ÄRZTE-ÜBERHANG
E. Croissant
„Kruzitürk'n, i wollt' ja bloß mei Alte besuch'n!"
Die Biographie von Dr. Schumacher
Das Leben eines prominenten Politikers hat nicht
nur für einen Autor etwas Bestrickendes. Es gibt
Momente in einem solchen Leben, die ganz allge-
mein interessieren. Ich meine da um Gottes willen
nichts Belastendes. Schönheitsfehler hat schließlich
jeder. Der eine im Gesicht und der andere am —
am Fragebogen oder dergleichen. Aber unbestrit-
ten bleibt doch der Reiz einer ausgeprägten Per-
sönlichkeit.
Nach eingehenden Studien schrieb ich eine Bio-
graphie über Dr. Schumacher. Quellenstudium
wurde durch reizvolle Anekdoten ersetzt, die so
wahr waren, daß — hätte Dr. Schumacher sie ge-
lesen — er selbst sicher hell entzückt gewesen
wäre, wieviel nette Episoden es in seinem Leben
gegeben und wieviel nette Aussprüche er getan
hätte, wenn alles immer so gekommen wäre, wie
der Autor es gewollt hätte.
Es wurde ein starkes Buch. Nun machte ich mich
auf die Suche nach einem Verleger. Ein Verleger
ist für den Autor gewissermaßen ein Geburtshel-
fer: Erst tut er so, als sei er die Hauptperson und
hätte er die ganze Sache allein gemacht, und
schließlich macht er dann das ganze Geschäftchen.
Es war schwierig, einen Verleger zu finden. Aber
endlich hatte ich einen, der sich ernsthaft für mich
interessierte.
„Bravo, junger Mann", sagte er, „Sie sind mein
Mann. Ihr Buch ist großartig. Es ist wegweisend.
Zeigt e6 doch, daß auch wir Persönlichkeiten ha-
ben, die es verdienen, daß man über sie nach-
denkt."
„Vielen Dank," entgegnete ich hocherfreut. „Und
wie würden Sie das Büch herausbringen? Bei einer
Auflage von 10 000 Exemplaren könnte vielleicht
ein Vorschuß von —."
„Dies später," schnitt er mir die Rede ab. „Denn
es wäre da noch einiges zu bedenken, Kleinig-
keiten, die geändert werden müßten —."
„Oh!"
„Nein, nein, nicht viel. Nur eben — sehen Sie,
Dr. Schumacher ist ein Mann der Oeffentlichkeit.
Das Buch wird von sozialdemokratischer Seite
sehr beachtet werden. Eine gewisse ?dealisierung,
eine sagen wir vernunftsgemäß begrenzte He-
roisierung — Sie verstehen, was ich meine — es
sind Kleinigkeiten und —."
Ich ging heim und arbeitete vier Wochen im
Schweiße rneines Angesichts. Ich kam wieder.
„Großartig," sagte der Verleger, .einfach groß-
artig. Ich wußte ja, daß Sie es schaffen würden."
„Gott sei Dank", fiel mir ein Stein vom Herzen,
„also dann könnten wir ja der geschäftlichen Seite
nähertreten und —."
„Allerdings," wurde ich unterbrochen, „lag natür-
lich die Gefahr nahe, von einem Extrem in das
andere zu fallen. Sie haben das glänzend vermie-
den. Aber ein Verlag muß auch die geschäftliche
Seite berücksichtigen. Die Welt besteht nicht nur
aus Sozialdemokraten." Werden Sie also den Feh-
lern Dr. Schumachers nicht Rechnung tragen, so
wird uns in den CDU-Zeitungen eine Kritik ent-
gegenwehen, die — und damit kann ja weder
Ihnen noch mir gedient- sein. Deshalb —."
Ich ging nach Hause, sah kritisch durch, versah
mit Anmerkungen, kommentierte und —.
„Also einfach prächtig," rief der Verleger enthu-
siastisch aus, als wir uns wiedersahen. „Lassen
Sie uns von einem Vorschuß reden — sobald Sie
noch einen kleinen Gesichtspunkt — verstehen Sie
mich recht, aber Politik ist eine schwere Kunst
und — also wenn das Buch keine antisowjetische
Tendenz hat, dann sehe ich schwarz für einen
Vertrieb im Westen, wenn es aber am Marshall-
plan ein gutes Haar läßt und in der Einleitung
Marschall Stalin nicht dankbar erwähnt ist, dann
können wir im Osten von vornherein einpacken.
Also wenn Sie diese Kleinigkeit noch —."
Ich nahm mein Werk, ging heim und weinte bit-
terlich. Dann tat ich, was zu tun mir befohlen
und —.
„Wundervoll," sagte der Verleger, als er es wie-
der in Händen hielt, „ich wußte ja, Sie sind mein"
Mann. Sie schreiben witzig, launig, mit Esprit,
jedermann wird an dem Buch seine helle Freude
haben. Aber das Thema — Sie wissen ja — der
Mensch eckt so leicht an und — mein lieber jun-
ger Freund, ich nehme das Manuskript sofort —
aber ändern Sie mir nur eine Kleinigkeit: Lassen
Sie 'n Dr. Schumacher weg!" G. W. Borth
Geschichte in Stichwörtern
Kurfürst Friedrich Wilhelm der Große. — Kai-
ser Wilhelm der Zwote. — Pieck Wilhelm der
Erste. _
Bismarck regierte gegen das Parlament —
Bethmann-Hollweg mit — Hitler ohne — der
Ausbruch eines Krieges wurde in keinem Fall
verhindert. Kleiner Mann, was nun?
Sudetenfrage — Monetenfrage. Korridor —
Luftbrücke. Tiso — Tito. Eintopf — Suppen-
Festung. _
Pickelhauben
Goldstücke —
— Gasmasfeen — Maulkörbe.
Eisenscheine — Plünderbogen.
Freikarten nach dem Osten nur gegen Hingabe
an das Morgenrot. — Fahrkarten nach dem
Osten nur gegen Abgabe eigener Schienen. —
Wanderkarten nach dem Osten nur gegen Auf-
gabe der eigenen Gesinnung.
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schraube um
Schraube, Plan um Plan.
Zurück! fhr rettet die Altmark nicht mehr!
(Aus der Bürgschaft von Molotow.)
Panzerkreuzer Potemkin lief gestern den Hafen
von Sidney an. Won Australien fehlt seitdem
jede Spur. —
Bei einer eventuellen Atomzertrümmerung der
Erde wird dafür gesorgt werden, daß alle
Flüchtlinge auf dem Mond ihre alte Steuer-
nummer wieder bekommen.
Wir heißen Euch hoffen! (Aus demFUm,,Finale".)
Georg Büsing
186
E. Croissant
„Kruzitürk'n, i wollt' ja bloß mei Alte besuch'n!"
Die Biographie von Dr. Schumacher
Das Leben eines prominenten Politikers hat nicht
nur für einen Autor etwas Bestrickendes. Es gibt
Momente in einem solchen Leben, die ganz allge-
mein interessieren. Ich meine da um Gottes willen
nichts Belastendes. Schönheitsfehler hat schließlich
jeder. Der eine im Gesicht und der andere am —
am Fragebogen oder dergleichen. Aber unbestrit-
ten bleibt doch der Reiz einer ausgeprägten Per-
sönlichkeit.
Nach eingehenden Studien schrieb ich eine Bio-
graphie über Dr. Schumacher. Quellenstudium
wurde durch reizvolle Anekdoten ersetzt, die so
wahr waren, daß — hätte Dr. Schumacher sie ge-
lesen — er selbst sicher hell entzückt gewesen
wäre, wieviel nette Episoden es in seinem Leben
gegeben und wieviel nette Aussprüche er getan
hätte, wenn alles immer so gekommen wäre, wie
der Autor es gewollt hätte.
Es wurde ein starkes Buch. Nun machte ich mich
auf die Suche nach einem Verleger. Ein Verleger
ist für den Autor gewissermaßen ein Geburtshel-
fer: Erst tut er so, als sei er die Hauptperson und
hätte er die ganze Sache allein gemacht, und
schließlich macht er dann das ganze Geschäftchen.
Es war schwierig, einen Verleger zu finden. Aber
endlich hatte ich einen, der sich ernsthaft für mich
interessierte.
„Bravo, junger Mann", sagte er, „Sie sind mein
Mann. Ihr Buch ist großartig. Es ist wegweisend.
Zeigt e6 doch, daß auch wir Persönlichkeiten ha-
ben, die es verdienen, daß man über sie nach-
denkt."
„Vielen Dank," entgegnete ich hocherfreut. „Und
wie würden Sie das Büch herausbringen? Bei einer
Auflage von 10 000 Exemplaren könnte vielleicht
ein Vorschuß von —."
„Dies später," schnitt er mir die Rede ab. „Denn
es wäre da noch einiges zu bedenken, Kleinig-
keiten, die geändert werden müßten —."
„Oh!"
„Nein, nein, nicht viel. Nur eben — sehen Sie,
Dr. Schumacher ist ein Mann der Oeffentlichkeit.
Das Buch wird von sozialdemokratischer Seite
sehr beachtet werden. Eine gewisse ?dealisierung,
eine sagen wir vernunftsgemäß begrenzte He-
roisierung — Sie verstehen, was ich meine — es
sind Kleinigkeiten und —."
Ich ging heim und arbeitete vier Wochen im
Schweiße rneines Angesichts. Ich kam wieder.
„Großartig," sagte der Verleger, .einfach groß-
artig. Ich wußte ja, daß Sie es schaffen würden."
„Gott sei Dank", fiel mir ein Stein vom Herzen,
„also dann könnten wir ja der geschäftlichen Seite
nähertreten und —."
„Allerdings," wurde ich unterbrochen, „lag natür-
lich die Gefahr nahe, von einem Extrem in das
andere zu fallen. Sie haben das glänzend vermie-
den. Aber ein Verlag muß auch die geschäftliche
Seite berücksichtigen. Die Welt besteht nicht nur
aus Sozialdemokraten." Werden Sie also den Feh-
lern Dr. Schumachers nicht Rechnung tragen, so
wird uns in den CDU-Zeitungen eine Kritik ent-
gegenwehen, die — und damit kann ja weder
Ihnen noch mir gedient- sein. Deshalb —."
Ich ging nach Hause, sah kritisch durch, versah
mit Anmerkungen, kommentierte und —.
„Also einfach prächtig," rief der Verleger enthu-
siastisch aus, als wir uns wiedersahen. „Lassen
Sie uns von einem Vorschuß reden — sobald Sie
noch einen kleinen Gesichtspunkt — verstehen Sie
mich recht, aber Politik ist eine schwere Kunst
und — also wenn das Buch keine antisowjetische
Tendenz hat, dann sehe ich schwarz für einen
Vertrieb im Westen, wenn es aber am Marshall-
plan ein gutes Haar läßt und in der Einleitung
Marschall Stalin nicht dankbar erwähnt ist, dann
können wir im Osten von vornherein einpacken.
Also wenn Sie diese Kleinigkeit noch —."
Ich nahm mein Werk, ging heim und weinte bit-
terlich. Dann tat ich, was zu tun mir befohlen
und —.
„Wundervoll," sagte der Verleger, als er es wie-
der in Händen hielt, „ich wußte ja, Sie sind mein"
Mann. Sie schreiben witzig, launig, mit Esprit,
jedermann wird an dem Buch seine helle Freude
haben. Aber das Thema — Sie wissen ja — der
Mensch eckt so leicht an und — mein lieber jun-
ger Freund, ich nehme das Manuskript sofort —
aber ändern Sie mir nur eine Kleinigkeit: Lassen
Sie 'n Dr. Schumacher weg!" G. W. Borth
Geschichte in Stichwörtern
Kurfürst Friedrich Wilhelm der Große. — Kai-
ser Wilhelm der Zwote. — Pieck Wilhelm der
Erste. _
Bismarck regierte gegen das Parlament —
Bethmann-Hollweg mit — Hitler ohne — der
Ausbruch eines Krieges wurde in keinem Fall
verhindert. Kleiner Mann, was nun?
Sudetenfrage — Monetenfrage. Korridor —
Luftbrücke. Tiso — Tito. Eintopf — Suppen-
Festung. _
Pickelhauben
Goldstücke —
— Gasmasfeen — Maulkörbe.
Eisenscheine — Plünderbogen.
Freikarten nach dem Osten nur gegen Hingabe
an das Morgenrot. — Fahrkarten nach dem
Osten nur gegen Abgabe eigener Schienen. —
Wanderkarten nach dem Osten nur gegen Auf-
gabe der eigenen Gesinnung.
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schraube um
Schraube, Plan um Plan.
Zurück! fhr rettet die Altmark nicht mehr!
(Aus der Bürgschaft von Molotow.)
Panzerkreuzer Potemkin lief gestern den Hafen
von Sidney an. Won Australien fehlt seitdem
jede Spur. —
Bei einer eventuellen Atomzertrümmerung der
Erde wird dafür gesorgt werden, daß alle
Flüchtlinge auf dem Mond ihre alte Steuer-
nummer wieder bekommen.
Wir heißen Euch hoffen! (Aus demFUm,,Finale".)
Georg Büsing
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Ärzte-Überhang"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 16, s. 186.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg