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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 3
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Schäfer, Lisbeth: Kriegergrabmal und Kriegerdenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0119

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Kriegergrabmal und Kriegerdenkmal.

frühere Generationen in Jahrhunderten. Denkt man frei-
lich an einen Teil dieser Denkmalskolosse, so möchte man
dringend wünschen, daß die Mittel nicht zu rasch für
ähnliche Niesenanlagen frei werden möchten, die uns auf
jeder Eisenbahnfahrt in Deutschland leider allzuoft als
kornische Silhouette begegnen. Die Mehrzahl der in
Mannheim ausgestellten Entwürfe bewegt sich in den
Formen der uns wohlbekannten Rotunden, Wachttürme,
auch der Pyramide, die offenbar als Erinnerung an das
Waterloo-Denkmal auftritt. Eine einzige Lösung, es
ist die von Professor Bonatz in Stuttgart zusammen mit
Professor U. Janssen, tragt das Merkmal einer Monu-
mentalität, die von der Umrißlinie ausgeht. Es ist
ein Triumphbogen von sechzig Meter Höhe und fünfzig
Meter Breite auf quadratischem Grundriß, dessen Flächen
aus breitgefugten braunroten und violetten Klinkern
bestehen sollen, die Pfeilerseiten denkt sich der Baumeister
mit figürlichen Darstellungen geschmückt — in edler
Steinhauerarbeit nach Entwürfen von Ulfert Janssen.
Mit seinen vier riesigen Toröffnungen kann dieser Bau,
wenn er sich, etwa in ziemlich baumloser Ebene, vielleicht
nicht weit von einer belebten Eisenbahnlinie erhebt, groß
genug wirken, uni als Sinnbild für alle Zeiten zu stehen,
wie die Gefahr dieses Krieges gleich einem Klotz in unser
Leben fiel.
Wie Denkzeichen, Nagelungsfiguren und Ehrentafeln
zu gestalten wären, dafür geben eine ziemliche Anzahl
von Entwürfen, die teils schon ausgeführt sind, Beispiele.
Die Schüler unseres deutschen Schriftkünstlers Professor

Ehmcke zeigen an Pergamentblättern und Holztafeln,
sogar mit einer Kreuzstichstickerei, daß jede, auch die
naivste Technik künstlerisch zu wirken vermag, die
Schnitzerschule Warmbrunn in Schlesien stellt ihre Holz-
tafeln aus; auf der alten Überlieferung der alten bäuer-
lichen Technik weiterarbcitend, will diese Schule das ver-
loren gegangene Gefühl für den Stil dieses Kunsthand-
werks wieder beleben; die Proben zeigen, daß gerade
für die bescheidenen Mittel kleiner Gemeinden sowohl
würdige wie künstlerisch gute Denktafeln und Erinnerungs-
zeichen zu beschaffen sind.
Eine besondere Abteilung bilden die nach Photo-
graphien und Reliefdarstellungen hier wiedergegebenen
Grabstätten und Kriegergrabmale, die draußen im Felde
von den Kameraden selbst errichtet wurden; es handelt
sich zumeist um die Gebiete, in denen badische Truppen
kämpften, sie mögen deshalb von besonderem Interesse
für alle sein, die an der Hand einer Skizze eine Vor-
stellung erhalten können, wo und wie die Garbstätte
eines ihrer dort ruhenden Angehörigen liegt. Die Aus-
schmückung hat immer so viel Liebevolles, selbst dann noch,
wenn es sich um ein im eiligen Vormarsch errichtetes
Grab handelt, daß es nicht richtig wäre, hier einen anderen
Maßstab als den der menschlichen Teilnahme anzulegen.
Die einfachen Kreuze aus Holz, die Ornamente aus
Steinen, wenn nichts anderes möglich ist der Steinhügel
aus Feldsteinen, sind wie ein Stammeln. Die Sprache
für das Gefühl, das darin liegt, wird einst der Künstler
schaffen müssen. f605sj L. S.

^Musikalische Erlebnisse.
Von Ernst Lissauer.
1. Musikautomaten
Spaziergänge am Kanal, unter den Linden, Besorgungen
im Zentrum: und wie man in ein Kaffeehaus tritt, um zu früh-
stücken, so, um einen anderen, helleren Durst zu löschen, betritt
man den Raum der musikalischen Automaten.
Ein Aschinger der Musik; eine Stehhörhalle: braune Kasten,
mit Glasscheiben gedeckt, sind, wie eine zweite Wand, die Wände
entlang gebaut; drehbare Sessel sind aufgestellt, in einen Halter
zwängt man den Stock, man nimmt Platz. Ein umfängliches
Bändchen ordnet die Stücke nach Sängern, nach Instrumenten;
wie die Verzeichnisse der Weine in den großen Restaurants Lesen
und Jahrgänge beziffern, so stehen hier Zahlen neben den Namen
der Platten. Man schraubt mit einer Kurbel eine Ziffer in den
Automaten; zinnerne Marken, kreisrund von der Größe einer
österreichischen Krone, lösen aus den musikhaltigen Wänden den
Ton. Eine Musikmünze: zehn Pfennige nach reichsdeutschem
Wert, doch sie vervielfacht sich, Zinn wird Gold, sobald man sie
in den Schlitz eingeworfen hat; wie das Geldstück in der Fernsprech-
zelle. Man hört die Rolle cinsetzen, wie man die Leitung ein-
schalten hört.
Und ist verbunden. Verbunden einem unbegreiflich fernen,
dem unsichtbaren Land, dem vernommenen Reich. Man hat
von München in Berlin über die Meilen her die geliebte Stimme
gehört und in München von Wien; aber nun schallt von Ort her,
der nicht Ort ist, von Zeit außer der Zeit, sopranisch jubelnd,
bassisch dunkelnd, Gesang von Stimme, die irgendwann, irgendwo
gesungen hat, Anschlag von Tasten, längst geschlagenen, singt
Strich von Bögen, längst gestrichenen, silbricht seidig auf der
Violine, sonor errauncnd auf dem Cello. Die Hörer an die Ohren
angepreßt, horcht man dem Klang, der von fernher kommt. Glück-
selige Partner sieht man, jenseits, am andern Ende des geträumten
Ferndrahts: Musik spricht.
Das Stück schließt; man hängt an. Draußen Lärm und Tag;
Autobusse wuchten vorbei, Pferde gehen über den Asphalt, Gecken,

Dirnen, Schieber, Soldaten, Hausdiener, Damen; vorüber wim-
melt, rechtswärts, linkswärts, quer, das bunte Volk des Tags,
zu dem wir selbst gehören, aus dem wir stiegen — lang, vor Musik-
minuten, — in das wir nun tauchen, zurück. Hier ragt ein verspreng-
tes Kliff, Gefels unwirklicher Formation mitten im Wirklichen;
tönende Hallig mitten im Geräusch und Geräusch.
2. Dank an Kammermusiker
Da haben sich vor zehn Jahren ein paar Musizi, die in der
königlichen Kapelle vor ersten Pulten sitzen, zu einem zierlichen
Orchester zusammengetan: lauter paies und primi intoi- Mros.
Sie haben — das Wort im höchsten Sinne genommen — etwas
Werkmeisterliches. Wenn man sie beisammen sitzen sieht, so ist es,
als blicke man in ein Nürnbergisch Bratwurstglöcklein musikalischer
Zunft, wo einst Peter Vischer und Adam Krafft beisammen saßen:
lauter kräftige Talente, anwendend ihre reiche Kunst zu Zierat
und Erbauung täglichen Lebens, mit Festlichkeit durchwirkend
den Alltag, klingende Bürgersleute, Männer des solidesten Könnens,
das von selbst hohe Kunst wird, Kleinmeister der Musik, ein großer
Serenaden- und Oktettmeister ein jeglicher. Getriebene Arbeit
bieten sie, bis in die geblasenen Rosetten und gestrichenen Ara-
besken. Keiner drängt vor, einmal führt die Flöte, einmal die
Geige, heut das Klavier, in vier Wochen das Horn. Sie haben
keinen Dirigenten, aber unsichtbar über ihnen schwebt geisthaft
ein Stab: immer fühlen sie sich verantwortlich einem der Ge-
waltigen, denen sie dienen: Beethoven taktiert mit eilender Wucht,
Mozart mit tanzendster Leichtigkeit, Haydn mit schlenderndem
Frohsinn. Manchmal verwandelt sich der Saal, und die Sechse
oder Sieben sitzen nicht in Fräcken auf dem hölzernen Podium,
sondern stehen in schmierigen schwarzen Röcken auf steinerner
Fahrstraße vor einem Balkon oder Gassenerker, sie spielen für
einen barönlichen Liebhaber ein Ständchen, oder sind Eichen-
dorffsche Musikanten und bringen eine Iosephstädter Straßenmusik.
So mächtig ist diese Musik: löst Mauer und Tag, führt uns
zurück in vorkonzertliche Zeit, auf Straßen und Märkte. Und einen
andern Beethoven lernt man hier kennen, der die Oboen spielen
läßt wie ein Löwe seine Jungen, einen gutmütigen Löwen
Beethoven, neckend und geneckt. Leicht wird einem hier; auch die

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