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„Aaah---!"

DIE VOLLE WAHRHEIT

„Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,
mödit ihn auch tot im Wochenblättchen lesen."

Goethe / Faust I

Wohlan!

„Lesen Sie", so steht dort schwarz auf weiß gedruckt, „die Wahrheit über
Hitler", Wo anders: „. .. über die Generale!" Oder: „Ein Ortsgruppenleiter
verdächtigt den Tatzelwurm, aber es war die am 27. Mai 1945 gegründete
heroische Widerstandsbewegung, die, zum letzten entschlossen, gegen den
Führer, aber für Volk und Reich ..Also aufgefordert durchblättern wir,
gegen einen Unkostenbeitrag von 30—50 D-Pfennigen, die so lang entbehrte
Weekend-7-Tage-Wahrheit.

Nunmehr endlich bestätigt sich, was wir schon lange ahnten, daß der fritzsche
'Hans und seine Reichsregierungsgenossen der — vermutlich großdeutschen —
Demokratie wertvollste Dienste geleistet haben. Denn: was er damals sagte,
wußte er nicht; und was er nicht sagte, wußte er auch nicht. So wurde er
zum nichtssagenden, unwissenden Opfer. Die anderen Opfer aber wußten
wohl alles und noch einiges darüber hinaus, aber sie schädigten den gehaßten
Staat dadurch, daß sie taten, als wüßten sie nur das, was sie darüber hinaus
wußten, und hatten dann noch die Geschicklichkeit, das die anderen nicht
wissen zu lassen. Nunmehr aber, wo sie endlich das schreiben können, was
andere geschrieben haben wollen, schreiben sie im Wochenblättchen. Jedem
Verdienst sein Honorar.

Besonders aufschlußreich erscheint der tiefschürfende Artikel des Herrn
Generals a.D.— auf Durchgangsstation — Elbe, in welchem einwandfrei nach-
gewiesen wird, daß seine Offensive gegen die Offensive der Alliierten
unbedingt zu einem Erfolg geführt haben würde, wenn sich nicht der Gefreite
angemaßt hätte, die Pläne eines auf Krieg studierten, höchst verdienstvollen
Generals zu korrigieren, der, wie wir uns noch lebhaft erinnern, bereits
im ersten Weltkrieg durch den heldenmütigen Einsatz und die dazugehörige
Aufopferung von nur einer eigenen Division drei feindliche Divisionen
aufrieb. Auch trug die schroff abgelehnte Wiedereinführung der Fußlappen
nicht wenig dazu bei, daß Marschleistung und -disziplin katastrophal nach-
ließen. Was eine Truppe wirklich an Heroismus aufzubringen in der Lage
sei, das könne nur am Marsch festgestellt werden.

Nicht ohne tiefe Erschütterung vermögen wir sodann den Bericht des Haus-
intendanten des Führers, Kannenberg, — „Ich speiste Hitler!" — entgegen-
nehmen, der mit ganz neuen Erkenntnissen das wahre Innenleben des
Tyrannen aufzeigt. Es ist einfach nicht wahr, daß der Pudding — es sei
denn es handele sich, was aber nur sehr selten vorkam, um Schokoladen-
pudding — unbedingt braun sein mußte. Auch erreichte die Anzahl der
zerbissenen Teppiche nicht sieben, sondern nur sechs pro Monat. Und das
mit Ausnahme des April, wo sich Hitler, seines Geburtstages wegen, meistens

in gehobener Stimmung befand und deshalb Gardinen bevorzugte. Der Stuhl
war regelmäßig und hatte die erstaunliche Angewohnheit, sich nach der
Farbschattierung der jeweiligen, dabei benutzten Uniform zu richten.
Oberleutnant Klaus-Dieter Klawunde, der die historischen Ereignisse in der
Reichskanzlei bei anderen am eigenen Leibe erfahren hat, war zu ent-
scheidender Stunde gerade mit dem Hauptquartier befreundet, dessen Bursche
ein Verhältnis mit jener Nachrichtenhelferin hatte, deren Freundin bereits
schon einmal Eva Braun auf dem Korridor begegnet war Nach seinem
Zeugnis sei Hitler zwar verbrannt worden, aber es sei mit ziemlicher Sicher-
heit anzunehmen, worauf er sein Offiziersehrenwort gebe, daß er vorher
angesteckt wurde. Womit allerdings, das sei trotz unentwegter Nachfor-
schungen, die sich auch auf die Nachrichtenhelferin erstreckten, nicht mehr
genau zu rekonstruieren. Zwai habe Bormann ein Feuerzeug besessen, aber
es ist kaum anzunehmen, daß es gebrannt habe, da Benzin rationiert war,
und, wie die Geschichte bewiesen hat, durch den Führer persönlich.
Treu einherblickende Biederkeit strahlt aus dem Essay von Friederike Müller:
„Die Juden mißverstehen uns!", welches uns gerade noch gefehlt hat.
Friederike, selbige studierte das Judenproblem an den Quellen; sie war
Mitglied der NS-Frauenschaft geworden, um von hier aus um so sicherer
den inneren Feind treffen und vernichten zu können Die deutsche Frau,
sagt Friederike, kannte kein Judenproblem; und wo dennoch eins auftauchte,
half sie nach Kräften, bis es beseitigt war. Endlich einmal werden hier
durch Friederike wirklich konkrete Zahlen dargeboten, welche jedem ins
Gesicht schlagen, der hier untätig war. Da nämlich jeder der drei Millionen
Parteigenossen, meint Friederike, etwa acht Juden, laut Spruchkammer-
entscheid, vor dem Schlimmsten bewahrt hat — oft unter Einsatz seines,
des Pg's Leben — ergibt das insgesamt zirka 24 Millionen errettete Juden.
Da aber, angeblich, nur 15 Millionen Juden umgekommen sein sollen, darf
der Bewegung als Gesamtheit, allerdings ohne die Volksgenossen der Reichs-
regierung, die Erhaltung von immerhin neun Millionen gedankt werden.
Wodurch sich einwandfrei die Verbitterung der anständigen Deutschen über
die zurzeitige Undankbarkeit der Mitbürger jüdischen Glaubens ergibt.
Also belehrt, zerknirscht und erhoben zugleich, schlagen wir die Wochen-
blättchen zu, und, leider, schlagen wir nur hier zu. Das mitgelieferte Photo-
material eignet sich vorzüglich zum Ausschneiden. Hängen wir sie also auf,
die Familie Hitler, samt den treuen Gefolgsleuten; an die Wand der guten
Stube mit ihnen, oder an die des Lokus, je nach Verehrungsgrad. So oder
so: es fördert die Verdauung.

Wohlan! Kilian

W. Schäfer: GIPFELSTÜRMER

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gipfelstürmer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur: Krebs

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schäfer, Wolfgang
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 6, S. 70.

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