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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 6
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Weigmann, Otto: Briefe von Schwinds an Ernst Förster
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0218

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Briefe Moritz von Schwinds an Ernst Förster.
gerade in der schwierigen Zeit des Überganges in eine
noch keineswegs gesicherte Ankunft besonders viel ge-
legen. „In einer Sackgasse wie Carlsruhe dürfte inan
Wunderwerke gemacht haben, es wäre umsonst. Denn
niemand weiß davon." So unterwirft sich der sonst
gegen Kritik sehr Empfindliche willig dem Urteil seines
gleichaltrigen Kunstgenossen und gibt ihm mit einer bei
ihm nicht gerade häufigen Weitläufigkeit die inhaltliche
Erklärung seiner Werke als Material für deren Be-
sprechung. Dieser Aweckgedanke und das Entstehen der
Briefe in einer Zeit starker seelischer Erregung, bestimmen
denn auch ihre Haltung: einerseits eine objektive Auf-
zählung und Gruppierung der Bildwerke, anderseits
scharfe Ausfälle auf Karlsruhe und die Persönlichkeiten,
die Schwinds jäh abbrechender dortiger Laufbahn im
Wege zu stehen schienen; den sonstigen Inhalt bilden meist
belanglose Mitteilungen über gemeinsame Bekannte.
Der Ton der Briefe ist auf Kameradschaft gestimmt.
Engere Freundschaft, wie sie aus den: köstlichen Brief-
wechsel mit dem Wiener Freundeskreis herauszufühlen
ist, hat die beiden wohl nie verbunden. Schwind hatte
gegen alles, was mit dein Kunstschreibertume zusammen-
hing, eine instinktive, unüberwindliche Abneigung; und
so hat es nichts Befremdendes, wenn wir hören, daß auch
der freundschaftliche Verkehr mit Förster wenige Jahre
später von Schwind aus Anlaß einer weniger günstigen
Kritik seines Bildes „Vater Rhein" in schroffster Weise
abgebrochen wurde*).
Es ist nicht anzunehmen, daß die hier zur Veröffent-
lichung gelangenden Briefe die gesamte Korrespondenz
Schwinds mit Förster umfassen. Auch die vorliegende
Reihe ist nicht vollständig; wie sich aus dem Zusammen-
hang ergibt, fehlt zwischen dem ersten und zweiten Brief
das Begleitschreiben, das mit einer Sendung von Zeich-
nungen an Förster abgegangen war. Der fünfte Brief,
der hier mit gütiger Erlaubnis des Besitzers, Herrn Oberst-
leutnant B. Förster, veröffentlicht wird, ist nur als
Bruchstück vorhanden. Die übrigen Schriftstücke mußten
zum Zwecke der Publikation vom Herausgeber aus den:
Münchener Antiquariatshandel erworben werden.
Ernst Förster hat damals, dem Wunsche seines Maler-
kollegen entsprechend, für das Kunstblatt auf Grund
der vorliegenden brieflichen Mitteilungen einen kurzen
Aufsatz über Schwinds Karlsruher Arbeiten nut beson-
derer Hervorhebung der Philostratischen Gemälde ge-
schrieben**). Dieser zeitgenössische Bericht bildete, von
H. Holland in seiner ersten Schwind-Biographie (1873)
beigezogen, bis in die jüngste Zeit in der kunstgeschicht-
lichen Literatur die einzige Grundlage für die Kenntnis
der wenig beachteten Bildcrreihe. Freilich erfährt inan
aus ihn: Näheres nur über den thematischen Inhalt
der Arbeiten, den der Künstler, auf einer Abhandlung
Goethes fußend, wie bekannt, der von den beiden Philo-
straten überlieferten Beschreibung einer antiken Gemälde-
*) Vergl. den Brief Schwinds vom 9. Dezember 1848 an
Julius Thaeter, veröffentlicht von Anna Thaeter in dem liebens-
würdigen Buche: Julius Tbaeter, das Lebensbild eines deutschen
Kupferstechers. II. Teil, S. 59. Frankfurt a. M. 1887.
**) Die Gemäldesammlung der Philostrate und einige andere
Arbeiten von M. v. Schwind in Karlsruhe. Kunstblatt (Beiblatt
des Morgenblattes für gebildete Leser), Stuttgart, Nr. 42, vom
27. Mai l845.

galerie entnommen hat. Mehr eine literarische Abhand-
lung über die Frage, in welchen: Umfange Schwind
die Anregung der Weimarer Kunstfreunde zu einer Art
Rekonstruktion des antiken Bilderkreises befolgt hat,
als eine Würdigung der Kunstwerke als solche, läßt das
Referat Försters keine klare Vorstellung von der räum-
lichen Anordnung der Kompositionen gewinnen.
Dieser Mangel an Anschaulichkeit hat in der neuesten
Schwindliteratur zu einer posthumen wissenschaftlichen
Auseinandersetzung nut Förster geführt. In feiner vor-
trefflichen, mit prächtigen Lichtdrucktafeln ausgestatteten
Monographie*) über die Schwindschen Philostratischen
Gemälde hat Richard Foerster, den: die Originalbriefe
noch nicht zur Verfügung gestanden hatten, seinen:
älteren Fachgenossen zun: Vorwurf gemacht, er habe zwar
mit Benutzung von Angaben des Künstlers, aber gewiß
nicht nach gehöriger eigener Anschauung das Werk be-
sprochen, „denn sonst hätte er sich nicht so starke Verstöße
gegen den Sachverhalt, insbesondere gegen die Ver-
teilung der Bilder zuschulden kommen lassen" (a. a. O.,
S. 4). Die wieder aufgefundenen Briefe zeigen, daß
dieser Tadel nur zun: Teil gerechtfertigt ist. Ernst Förster
hatte die Originalskizzen vor Augen, er war über die
räumliche Disposition durch die den Briefen beige-
gebenen Situationsskizzen unterrichtet. Wenn er gleich-
wohl die örtliche Verteilung nur mit wenigen Worten
beschreibt, so erklärt sich dies aus dem Umstande, daß für
ihn die künstlerisch formale Lösung der Aufgabe zurück-
trat hinter der philologisch inhaltlichen Seite des Themas,
der Auswahl der darzustellenden Vorwürfe aus den: von
Goethe wiederbelebten, weit umfangreicheren antiken
Programm.
Seine Einteilung in sieben Rubriken ist insofern nicht
folgerichtig, als er die Gruppen 1 und 2 der Schwind-
schen Aufzählung — Beweinung des Antilochos durch
Achill und Liebesannäherung — zu seiner Abteilung I
zusammenzieht, dann aber irrtümlich in der Schwind-
schen Numerierung fortfährt und das letzte (8.) Bild
(Tod des Arrhichio) als Anhang zu seiner Abteilung VII
behandelt. Nach Schwinds eigener Angabe sind von den
neun Goetheschen Rubriken acht bildlich gefaßt, von
denen sechs aus je einem größeren Wandgemälde mit
(5) thematisch zugehörigen Deckenbildern bestehen, zwei
jedoch, lediglich aus Raummangel, auf das Wandgemälde
beschränkt bleiben mußten.
Für die Ausführung der Entwürfe durch Gehilfen-
hand in den Räumen selbst, welche den Künstler nach
seiner (Försters) Auffassung „streng in den Grenzen
bloßer dekorativer Kunst hielten", hatte er offenbar wenig
Interesse. Die Verweisung dieser geistvollen, mono-
chromen Fresken in das minder gewertete Gebiet des
Dekorativen entsprach wohl der allgemeinen Auffassung
ihrer Zeit. Die unbequem zu betrachtenden Decken-
gemälde, die einen nicht ohne weiteres erkennbaren Ge-
dankengang entwickeln, fanden zur Zeit ihrer Entstehung
beim Publikum schwerlich eingehende Beachtung, ge-
schweige denn tieferes Verständnis; sie hätten sonst nicht
so gänzlich der Vergessenheit anheimfallen können, daß
ihre Reproduktion in den schönen Lichtdrucktafeln des
*) Moritz von Schwinds Philostratische Gemälde. Herausge-
geben von Richard Foerster. Leipzig 1903.

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