwang, der Natur gegen die Zivilisation tönt
aus dem Unterbewußten dieser oft flachen Lieder und gibt ihnen
manchmal eine stärkere Dynamik: mir will scheinen, daß jenes Lied
von Armut, die gepfiffen, und Elend, das die Laute geschlagen hat,
nur ein Gleichnis anderen Jammers ist. Diese stärkste Bindung,
diese Urzelle aller Gemeinschaft, wird vom Volke verspottet und
bekrittelt: Ehestandsschwänke, nicht Ehestandslieder.
Man hat früher auf die Flachheit der Romane und Theater-
stücke hingewiesen, die mit der Verlobung schließen: das eigentliche
Thema beginnt, wo sie enden. So singt auch diese volkstümliche
Lyrik fast nur Sehnsucht und Wunsch: „Der Lenz, der sang für sie."
Doch auch eine Betrachtung der kunstmäßigen Ehestandslyrik — die
sich wohl verlohnte — würde zeigen, wie wenige die Ehe lobsingen.
Hans Sachs, Meistersinger und Schuster zu Nürnberg, der Stollen
und Bar weise als Abbilder der Che deutet, wußte den Grund:
„Kam Sommer, Herbst und Winterzeit,
viel Not und Sorg' im Leben,
manch ehlich Glück daneben,
Kindtauf', Geschäfte, Zwist und Streit;
denen 's dann noch will gelingen
ein schönes Lied zu singen,
seht, Meister nennt man die."
Ernst Lissauer. sP87^
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