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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Kunze, Hans: Bestand und Anordnung der Glasgemälde des Strassburger Münsters um die Mitte des 19. Jahrhunderts und in der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0117
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io5

VII.

Bestand und Anordnung der Glasgemälde des Strassburger Münsters um die
Mitte des 19. Jahrhunderts und in der Gegenwart.

Von Dr. Hans Kunze.

Mit 5 Abbildungen und einer beigefügten Tabelle.

Im dritten Viertel des vergangenen Jahrhunderts
sind die Glasgemälde des Strassburger Münsters einer
eingreifenden Restaurierung unterworfen worden.
Im Zusammenhang damit wurden einige stark be-
schädigte Stücke ausgeschieden, andere umgestellt
und die Lücken durch neue Glasgemälde ausgefüllt.
Die nicht unbeträchtlichen Opfer der Beschiessung
von 1870 mussten ebenfalls ersetzt werden.

Es liegt auf der Hand, dass jede Arbeit, die
sich mit den alten Glasgemälden beschäftigt, zunächst
den Umfang dieser Restaurierung festzustellen und
die neuen Bilder sowie erneuerte Teile der alten
auszuscheiden hat. Diese Aufgabe verursacht keine
allzu grossen Schwierigkeiten, denn wir besitzen
aus dem Jahre 1848 vom Abbe V. Guerber einen
Essai sur les vitraux de la cathedrale de Strasbourg,
der eine genaue Aufzählung, Beschreibung und den
Versuch einer Datierung der Glasgemälde gibt und
das Programm zu einer Restaurierung entwickelt.
Ausserdem hat auf dem Congres archeologique, der
1859 in Strassburg tagte, P. R. de Schauenbourg
über den damaligen Stand der Arbeiten der Societe
franfaise d’archeologie pour la Conservation des monu-
ments historiques einen ziemlich ausführlichen Bericht
erstattet, der als Sonderheft unter dem Titel
„Enumeration des verrieres les plus importantes“,
Caen 1860, erschienen und in dem Organ der Gesell-
schaft, dem Congres archeologique de France, XXVE
session, p. 215 — 228 abgedruckt ist. Im Jahre 1871 ver-
öffentlichte Albert Dumont in einem Heftchen, La
Cathedrale de Strasbourg, neben einigen „remarques
archeologiques“, die mehr im Dienste eines aktuellen
Interesses als der Wissenschaft standen, eine sehr
dankenswerte „Liste des vitraux detruits ou fortement
endommages, lors du bombardement de Strasbourg“
(p. 16 et iq). Alle Autoren, die sich im Laufe der
letzten dreissig Jahre mit den Glasgemälden unseres
Münsters abgegeben haben, sind an diesen wichtigen
Quellen achtlos vorübergegangen oder haben sie
doch nicht genügend ausgeschöpft. Die Folge war,
dass sie Hypothesen aufgestellt haben, die mit den

handgreiflichsten Tatsachen in Widerspruch stehen.
Diesen Hypothesen ging es, wie es häufig — allzu
häufig — unbegründeten Hypothesen zu gehen
pflegt: sie wurden nachgedruckt und wieder nach-
gedruckt, und schliesslich wurden sie Allgemeingut
der Wissenschaft, das neuen Hypothesen als Fun-
dament dienen muss. Es dürfte daher nicht ohne
Nutzen sein, wenn ich hier einen schematischen
Grundriss (vgl. beigelegte Tabelle) veröffentliche, der
die Veränderungen im Bestände der Glasgemälde
seit 1848 deutlich macht. Zur bequemen Bezeichnung
der einzelnen Fenster ziehen wir durch die Figur
ein Netz von Koordinaten, durch das die Fläche in
einzelne den Jochen entsprechende Streifen zerlegt
wird. Jede Koordinate und jeder Streifen erhält am
Rande der Tafel eine Signatur. Jede Strecke des
Grundrisses, über der ein Fenster steht, wird als
Schnittlinie einer Koordinate und eines Streifens auf-
gefasst und durch die Signaturen beider bezeichnet.
ny Wv ist also das Fenster auf der Koordinate n h
d. h. in der nördlichen Seitenschiffswand, und im
Streifen Wv, d. h. im 5. Joche des Langhauses.
Dabei ist zu beachten, dass wir, auch wenn wir im
Texte die Formel nicht anwenden, stets von den
Nullinien des Achsenkreuzes oder, was dasselbe ist,
von der Vierung aus zählen, und zwar stets nach
Jochen. Wir sprechen z. B. vom nördlichen Seiten-
schiffsfenster im 5. Joch, nicht vom 3. Fenster von
Osten gerechnet; denn es ist viel klarer, wenn die
Zählung in den Seitenschiffen und im Hochschiff
übereinstimmt. Keinesfalls zählen wir von Westen
aus, weil wir dann stets hinzufügen müssten: das
Turmjoch mitgezählt oder nicht mitgezählt.

Bevor wir uns jedoch der Tabelle zuwenden,
wollen wir einen Blick in die ältesten Münster-
beschreibungen tun. Im Jahre 1617 veröffentlichte
der Diakonus an Alt-Sankt-Peter, Oseas Schadäus
eine Beschreibung des Münsters unter dem Titel:
„Summum Argentoratensium templum.“ Die Glas-
gemälde werden sehr kurz behandelt; den prote-
stantischen Theologen interessieren die Bilder der

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