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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 3
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Schäfer, Lisbeth: Kriegergrabmal und Kriegerdenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0118

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Kriegergrabmal und Kriegerdenkmal.

neuer Bildersprache etwas von dem dahinfegenden,
messerscharfen Willen hat, der in den Kämpfen dieser
Tage lebt. Dieses und Willi Geigers „An die Pferde"
sind frei von dem Pathos einer Symbolik, die zwar leicht
zu verstehen, aber verbraucht und für unsere Zeit unecht
ist. Das Pathos unserer Zeit ist nicht mit der Bilder-
sprache einer vergangenen, im Vergleich zu ihr allzu sanf-
ten, auszudrücken. Nicht was alle verstehen können,
soll der Künstler aussprechen, sondern er soll dem Ausdruck
verleihen, was alle fühlen, für das aber noch niemand
Worte oder Bilder und Töne finden konnte, weil es bis-
her noch nicht da war. So betrachtet, bleiben nur wenige
auch von den Plastiken bestehen. Vielleicht ist es noch
zu früh, um dem eine greifbare Gestalt zu geben, was uns
allen noch so unfaßbar ist; vielleicht hat der Bildner,
der wie andere Vater seinen Sohn in den unbekannten
Tod des Schützengrabens schicken mußte, noch nicht die
Hand gehoben, die den Meißel führt, um den Opfertod
der Sohne und den Schmerz der Väter auf ewig in den
Stein zu schreiben; vielleicht kämpft der Künstler noch
selbst draußen mit der Waffe, der uns einst das Denkmal
des Heldentums schaffen soll, das ihn draußen täglich
umgab. Sicher ist, daß unter den vielen Plastiken, die
man im Nahmen einer anderen als dieser Ausstellung
sicher würdigen müßte, kaum eine ist, die mehr als einen
äußerlichen Zusammenhang mit der Aufgabe hätte,
welche diese Zett stellt. Da ist jedoch ein Entwurf von Pro-
fessor Albiker in Ettlingen, den er noch vor dem Krieg
für die Konkurrenz der Stadt Freiburg gemacht hat,
als die ein Denkmal den zweihundert kaiserlichen Grena-
dieren setzen wollte, die beim Sturm auf Freiburg fielen.
Die drei Figuren der Grenadiere, die auf einem hohen
vierkantigen Sockel über Augenhöhe stehen, sind aus dem
durchaus modernen Empfinden geschaffen, daß solche
Figuren nicht eine zufällig daraufgesetzte symbolische
oder realistische Gruppe sein dürfen, sondern daß es sich
beim Erinnerungsmal um ein Dokument handelt, gleich-
sam um einen neuen Buchstaben, der unbedingt und
unvergeßlich die Idee des Denkmals ausruft. Die rhyth-
mische Anordnung der drei Gestalten, die angreifen,
sich verteidigen, hinstürzen, ist so ausdrucksvoll, daß
vielleicht dieser Künstler dem neuen Ausdruck damit am
nächsten gekommen ist, obwohl Absicht und Idee des
Monuments auf das Andenken einer Tat zielen, die nun
fast ein Jahrhundert hinter uns liegt. Ähnlich ist es be-
schaffen mit dem Entwurf zu einem Glasfenster von
G. Mathey. Die Gestalt des schwebenden Engels ist so
fern von der schematischen Symbolik, daß man sich eine
solche Scheibe sehr wohl als Denkmal derer vorstellen
könnte, die, von niemand gefunden, an unbekannten
Orten mit dem letzten Seufzer in die Allmacht eingingen.
Sind dies wenige Beispiele einer Kunst, die aus dem
Gefühl einer neuen Zeit stammt, so muß man die große
Zahl der anderen ausgestellten Lösungen unter dem Ge-
sichtspunkt werten, welche Möglichkeiten die verschiedenen
gestellten Aufgaben zulassen. Dabei wird auffällig, wie
stark meist die Anlehnung an die Beispiele bleibt, die in
der historischen Abteilung hervorragen. Selbst die ein-
fachen Lösungen des Reihengrabes und der Ehrenfried-
höfe haben ihre kaum zu übertreffenden Vorbilder in den
Friedhofsanlagen aus Zillertal und aus Obermarchtal,

die dort nach den Freiheitskämpfen angelegt wurden.
Namentlich die ebenso schlichte wie eindrucksvoll wirkende
stufenförmige Rasenbankanlage auf dem Ehrenfried-
hof in Zillertal, die für jeden Kämpfer die Platte mit den
Daten oben und eine große steinerne Kugel zu Füßen zeigt,
dürfte kaum zu übertreffen sein.
Die großen Friedhofsanlagen, wie die von Pflaume
in Köln oder Gildemeister in Bremen, gehen im ganzen
auf die Bestrebungen zurück, unsere zu bloßen Gräber-
und Denksteinfeldern gewordenen Kirchhöfe wieder nach
einein sinnvollen Plan aufzuteilen und die Bepflanzung
einem gemeinsamen Gedanken unterzuordnen. Architekt
Harry Maaß aus Lübeck betont dabei eine Notwendigkeit,
die wir gewiß begrüßen dürfen, das ist die, solche Ehren-
friedhöfe in den grünen Parkgürtel einzufügen, der in
den modernen Stadterweiterungsplänen eines der glück-
lichsten Motive ist. Jedenfalls eigentümlich ist der Plan
von Lebrecht Migge, Hamburg, zu nennen, der sich die
Kriegerfriedhöfe als eine Art Wappen- oder Fahnentuch
denken möchte, das die Soldaten deckt. Er gibt ganz ins
einzelne gehende Anweisungen, die durch gefärbte Modelle
unterstützt sind, wie die einzelnen Gräberreihen mit
farbigen Blumen zu besetzen sind, wobei er die Farben-
abstufungen berechnet, welche durch Blüte und Welken
jeder Pflanzengattung hervorgerufen werden. Einer
dieser Pläne ist als Garnisonfriedhof von Wilhelmshaven
schon in der Anlage begriffen, der andere ist für eine Fried-
hofsanlage in Evere bei Brüssel geplant. So freundlich
der Gedanke anmutet, unsere Soldaten unter einen
immer bunten Blumenteppich zu betten, so schwer wird
der Einwurf der nötigen Unterhaltungskosten einer
solchen Anlage wiegen, die doch über Jahre und Jahr-
zehnte hinaus das Andenken bewahren soll.
Ganz besonders für den Teil der Ausstellung, der das
Einzelgrabmal, Massengrab, Gedenkbrunnen und Er-
innerungszeichen behandelt, tritt der auffällig starke
Anteil der österreichischen Künstler in Erscheinung. Selbst
da, wo bekannte Motive auftreten, zeigen ihre Entwürfe
alle ein neues Empfinden für die Umgebung, den Stand-
ort und die Größe des Monumentes. Die säuberlichen
Darstellungen der Entwürfe geben durch einen gemein-
samen Stil in der Zeichnung zu erkennen, daß in Österreich
die Frage des Soldatengrabmals und der Kriegsdenkmale
grundsätzlich angefaßt wurde. Das k. k. Gewerbeförde-
rungsamt hat mit Hilfe der Wiener Kunstgewerbeschule
und ihrer Lehrkräfte schon eine mustergültige Arbeit ge-
leistet, indem es nicht nur allgemeine Leitsätze für die
verschiedenen Forderungen dieser neuen Frage aus-
arbeiten ließ, sondern auch schon durch eine beträchtliche
Anzahl von Entwürfen für jede Art von Denkmal,
Gräberanlage und Grabzeichen gewissermaßen Formeln
feststellte. Die Frucht dieser organisatorischen Arbeit ist
in einem Werk „Soldatengräbcr und Kriegerdenkmale"
niedergelegt, auf das einzugehen einer besonderen Ver-
öffentlichung Vorbehalten bleiben soll.
Wie ein Nationaldenkmal zu schaffen wäre, scheint den
weitaus meisten Künstlern nicht nur die verlockendste, son-
dern auch die nötigste Aufgabe gewesen zu sein. Gewiß
ein Zeichen für das keincsuwgs geringe Selbstgefühl unserer
Künstler, die gerade auf dem Gebiet des Völkerdenkmals
in den letzten dreißig Jahren mehr leisten durften, als
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