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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 6
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Weigmann, Otto: Briefe von Schwinds an Ernst Förster
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0217

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riefe Moritz von Schwinds
an Ernst Förster.
Mitgeteilt und erläutert von Otto Weigmann.
Noch immer fehlt dem deutschen Volke die aus-
führliche Lebensgeschichte eines seiner Lieblinge: Moritz
von Schwinds. Erst neuerdings beginnt das überreiche
Material, das die letzten Jahre wiedererwachenden
Interesses für seine Kunst zutage gefördert haben, in zu-
sammenfassenden monographischen Darstellungen der
einzelnen Abschnitte Sichtung und Verarbeitung zu
finden. Nachdem H. Weizsäcker in seinem umfassend ange-
legten Werke über Frankfurter Kunst und Künstler*)
des Meisters Arbeitsjahre in der Mainstadt wenigstens
in den Hauptlinien festgelegt hat, folgte vor kurzem eine
eingehende Würdigung der wichtigen Karlsruher Zeit
in einer verdienstvollen Studie von Josef A. Beringer**).
Auf einer sorgfältigen Bearbeitung des neu eröffneten
einschlägigen Aktenmaterials aufbauend, hat der Verfasser
mit den vielen Unrichtigkeiten der seitherigen Darstellung
gründlich aufgeräumt und, da er sich angelegen sein ließ,
auch den in vergessenem Privatbesitz verborgenen künst-
lerischen Gelegenheitsarbeiten gewissenhaft nachzugehen,
die Kenntnis der in jenem Zeitraum entstandenen
Schwindschen Werke in nicht unbeträchtlichem Maße
erweitert.
Der Zufall will es, daß nachträglich auch die Briefe
wieder aufgetaucht sind, in denen Schwind selbst einen
Überblick über seine reiche künstlerische Tätigkeit für die
badische Landeshauptstadt gibt. So stellt sich der auf
gründlicher Forschungsarbeit beruhenden objektiven Dar-
stellung eine mehr subjektiv gefärbte zur Seite, die zwar
nur auf die Hauptwerke eingeht, aber doch als authen-
tischer Bericht des Künstlers in manchen noch schwebenden
Fragen klärend wirkt. Gerade bei dem einen Zyklus,
den sie besonders eingehend erläutern, den Philostra-
tischen Gemälden, treten Schwinds Aufzeichnungen
einer durch allzu freie Auslegung hervorgerufenen
Legendenbildung, die sich in der Literatur bereits fest
eingebürgert hatte, wieder entgegen; sie stellen auch
einwandfrei fest, daß eine ganze Reihe vom Kompo-
sitionen für dieKarlsruher Kunsthalle, die seither Schwinds
Namen trugen, wieder aus seinem Werke zu tilgen sind.
Schwinds temperamentvollen brieflichen Äußerungen
kann nicht immer die Bedeutung sicheren Quellen-
materials beigelegt werden. In seinen, ja nicht für die
Öffentlichkeit bestimmten Urteilen über Personen, über
künstlerische Fragen, ließ er sich vielfach von momentanen
Stimmungen leiten. Auch bei Wertung des persön-
lichen Inhalts der vorliegenden Briefe muß man die Zeit
und die etwas schwierigen Verhältnisse berücksichtigen,
denen sie entstammen. Der von Herbst 1840 bis Ostern
1844 währende Karlsruher Aufenthalt des Künstlers
war für sein Leben in zwiefacher Hinsicht von ein-

*) H. Weizsäcker: Kunst und Künstler in Frankfurt a. M.
1907. Frankfurt.
**) 2- A. Beringer: Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit.
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F. Bd. XXX.
Heft 2. Heidelberg 1915.

schneidender Bedeutung. Nach mancherlei Stürmen war
es ihm dort beschieden, sein Lebensschifflein in den
sicheren Hafen einer glücklichen Ehe zu steuern. Und auch
in künstlerischer Beziehung war sein Stern im Aufgehen
begriffen: mit den Fresken für die neue Kunsthalle
war ihm eine Aufgabe gestellt, an der er zum ersten Male
in Entwicklung eines einheitlichen monumentalen Pro-
grammes seine Kräfte frei entfalten konnte. Von Be-
geisterung und höchsten Hoffnungen erfüllt war der junge
Maler nach Vollendung der Kartons für das große Fresko
des Treppenhauses „Einweihung des Münsters zu Frei-
burg" im September 1840 seiner neuen Wirkungs-
stätte zugeeilt. Damals, inmitten regsten geistigen
Schaffens, schien es ihm, wie er, sich selbst ironisierend,
an eine befreundete Wiener Familie schreibt*), daß
Karlsruhe für ihn die interessanteste Stadt der Welt ge-
worden sei. „Es gibt keine schönere Gegend, keine schö-
neren Straßen, keine schöneren Sterne als hier", so lautete
damals das enthusiastische Urteil des angehenden Ehe-
mannes über seine neue Heimat. Das Glück sollte nicht
allzulange dauern. Noch vor Abschluß der vertraglichen
Arbeiten kam es zu Mißhelligkeiten zwischen der Bau-
leitung und dem Künstler, infolge deren sich das ehedem
freundschaftliche Verhältnis zu seinem Gönner, dem
Oberbaudirektor Hübsch, zu einem rein geschäftlichen ab-
kühlte. Als vollends aus Sparsamkeilsrücksichten ein
neuer größerer Auftrag, mit dessen Übertragung er be-
reits gerechnet hatte, die Ausschmückung der Baden-
Badener Trinkhalle mit Freskomalereien, an einen
weniger fordernden unbedeutenden Mitbewerber fiel,
da kannte sein verletzter Stolz nur noch den einen Ge-
danken, den Staub der ihn so schnöde behandelnden Stadt
so bald als möglich von den Füßen zu schütteln. In
seinen hohen Erwartungen bitter enttäuscht, nach dem
Weggang des ihm befreundeten Ministers von Blitters-
dorf auch in gesellschaftlicher Beziehung ziemlich verein-
samt, nahm der gekränkte Künstler mit Freuden seit 1843
die Unterhandlungen mit der Administration des Städel-
schen Kunstinstituts in Frankfurt auf, durch die ihm zwar
nicht eine feste Anstellung, aber doch ein größerer Auftrag
und die Überlassung eines Meisterateliers an der dortigen
Kunstschule in Aussicht gestellt wurde.
In dieser Fluchtstimmung wendet sich Schwind mit
den vorliegenden Briefen an den Kunsthistoriker Ernst
Förster**), mit dem er in München im Kreise des
Cornelius bekannt geworden war. Förster war damals
mit Franz Kugler Hauptmitarbeiter des Stuttgarter
Kunstblattes und hatte dort schon öfters kurze Berichte
über Schwunds Werke gebracht. Daß sich eine so ange-
sehene Zeitschrift nun auch einmal eingehender mit
seinem künstlerischen Schaffen befasse, daran war Schwind
*) Brief an die Damen Frau Therese und Fräulein Marianne
von Frech vom 17. Dezember 1841. Mitgeteilt von A. Trost
im Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, Bd. XIII, S. 159.
Wien 1903.'
**) Ernst Förster (1800—1885) hatte sich erst nach theologischen
und philosophischen Studien der Malerei in der Schule des Cor-
nelius gewidmet. Ein Auftrag des Kronprinzen Max von Bayern,
in Italien Zeichnungen nach älteren Meistern zu fertigen, chatte
ihn auf das Gebiet der kunstgeschichtlichen Forschung geführt. Seine
zahlreichen mit eigenhändigen Illustrationen ausgestatteten, viel-
bändigen kunstgeschichtlichen Werke sind auch heutzutage noch nicht
völlig veraltet.
 
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