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28

DIE BALUSTRADE DER ATttENA NIKE.

Letztere Ansicht erweist sich dadurch als richtig, dass
auf der ganzen Westseite und der westlichen Hälfte der Nord-
seite die Blöcke der Verkleidung das Fundament für die
Tempelstufen und somit für den Tempel selbst bilden. Der nord-
westliche Eckblock der obersten Schichte z. B. erstreckt sich
von der Westseite her 0,90, von der Nordseite 1,80 Meter
unter den Tempel und an derselben Stelle sind die Ecke der
untersten Tempelstufe und die Ecke des Kyma, das die Balu-
strade trägt, aus einem Stücke gearbeitet. Schon diese wenigen
Thatsachen lassen erkennen, dass die Verkleidung des Pyr-
gos, der Tempel und die Balustrade vollkommen gleichzeitig
errichtet worden sind.

Gleichzeitig dem Pyrgos wurde aber auch die kleine
Treppe erbaut. Der Unterbau der Propyläen stand damals
wahrscheinlich schon, da mit ihm die Treppe nicht im Ver-
band liegt. Doch kann er höchstens im Rohbau fertig ge-
wesen sein, denn als er abgeputzt wurde, war die Treppe
bereits vorhanden. Dies folgt aus der Bearbeitung, die man
der an die Treppe stossenden Ante des Unterbaues gegeben
hat. An der Nordseite dieser Ante ist die Werkschicht nicht
völlig abgenommen, sondern an jedem Block nur ein rings-
umlaufender Rand geglättet, während man in der Mitte einige
Millimeter hoch die rauhe Fläche ornamental stehen gelassen
hat. An den beiden obersten der erhaltenen 7 Blöcke ist
der geglättete Rand an allen vier Seiten gleichmässig 0,03
breit, beim dritten Block erhält er aber an der rechten
Schmalseite die doppelte Breite und behält diese bis in die
Mitte des vierten Blockes, von wo an, bis zum Fuss der Ante,
die rauhe Schicht wieder ebenso nahe an die Kante heran-
tritt wie bei eins und zwei. Diese auffallende Erscheinung
erklärt sich aus dem Gang der Treppe. Bei Block 3 tritt
die Treppenstufe — die fünfte unter den erhaltenen von oben
an — mit ihrer Stirnfläche in gleiche Flucht mit der Nord-
seite der Ante und drängt dadurch jene ornamentale Werk-
schicht gleichsam zurück. Auch die sechste Stufe, die der
oberen Hälfte des vierten Blocks entspricht, lag noch ma-
teriell an der Ante an. Mit dieser Stufe hat die Treppe aber
auch die Ante passirt; die noch folgenden lagen völlig ausser-
halb derselben und konnten keinerlei Einfluss auf den Unter-
bau üben.

Der Zweck der eben geschilderten Bearbeitung war
offenbar wenigstens symbolisch den engen Zusammenhang
zwischen Treppe und Ante anzudeuten, der materiell, als die
Treppe errichtet wurde, nicht mehr hergestellt werden
konnte, da der Unterbau bereits stand.

Dass man nachträglich bei den Blöcken 3 und 4 die
Werkschicht weiter abgearbeitet habe als bei den übrigen,
ist ganz unwahrscheinlich, und so scheint sich auch von dieser

Seite her die Annahme von Julius zu bestätigen, dass der
Niketempel während der Bauzeit der Propyläen errichtet
worden ist.

Es darf als selbstverständlich gelten, dass die Felskuppe,
die den Kern des Pyrgos bildet, schon vorher in das Be-
festigungssystem der Burg hineingezogen war. Ueber die
Gestalt dieses älteren Pyrgos scheint mir jedoch eine sichere
Vermutung bisher unmöglich. Michaelis hat darauf hinge-
wiesen, dass die nordwestlichen Eckblöcke der zwei untersten
Schichten abweichend von den übrigen einen rechten Winkel
bilden und vermutet, dass sie Reste des alten Baues seien,
der sich weiter nach Norden erstreckt habe. Aber jene Blöcke
waren in Perikleischer Zeit verdeckt, da der Weg in der
Höhe der Nischen lief, wo die geglätteten Quadern beginnen,
und es ist doch sehr leicht denkbar, dass man nur aus Be-
quemlichkeit diese Fundamentblöcke rechtwinklig Hess, statt
sie, wie die sichtbaren Eckstücke, in einem Winkel von
108^2 Grad zu behauen.

Ist aber auch ein älterer Pyrgos wahrscheinlich, so folgt
daraus noch nicht, dass er auch von einem Tempel der Athena
Nike gekrönt war. Ohne auf die schwierige Frage nach
dem Alter dieses Cultus eingehen zu wollen, möchte ich doch
auf eine einzelne Thatsache hinweisen, die bei der Frage,
wann der Cult der Athena Nike von dem der Polias losge-
löst worden sei, vielleicht Beachtung verdient. Sämtliche
Tempelgelder werden bekanntlich in den letzten Jahrzehnten
des V. Jahrhunderts von zwei Collegien verwaltet. Die
xajuai xYjs #eoö stehen den Schätzen der Athena Polias vor —
als deren Filial der Parthenon gilt —, die xa^iat xäv aXXwv fte&v,
wie schon ihr Name besagt, den Schätzen der übrigen Götter.
Eine Sonderstellung nimmt Athena Nike ein. Ihre Gelder
werden nicht, wie man erwarten sollte, mit den Schätzen der
»andern Götter« verwaltet, sondern von den Schatzmeistern
der Göttin, aber in besonderer Kasse, getrennt von denen
der Polias. (C. I. A. I 185. Vergl. IV p. 33. I 273.) Dies Verhält-
niss ist leicht erklärlich, auffällig wäre nur, wenn es schon
bei Einsetzung der Schatzmeister der »andern« Götter be-
standen hätte, da in der erhaltenen Urkunde, die deren Com-
petenz abgrenzt und überhaupt die Verwaltung der Tempel-
gelder ordnet (C. I. A. I 32), eine gesonderte Kasse der
Athena Nike nie erwähnt wird. Stets sind nur die Gelder
der Athena, d. h. der Polias, denen der andern Götter gegen-
übergestellt. Jene Urkunde stammt sicher aus der Zeit der
Perikleischen Staatsleitung; nach Kirchhoff gehört sie in das
Jahr 434 43). Der Schluss, dass Athena Nike damals einen
eigenen Tempel und gesonderten Schatz noch nicht besessen
habe, ist nicht zwingend, aber er ist wahrscheinlich.

VIII

Erläuterung zum Plane des Nikepyrgos auf Tafel VIII

Richard Bohn.

Der beifolgende Plan des Nikepyrgos ist das Resultat
einer Specialuntersuchung, die ich im Frühjahr 1879 begonnen
und in diesem Jahre wieder aufgenommen und vollendet habe.
Nicht dass es bisher an Aufnahmen dieses kunstgeschichtlich
so hoch interessanten Teiles der Akropolis fehlte; aber so
verdienstvolle Bemerkungen auch die verschiedenen bis jetzt
veröffentlichten Arbeiten daran knüpfen, so kamen jene Pläne

doch nie über den Grad von Skizzen hinaus, welche nicht
ausreichen konnten, um darauf eine Reconstruction zu basiren.
Auch war dieses vor der Niederlegung des grossen Turmes
schwer möglich; erst in neuester Zeit erschien von C. Böt-

43) Eine eigne Erörterung über die Zeit dieser Inschrift hat Löschcke ge-
geben: De titulis aliquot Atticis. Bonn 1876 S. 1 ff.
 
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