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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 3
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Bartels, Ilse: Die bunten Ampeln
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Eidlitz, Walter: Bettina
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0114

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Die bunten Ampeln.
Schürze, aber sie hielt sie krampfhaft fest, und erst nach
einer Weile guckte sie mal unter dem Aipfel hervor und
sah ihn da stehen mit traurigen Augen. Sie ließ die
Schürze hangen und blinzelte unter den Tranen hervor.
„Warum weinst du denn?" fragte er.
Sie sah nur auf ihre Ampel, und die Lippen zuckten
wieder.
„Ist die ausgegangen? Warte, ich mach sie dir wieder
an."
„Wer bist du denn?" fragte sie nun mit großen Augen.
„Ich wohne da oben," er zeigte auf den obersten
Stock des Hauses gegenüber. „Sie merken garnicht, daß
ich noch nicht im Bett bin, sie sitzen alle bei Großvater,
der sagt kein Wort und schläft und ist ganz weiß im Gesicht,
und zwei Kerzen brennen, da es ist ganz gruselig. Da bin
ich fortgelaufen. Ich weiß aber, wo die Streichhölzer
sind. Warte nur, und setz dich so lange."
Er war größer als sie und half ihr auf das Faß in der
Rinne. Sie saß nun da und wartete und sah hinauf, ob
sie wohl die Kerzen sehen könne, — es war nur ein
matter Schein hinter der Gardine. Eigentlich müßte
sie nach Hause, aber es war so schön hier, und gleich würde
der fremde Junge kommen und ihr Lichtlein anzünden.
Da kam er auch schon über die Straße gesprungen
und kletterte zu ihr hinauf und hatte Streichhölzer und
steckte das Lichtchen an. Sie hielten die Ampel hoch und
jauchzten und ließen sie sachte an dem Stock tanzen. Wie
eine Sonne sah die gelbe, leuchtende Kugel aus.
„Jetzt wollen wir singen," sagte sie.
Er schüttelte den Kopf, „ich weiß kein Lied, sing du."
Und sie sang nun nut einem kleinen Hellen Stimmchen,
ihre Augen glanzten, und sie bewegte die Ampel dabei
hin und her:
Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne.
Meine Laterne ist so schön,
kann damit spazieren gehn.
Brenne auf mein Licht, brenne auf mein Licht,
aber nur meine Laterne nicht.
Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne. —
„Das war schön," sagte er bewundernd. „Du hast
jetzt ganz goldene Haare."
Oben wurde ein Fenster geöffnet, wo die Kerzen
matt hinter der Gardine brannten.
„Wird deine Mutter schimpfen?" flüsterte sie.
„Ich habe keine Mutter," sagte er leise.
Sie machte ganz große, erstaunte Augen. „Ist die
fortgegangen?"
„Ich weiß es nicht. Sie sind immer böse mit mir da
oben, da lauf ich immer fort."
Sie legte ihr weiches Händchen auf seine Hände, die
er gefaltet hatte, während sie sang. Er hielt sie nun fest,
damit sie nicht hinunterfalle.
Sie mochte nun nicht mehr singen. So saßen sie beide
dicht beieinander auf dem Faß in der Straßenrinne und
sagten nichts mehr. Sie sahen, wie der Wind ihr Lichtchen
flackern ließ, und wie der Mond über die Scheiben ging,
daß sie ganz silbern wurden. Dann lag er auf dem Wasser
in der Rinne und er lief mit dem Wasser fort, die Straße
hinunter. „Da, da," sagte sie und zeigte mit dem Finger
auf das Blinken weit unten. Und dann sahen sie, daß er

doch wieder vor ihren Füßen blinkte, da lachten sie, der
Mond wollte wohl Spaß mit ihnen machen.
Nun ging ein goldenes Leuchten aus von der großen
Brezel, die vor des Bäckers Türe hing. Es war so viel
zu sehen in der Straße, jetzt im Mondenlicht hatte sie ein
ganz anderes Gesicht wie am Tage.
„Ob die Englein wohl gleich singen werden?
meinte sie.
„Welche Englein?" fragte er erstaunt.
„Da oben auf dem Turm, die singen immer und
schlafen nie. Wer die hört, ist nie allein, sagt Mutter."
Er wußte nicht, was sie meinte.
„Da sind sie," flüsterte sie. Von dem hohen Turm
klang langsam und feierlich das alte Glockenspiel durch
die Straßen, mit feinen, Hellen Tönen. Sie hielt das
Köpfchen schief und horchte mit glänzenden Augen. Er
sah sie von der Seite an und glaubte nun sicher, daß sie
auch ein Englein sei/mit goldenem Haar.
Sie horchten noch lange und hatten die Hände fest
ineinandergelegt. Sie war nun müde und blinzelte mit
den Augen und lehnte sich an ihn und wäre gar ein-
geschlafen, wenn sie nicht jetzt von ferne das Trappeln
und Rufen der anderen gehört hätten. Die waren auch
müde und zankten sich und hatten kein Licht mehr in
ihren Ampeln.
Sie pusteten schnell ihr Lichtchen aus und rutschten
von dem Faß hinunter.
„Da," sagte sie und hielt ihm die Ampel hin und war
im nächsten Augenblick verschwunden. — Er stieg langsam
die vielen Treppen hinan, und immer, wenn er an ein
Fenster kam, hielt er die Ampel hoch, daß der Mond sie
bescheine.
Er schlich sich in seine Kammer und kroch unter die
Decke und hörte noch lange ein Flüstern von nebenan,
wo der Großvater so sonderbar weiß in seinen Kissen lag.
Er hatte die Ampel auf sein Bett gelegt und tastete
immer wieder danach und strich leise mit der Hand
darüber hin. Er hörte im Traum die Englein singen, mit
Hellen, feinen Stimmen, und lächelte selig. „Wer die
hört, ist nie allein," hatte sie gesagt, das kleine Mädchen
mit den goldenen Haaren.

ettina.
Von Walter Eidlitz.
(Saalartiges Zimmer, Aussicht auf den Rhein. In der Ecke ein
Diwan, beliebige alte Möbel (1811). Bettina Brentano läuft
herein. Dann Achim von Arnim.)
Bettina: Du, Achim, fang mich. Siehst du, ich bin
schneller. Du, hör mal. Ich bin der Wind. — O,
warum bin ich kein Bub. Ich bin seine Braut, die
Windsbraut. Ich will alle Türen einrennen.
Arnim: Die Türen sind offen.
Bettina: Ich. will offene Türen einrennen, ich will
alles durchblasen. Da ist ein Diwan, da ist ein schöner
weicher Polster, da werd ich mich niedersetzen. In
der Mitte bleibt ein Platz frei. So, am andern Ende
kannst du sitzen.
Arnim: Liebe Bettina, ich möchte.


ior
 
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