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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 5
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Muthesius, Hermann: Kommende Krieger-Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0191

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Kommende Krieger-Denkmäler.

gekommen? Auf die oben skizzierte Art. Selbstempfeh-
lungen minderwertiger Künstler haben trefflich einge-
schlagen. Schon entfalten diese eine weitere ertragreiche
Tätigkeit. Sie sparen, um mit dem Goetheschen Theater-
direktor zu reden, „Prospekte nicht und nicht Maschinen".
Wir wissen, was die Folgen sein werden. Deshalb sollte
keine Zeit verloren werden. Unser Volk darf in seinen
öffentlichen, sichtbaren Bekundungen nicht weiter mit
der Sorglosigkeit verfahren wie bisher. Es fehlt in
Deutschland durchaus nicht an berufenen Kräften.

Vielleicht fehlt es aber vorläufig noch an der Durch-
bildung der breiteren Volksschichten und an der Fähig-
keit, in der Kunst überall das Gute vom Schlechten zu
unterscheiden. Sind wir aber das Volk, dessen Organi-
sationstalent über allen Aweifel erhaben hingestellt
wird, so sollten wir doch ruhig unsere Organisation auch
auf ein in jeder Beziehung wichtiges Gebiet ausdehnen,
wie es die öffentliche Schaustellung von Denkmälern ist.
Die guten Früchte werden sich dann überraschend
zeigen. Hermann Muthesius.

e
1 j ber ältere Werke.
Vorbemerkung: Ich habe an den Herausgeber dieser
Monatshefte die Bitte gerichtet, mich manchmal auch über altere
Werke aussprechen zu dürfen. Dies ergab sich ganz von selbst, ge-
wissermaßen ohne mein Zutun. Bei meinen Arbeiten und Vor-
arbeiten treffe ich oft auf Werke, die Gedanken und Zusammen-
hänge in mir auslösen, die aufzuschreiben mir Bedürfnis ist. Diese
drucken zu lassen, an Stellen, an denen ich mich auch sonst äußere,
wäre danach nur eine technische Frage und vom zweiten Range.
Und dennoch ist es mehr. Man hat gelegentlich gesagt, den
Schriftsteller unterscheide von dem andern, dem „Laien", ledig-
lich, daß er „zufällig" „Druckerschwärze zur Verfügung habe".
Das ist heute in der Tat vielfach Zufall; aber es hieße das Wesent-
liche des öffentlichen geistigen Wirkens verkennen, wenn man in
den Schreibenden nur xgros inter psros erblickte und die Tatsache
des Veröffentlichens als mehr oder minder zufällig betrachtete.
Vielmehr ist alles Schreiben dazu von Natur begabter und be-
stimmter Menschen nichts anderes als ein Denken, das in die Hör-
und Sichtbarkeit vordringt kraft einer ihm selbst innewohnenden
Gewalt. Nicht nur der Dichter, auch der Schriftsteller muß, (und
um so mehr, falls der Schriftsteller ein Dichter ist). Was aber
„muß" er? Rechenschaft ablegen, geistige Rechenschaft: zunächst
vor sich selber. Der Dichter dichtet nicht nur am Schreibtisch und
in der Stube; sondern sein Werk ist so nahe verwachsen mit ihm,
daß er es gleichsam immer bei sich trägt. Sein Werk: ich meine
nicht das eine, an dem er gerade arbeitet, sondern die Gesamtheit
seiner Vorstellungen, eingeschlossen die noch unausgestalteten, die
alle zusammen erst sein Werk, vollendetes und reifendes, ausmachen,
und damit sein Wesen, wie es zu jeweiliger Frist besteht. Gleicher-
maßen aber rührt jede starke Erscheinung an das Wesen eines
wesentlichen Menschen; (daß aber einer ein wesentlicher Mensch
sei, ist die Voraussetzung dafür, daß er ein schöpferischer Mensch
ist). Das Leben — in der Breite, in der es an die Breite der
Persönlichkeit brandet, — zeugt ein zweites Leben, das in voll-
endeten Gebilden widerzuspiegeln niemand, selbst nicht den aller-
obersten Gestaltern, völlig beschieden ist, das aber Ausbruch sucht
und findet in den Nebenpfaden und Seitenkanälen des Schaffens,
den Skizzen und Fragmenten — die oft hingeworfen werden ohne
Absicht der Vollendung —, in Gesprächen, Tagebüchern, Briefen.
In diesem Sinne angesehen, wandelt sich der Begriff der „Kritik".
Den Tageszeitungen mag und muß es überlassen bleiben, dem
neu Erschienenen mit Regelmäßigkeit nachzugehen; wer aber
über Tag und Zeit hinaus trachtet, dem kann es gleichgültig sein,
ob etwas soeben erschienen ist oder vor Jahren, Jahrzehnten, Jahr-
tausenden.
Beim Lesen Jakob Grimmscher Schriften.
Jakob Grimm bemerkt einmal, er sei für den „Zellenfleiß"
geboren, und meint das Wort in einem doppelten Sinn — kann
es wenigstens so meinen —: für die Tätigkeit der Biene, die lang-
sam und siät Zelle auf Zelle zur Wabe baut, und für die Arbeit
des Mittelalterlichen Mönches, der in seiner Zelle an Urkunden,
Handschriften, an Initialen und Miniaturen schreibt und malt,
langsam und stät. Grimm kam es aber sonderlich auf die Einsam-
keit an, denn er braucht das Gleichnis im Gegensätze zu der ihm
innerlich fremden lehrenden Wirksamkeit: zu einer bestimmten
Stunde auf dem Katheder zu erscheinen, hatte für ihn etwas
„Theatralisches" und war ihm zuwider.
Dieses Gefühl erwächst aus der Objektivität, die Jakob Grimm
auszeichnet, besser gesagt: aus der Nicht-Subjektivität, die ihn den

Anteil der Einzelnen an den Hervorbringungen der großen Poesie
gering bewerten ließ. Und es fließt aus der „Prunklosigkeit", die
Scherer an ihm rühmt, und die den edlen Silberstil seiner Sprache
fast bis an die Grenze des Gegenteils, bis zum Prunken mit Prunk-
losigkeit, bewährt.
Dies Gefühl erfließt aber auch aus einem tiefen Verständ-
nis für den Unterschied der einsamen und der geselligen Arbeit.
Der Gelehrte, der am Schreibtisch häuft und fügt und folgert,
der Dichter, der im Zimmer und auf Spaziergängen seine Lieder
und seine Erfindungen besinnt, sind ausschließlich auf sich selbst
angewiesen, isolierte Naturen, die sie oft sind, denen es inner-
halb der Wände ihrer Individualität — ein Ausdruck Scherers
in der Schrift über Jakob Grimm — am wohlsten ist. Der Lehrer
in der Schule und in der Hochschule, der Arzt, der in eine Kranken-
stube tritt, der Anwalt, der vor Gericht plädiert, der Pfarrer,
der vor der Taufgesellschaft oder der Gemeinde predigt, sie alle
sind irgendwie auf den Zusammenhang mit den anderen, den
Patienten und Klienten, mit den Pfarrkindern und Schülern ange-
wiesen, und diese Wirkung beruht nicht nur auf dem logischen
Inhalt der vorgetragenen Wissensstoffe, Tatsachen, Ergebnisse,
sondern in der Summe der Persönlichkeit: seiner Gestalt, seinem
Antlitz, seiner Sprechweise, dem Ausmaß an überschüssiger Energie,
die von ihm ausstrahlt, von Seligkeit an Mitteilung und Mit-
menschen —- „Leutseligkeit" —, der überwältigenden Gewalt.
Und so haftet ein großer Teil der Wirkung nicht nur an dem Gegen-
stände, dem objektiv Erkannten und Geleisteten, sondern an seiner
Person, an Zufälligkeiten und Notwendigkeiten seiner Person,
aber jedenfalls an dem Subjekt. Die Teilnahme ist keine rein sach-
liche, sondern bei vielen gemengt mit der Neugierde auf das Indi-
viduum. Diesen subjektiven Teil der Wirkung empfand Jakob
Grimms feines Gefühl als theatralisch; er dachte, ein Komödiant
könne nicht nur einen Pfarrer lehren, sondern auch einen Hoch-
schullehrer, wie das denn gleichfalls zuzeiten kommen mag.
Aber dies subjektive Element wirkt in allen sozusagen geselligen
akademischen Berufen mit; und dieses Darbieten der eigenen
Person vor einer Menge, das der Pfarrer, Anwalt, Ricbter, Offizier,
ja auch, im weitesten Sinne genommen, der Arzt, mit dem Schau-
spieler gemeinsam hat, erschien Grimm bereits „theatralisch".
So völlig war er auf die Sache eingestellt, so rein auf die Einsam-
keit: und so ging er auch nicht, wie Wilhelm, in Gesellschaft. Wenn
er erwähnt, daß Wilhelm Grimms heiteres Wesen viel Sympathie,
seine erzählende Gabe viel Beifall gefunden habe: selbst diese un-
schuldigen geselligen Wirkungen sind ihm versagt. Wilhelm Grimm
sucht Erholung in manchem Nebenbei und Ausblick von der Arbeit:
ihm ist die Arbeit selbst Erholung. Durchaus und in jedem Sinne
erstrebt er die Sache der Sache, die Arbeit in der Arbeit, den Kern
des Kernes, das Wesen des Wesens. So durchaus ist er nur ein
Mann des einsamen Spazierweges, der stillen Besinnung. Wil-
helm heiratete; er nicht. Das Urbild des Gelehrten, ja, in dieser
Freiheit von subjektiven Elementen beinahe wie der verleiblichte
Genius der deutschen Wissenschaft selbst. Stellt man sich ihn nachts
allein an seinem Schreibtisch vor, Bruder und Schwägerin bei
Freunden, die Kinder zu Bett, — so meinen wir den Geist der
deutschen Sprache in völliger Reinheit zu erblicken, durchscheinend
gleichsam durch die Wände seiner trübelosen Leiblichkeit, eingetreten
in menschliche Gestalt, um Urkunde zu bieten über sich selbst.
Beim Lesen der Briefe Hans von Bülows.
Immerzu höre ich ein Knattern, Knallen, ein pausenloses
Sichentladen, ein ständiges Vibrieren. Diese Seele ist mit fünf-
hundert Volt geladen und schlägt (und, manchmal, erschlägt) die

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