#
Fr. Bilek
„Hui... die Zeichen sehn nach Krieg aus!"
OHNE IHN GEHT'S NICHT
Als die bedeutendste Leistung des bayerischen Land-
tags nach der Schaffung des „Gesetzes zur Anmel-
dung von Früh- und Fehlgeburten" ist zweifellos
die Geburt eines ^setzentwurfes über den baye-
rischen Rundfunk anzusehen. Natürlich steht hier
der Andrang der Interessenten in keinem Verhältnis
zu dem damaligen Andrang von Früh- und Fehl-
geburten, wiewohl es sich in beiden Fällen um
produktive, weil schöpferische Arbeit handelt; denn
welche Behörde, welcher Fach- oder Berufsverband
und welche Religionsgemeinschaft werden es sich ent-
gehen lassen wollen, ein bißchen an dem allseits
bemängelten Radioprogramm herumzugestalten? So
beschäftigt sich nun der kulturpolitische Ausschuß 1
des Landtags seit dem 15. März, d. i. seit vier
Monatefi, intensiv mit der Auslese der vielen Rund-
funkratsaspiranten, und es wäre in Anbetracht die-
ser Ausdauer zumindestens verfehlt, von einer
Frühgeburt sprechen zu wollen.
> * i
i
Als Berater mit programmgestaltender Funktion
wurden bisher folgende Vertreter in Betracht ge-
zogen: Ein Mitglied der bayerischen Staatsregie-
rung, fünf Vertreter des Landtags, drei des Senats,
je ein Vertreter der katholischen, der evangelischen
Kirche und der israelitischen Kultusgemeinden, je
ein Vertreter der Gewerkschaften, des Bauernver-
bandes, der Industrie- und Handelskammern und
der Handwerkskammern, je ein Vertreter des
Städteverbandes und des Landkreisverbandes, drei
Frauenvertreterinnen aus Gewerkschaft, Bauern-
verband und den kirchlichen 'Frauenorganisationen,
ein Vertreter des Landesjugendringes, ein Vertreter
des Landessportverbandes, je ein Vertreter der
Musiker-, Komponisten- und Schriftstellerorgani-
sationen, der Intendant der Staatsoper, ein Vertreter
der Schauspielbühnen, ein Vertreter des Berufs-
journalistenverbandes, ein Vertreter der Universi-
täten und Hochschulen, drei Vertreter des Landes-
schulbeirates. Diese Elite einheimischen Geistes-
lebens würde —wie wäre es auch anders denkbar—
durch die Staatsregierung in den RundTunkrat be-
rufen. So darf man mit Recht darauf gespannt Sein:
a) wie das Programm der also Berufenen sich an-
hören wird, b) welches Gummimanndl von Intendant
sich bei alleiniger Verantwortung (sie!) für dag
Programm auf die Dauer gegen den dreiunddreißig-
köpfigen Rat wird behaupten können "und c) was
der Rat wohl mit den monatlich anfallenden 2 Mil-
lionen D-Mark für Sprünge machen wird. — Einst-
weilen laßt uns an die Rundfunkfndustrie appel-
lieren: Baut preiswerte, , aber leistungsfähige
Fern empfänger.
*
Unter uns gesagt, was hat eigentlich der Staat in
einer Institution zu suchen, die der „Unterhaltung
und Aufklärung" dienen soll? Welche unterhalt-
lichenx Seiten hat uns denn der Staat bisher- gezeigt,
von Landtagssitzungen, »öffentlichen Empfängen und
Gedenkfeiern abgesehen? Und wann hat ein deut-
scher Staat schon einmal aufklärend gewirkt, um von
seinen amtlichen Bekanntmachungen und Verlaut-
barungen nicht zu sprechen? Der Staat in der uns be-
kannten Form existiert doch letzten Endes vermöge
der Unaufgeklärtheit des Volkes, ja er ist gerade
H. Steller
um ihretwegen eine leidige ^Notwendigkeit. Item
verstößt wirkliche Aufklärung von Natur gegen -die
Staatsinteressen. Oder war es am Ende die Staats-
regierung, die Sie z. B. über Ministerzulagen auf-
geklärt hat?
*
Und was mögen wohl die Vertreter der zahlreichen
Berufs- und Fachverbände in dem erlauchten Gre-
mium zu suchen haben? Mit Ausnahme der Musiker
und Literaten werden sie vermutlich mit Starkbier-
ernst darüber wachen, daß man ihre Berufs- und
Fachbelange gehörig unter die Leute bringt und
ihren Mitgliedern über den Aether kein Leids ge-
schieht, wohingegen die Religionsgemeinschaften
dafür Sorge tragen werden, daß ihren Mitgliedern
über den Aether kein Leids geschieht und die Sitt-
lichkeit unter den Hörern drahtlos Einzug hält.
Welche Interessen die etwas mysteriösen Verbände
wie „Städteverband" und „Landkreisverband" dort
zu wahren gedenken, \yrd sich in den 18 Stunden
zwischen Morgengymnastik und Mitternacht in Mün-
chen sicher irgendeinmal herausschälen.
*
Ist diese komplizierte Ueberwachungs-, Kontroll-
und Bremsapparatur wirklich notwendig? Am Ende
wegefi der zwei Millionen Mark Rundfunkgebühren?
— Wenn es nun einmal nicht dazu reicht, einen
kleinen Rat von bewährten Musikern, Literaten,
Technikern und Verwaltungsfachleuten auf die Beine
zu stellen, so möge man es wenigstens vorher mit
einem Gremium versuchen, bestehend aus: drei Mit-
gliedern des Landesamtes für Denkmalspflege, zwei
Mitgliedern des Hauses Wittelsbach, dem Dekan
der psychiatrischen Fakultät, zwei Mitgliedern des
bayerischen Trachtenvereins, einem Mitglied des Win-
zerer Fähnleins, zwei Mitgliedern des Benediktiner-
ordens und einem Mitglied des Landesernährungs-
amtes Gruppe Milchbewirtschaftung. Wetten, daß
unsere bayerischen Belange hinreichend gewahrt
bleiben und einer hinlänglichen Freiheit des Wortes
sowie der Darbietung eines wirklich hörenswerten
Programms nichts Ernstliches im Wege stünde?
Aber bleiben wir bei der Fehlgeburt."
Wir melden sie hiermit vorsorglich an, wie das
Gesetz uns befahl. . M. Schrimpf
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Fr. Bilek
„Hui... die Zeichen sehn nach Krieg aus!"
OHNE IHN GEHT'S NICHT
Als die bedeutendste Leistung des bayerischen Land-
tags nach der Schaffung des „Gesetzes zur Anmel-
dung von Früh- und Fehlgeburten" ist zweifellos
die Geburt eines ^setzentwurfes über den baye-
rischen Rundfunk anzusehen. Natürlich steht hier
der Andrang der Interessenten in keinem Verhältnis
zu dem damaligen Andrang von Früh- und Fehl-
geburten, wiewohl es sich in beiden Fällen um
produktive, weil schöpferische Arbeit handelt; denn
welche Behörde, welcher Fach- oder Berufsverband
und welche Religionsgemeinschaft werden es sich ent-
gehen lassen wollen, ein bißchen an dem allseits
bemängelten Radioprogramm herumzugestalten? So
beschäftigt sich nun der kulturpolitische Ausschuß 1
des Landtags seit dem 15. März, d. i. seit vier
Monatefi, intensiv mit der Auslese der vielen Rund-
funkratsaspiranten, und es wäre in Anbetracht die-
ser Ausdauer zumindestens verfehlt, von einer
Frühgeburt sprechen zu wollen.
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Als Berater mit programmgestaltender Funktion
wurden bisher folgende Vertreter in Betracht ge-
zogen: Ein Mitglied der bayerischen Staatsregie-
rung, fünf Vertreter des Landtags, drei des Senats,
je ein Vertreter der katholischen, der evangelischen
Kirche und der israelitischen Kultusgemeinden, je
ein Vertreter der Gewerkschaften, des Bauernver-
bandes, der Industrie- und Handelskammern und
der Handwerkskammern, je ein Vertreter des
Städteverbandes und des Landkreisverbandes, drei
Frauenvertreterinnen aus Gewerkschaft, Bauern-
verband und den kirchlichen 'Frauenorganisationen,
ein Vertreter des Landesjugendringes, ein Vertreter
des Landessportverbandes, je ein Vertreter der
Musiker-, Komponisten- und Schriftstellerorgani-
sationen, der Intendant der Staatsoper, ein Vertreter
der Schauspielbühnen, ein Vertreter des Berufs-
journalistenverbandes, ein Vertreter der Universi-
täten und Hochschulen, drei Vertreter des Landes-
schulbeirates. Diese Elite einheimischen Geistes-
lebens würde —wie wäre es auch anders denkbar—
durch die Staatsregierung in den RundTunkrat be-
rufen. So darf man mit Recht darauf gespannt Sein:
a) wie das Programm der also Berufenen sich an-
hören wird, b) welches Gummimanndl von Intendant
sich bei alleiniger Verantwortung (sie!) für dag
Programm auf die Dauer gegen den dreiunddreißig-
köpfigen Rat wird behaupten können "und c) was
der Rat wohl mit den monatlich anfallenden 2 Mil-
lionen D-Mark für Sprünge machen wird. — Einst-
weilen laßt uns an die Rundfunkfndustrie appel-
lieren: Baut preiswerte, , aber leistungsfähige
Fern empfänger.
*
Unter uns gesagt, was hat eigentlich der Staat in
einer Institution zu suchen, die der „Unterhaltung
und Aufklärung" dienen soll? Welche unterhalt-
lichenx Seiten hat uns denn der Staat bisher- gezeigt,
von Landtagssitzungen, »öffentlichen Empfängen und
Gedenkfeiern abgesehen? Und wann hat ein deut-
scher Staat schon einmal aufklärend gewirkt, um von
seinen amtlichen Bekanntmachungen und Verlaut-
barungen nicht zu sprechen? Der Staat in der uns be-
kannten Form existiert doch letzten Endes vermöge
der Unaufgeklärtheit des Volkes, ja er ist gerade
H. Steller
um ihretwegen eine leidige ^Notwendigkeit. Item
verstößt wirkliche Aufklärung von Natur gegen -die
Staatsinteressen. Oder war es am Ende die Staats-
regierung, die Sie z. B. über Ministerzulagen auf-
geklärt hat?
*
Und was mögen wohl die Vertreter der zahlreichen
Berufs- und Fachverbände in dem erlauchten Gre-
mium zu suchen haben? Mit Ausnahme der Musiker
und Literaten werden sie vermutlich mit Starkbier-
ernst darüber wachen, daß man ihre Berufs- und
Fachbelange gehörig unter die Leute bringt und
ihren Mitgliedern über den Aether kein Leids ge-
schieht, wohingegen die Religionsgemeinschaften
dafür Sorge tragen werden, daß ihren Mitgliedern
über den Aether kein Leids geschieht und die Sitt-
lichkeit unter den Hörern drahtlos Einzug hält.
Welche Interessen die etwas mysteriösen Verbände
wie „Städteverband" und „Landkreisverband" dort
zu wahren gedenken, \yrd sich in den 18 Stunden
zwischen Morgengymnastik und Mitternacht in Mün-
chen sicher irgendeinmal herausschälen.
*
Ist diese komplizierte Ueberwachungs-, Kontroll-
und Bremsapparatur wirklich notwendig? Am Ende
wegefi der zwei Millionen Mark Rundfunkgebühren?
— Wenn es nun einmal nicht dazu reicht, einen
kleinen Rat von bewährten Musikern, Literaten,
Technikern und Verwaltungsfachleuten auf die Beine
zu stellen, so möge man es wenigstens vorher mit
einem Gremium versuchen, bestehend aus: drei Mit-
gliedern des Landesamtes für Denkmalspflege, zwei
Mitgliedern des Hauses Wittelsbach, dem Dekan
der psychiatrischen Fakultät, zwei Mitgliedern des
bayerischen Trachtenvereins, einem Mitglied des Win-
zerer Fähnleins, zwei Mitgliedern des Benediktiner-
ordens und einem Mitglied des Landesernährungs-
amtes Gruppe Milchbewirtschaftung. Wetten, daß
unsere bayerischen Belange hinreichend gewahrt
bleiben und einer hinlänglichen Freiheit des Wortes
sowie der Darbietung eines wirklich hörenswerten
Programms nichts Ernstliches im Wege stünde?
Aber bleiben wir bei der Fehlgeburt."
Wir melden sie hiermit vorsorglich an, wie das
Gesetz uns befahl. . M. Schrimpf
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Hui...die Zeichen sehn nach Krieg aus!"; "Ohne ihn geht's nicht!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Hui...die Zeichen sehn nach Krieg aus!"
Kommentar
Signatur: H. Steller
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 14, S. 161.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg