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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 3
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Eidlitz, Walter: Bettina
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0115

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Bettina.

Bettina: Du magst nicht. Ist mir auch recht. Du
kannst auch herumspazieren. Seid ihr so herum-
gelaufen^ wie ihr das Wunderhorn gemacht habt?
Arnim: Noch viel mehr. Da, links, war dem Klemens
sein Zimmer, und rechts meins. Da sind wir immer-
hin und her. Aber wir reden jetzt von etwas ganz
anderem. Du wirst mir Aufklärung geben. Weißt
du noch, weshalb wir hier heraufgekommen sind?
Bettina: Das hab ich schon lang vergessen. Vorwürfe
wollt ihr mir machen. Der Schwager Savigny, die
Tanten und du, alle. Geh, warum sollen wir uns
streiten. Erzähl mir lieber. Wie hat der Klemens
damals ausgeschaut? Hat man seine Dichterseele ge-
merkt? War er lustig?
Arnim: Der Klemens hat eine Zupfgeigen gehabt und
hat geklimpert. Und wir beide haben gesungen.
Bettina: O, warum bin ich nicht dabei gewesen. Ich
hab euch aber einen Becher geschickt, da habt ihr
Wein getrunken. Und du hast dich in die Trutschel
verliebt und hast das Lied über sie gemacht. War die
Trutschel schön?
Arnim: Ach, die Trutschel, die war anders als du.
Bettina: Da schmeckt ihm kein Essen und schmeckt ihm
kein Trinken, und wenn er soll arbeit', da möcht er
versinken.
Arnim: Und du hast dich in den Goethe verliebt und
schreibst ihm alle Tag' Brieferln. Und die Frau ist
schon ganz eifersüchtig. Und sie zerreißen sich die
Mäuler in Weimar und Frankfurt und München. Da
möcht ich versinken.
Bettina: Weißt du, das ist eine Gemeinheit, daß du so
über den Goethe sprichst.
Arnim: Warum, weil er Minister ist und Erzellenz.
Weil ihm die jungen Mädeln nachlaufen in Karls-
bad. Weil du im Himmel bist, wenn er dir einmal
eine Antwort gibt.
Bettina: Du sollst dich schämen. Weil er der Goethe
ist. Und weil ihr ihm zu Dank verpflichtet seid. Ohne
seine Rezension hätte kein Mensch euer Buch ge-
kauft.
Arnim: Ja Kochbüchel! Eine schöne Rezension. Wo
die Kochbücher liegen, soll das Wunderhorn liegen.
Bettina: Hat er nicht recht? Was sind denn für schöne
Gedichte darin. Die Martinsgans. Und was ist am
besten, die Buttermilch. Man trug ihm auf einen
Schweinebraten. Die Buttermilch war ihm besser-
geraten. Man trug ihm auf ein saures Kraut. Die
Buttermilch traf ihm besser die Haut.
Arnim: Hör auf!
Bettina: Aufhören! Weißt du, was das Schweinerne
kostet? Weißt du, was das Sauerkraut kostet? Weißt
du, was die Milch kostet?
Arnim: Hallo, da schauts her. Die Bettina ist unter
die Hausfrauen gegangen. Du wirst ja noch brav
werden. Spinn, spinn, meine liebe Tochter, ich kauf
dir ein paar Schuh.
Bettina: Ja, ja, meine liebe Mutter, auch Schnallen
dazu. Ich kann ja nicht spinnen, von wegen meinen
Fingern, meine Finger tun weh.
Arnim: Spinn, spinn, meine liebe Tochter, ich kauf
dir 'nen Mann.

Bettina: Ja, ja, meine liebe Mutter, da streng ich mich
an. Ich kann schon gut spinnen, von allen meinen
Fingern tut keiner nur weh.
Arnim: Du Mädel, wurst du jetzt die Dummheiten gehn
lassen.
Bettina: Der Platz in der Mitte muß frei bleiben.
Arnim: Ich werd nicht lang herum reden, ich frag
dich, ob du mich heiraten willst.
Bettina: Meine Mutter hat nur eine schwarzbraune
Kuh. Wer soll sie denn melken, wenn ich heiraten tu?
Arnim: Hast du den Goethe wirklich so gern?
Bettina: Was wißt ihr von Goethe. Ihr versteht ihn
alle nicht. Ich bin sein Kind, sein artig Mädchen.
Unter seinem Mantel hab ich mich versteckt. Er wird
mich auf den Händen tragen.
Arnim: Weißt du, daß er ein alter Herr ist?
Bettina: Er ist frischer als ihr alle.
Arnim: Er war's einmal. Was muß das für ein Kerl
gewesen sein. Als er den Götz hingeschmissen hat.
Als er noch grob war. Als er alle zum Narren ge-
halten hat. Wieland und Herder und die Hoheiten.
Sogar als er sich die Christine genommen hat. Jetzt
ist er gut konserviert. Nun kommen wir, die Jungen.
Weißt du, was das heißt, jung sein?
Bettina: Da fragst du mich. Auf eine Wiese laufen
und tanzen, die Hände aufhalten für das Wunderbare,
das kommen wird, einen Fluß hinunterschwimmcn.
Arnim: Mit den Armen drängen gegen die Helle, kühle
Flut, tief eintauchen, schwimmen im Bett der unter-
gehenden Sonne.
Bettina: Nein, wenn die Uferpflanzen seltsam flüstern
und man ein klein wenig Angst hat. Bei Nacht
immer im Streifen weißen flüssigen Mondlichts. Du,
uns sind einmal die Schachteln in den Main gefallen,
da bin ich ihnen nach und hab sie auch gekriegt.
Sonst wär's nichts gewesen mit der Maskerade am
Maskenball. Und die Lullu hat mir immer Polster-
gebracht, und Fliedertee hab ich trinken müssen.
Arnim: Und kennst du das. Wenn ich vorn Boden ein
Stück Erde nehme, fühl ich das Leben zucken in
meiner Hand. Ich höre soviel Stimmen, die Luft,
das Gras, die Vögel, sie rufen: mußt wandern,
wandern. Wenn ich zu einer Brücke komme, seh ich
in ihr die Kräfte fließen und kämpfen. Aber sie hält
fest und rvölbt sich. Und die Wellen ziehen ewig zu
Tal von den Bergen, die brennen im Morgenlicht.
Und ein Mädel möcht ich lieb haben.
Bettina: Lieb haben?
Arnim: Nicht spielen, nicht necken, nicht zaghaft die
Hände streicheln, nicht leise im Dunkel über die
Wangen fahren. Grenzenlos lieb haben. Ich hab
immer gewartet, aber ich rveiß, wenn es sich erfüllen
wird: Da werden Wasser rauschen, Tore springen, die
Flammen brausen hoch von den Altären. Und ich
werd ihr alles zeigen. Schau! Mein beglänztes Land,
ich schenk dir's. Liebes Mädel, Bettina, kannst du
mich nicht ein wenig leiden?
Bettina: Ja, Achim. Ich hab dich schon gern, aber ich
will nicht heiraten.
Arnim: Warum denn?
io;
 
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