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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Kunze, Hans: Bestand und Anordnung der Glasgemälde des Strassburger Münsters um die Mitte des 19. Jahrhunderts und in der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0118
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Heiligen nicht. Er spricht daher nur von dem
Glasschmuck im Allgemeinen und würdigt allein die
Illustrationen zum Neuen Testament im südlichen
Seitenschiff: „So sind auch wohl in acht zu nemmen
die köstlichen gemahlten Glasfenster, damit das
gantze Münster gezieret, und in Sonderheit uff der
seiten bey dem Brunnen“ (ein solcher befand sich
früher im südlichen Seitenschiff), „da alle Geschichten
dess Neuen Testaments den anschauenden werden
fürgestellt, darinnen diese Schriften unden zu lesen:“
(S. 76). Es folgen die Unterschriften unter den
Bilderzyklen in 5j tVv und S[ Wv 1. — Ausserdem
nimmt Schadäus noch von den Wappen auf den
Schilden der ritterlichen Heiligen im Hochschiffe
Notitz: „So sind auch über der Cantzel in den hohen
Fenstern etliche uhralte Wappen bei den Bildern
zu observieren(S. 77.) Diese Bemerkung zeigt
uns, dass die heiligen Ritter damals denselben Platz
(nWn und nWiu) inne hatten wie heute.

Bei der Beschiessung Strassburgs im Jahre 1870
sind zwei wertvolle Münsterbeschreibungen zu Grunde
gegangen, das ca. 1666 verfasste Manuskript des
Münsterbaumeisters Johann Georg Heckler und
ein ebenfalls ungedruckt gebliebenes Werk seines
Sohnes, des Dr. med. Johann Heckler: Summum
Argentoratensium templum, 1736. Wir besitzen
jedoch aus dem Werke des Vaters einen Auszug,
den Kraus, Kunst und Altertum in Elsass-Lothringen
I S. 693 abgedruckt hat. Daraus entnehmen wir
folgenden Abschnitt, der die Glasgemälde des Lang-
haustriforiums, das unter dem „Gang“ zu verstehen
ist, aufzählt:

„Uf dem Gang zu rechter Seit sind im Fenster
drey gemahlte Bilder, das erste und nechste bey
der Thür mit folgender Schrifft: Jesus nazarenus
Rex judeorum das andere qui fuit Mecheli (?), das
dritte qui fuit Semei.

Uff dieser Seite ist sonst keines mehr. Aber
uff der linken Seiten gegen über wo auch die Schild
hengen und uff den Orgelgänglein wo die grienen
Gatter sein und das Real steht sind in allem 3g,
darunter das erste gleich bey der Thür wo man
auf den gang gehet, steht ein Bild mit diesen zwei
Schriften, erstlich oben auf St. Johann Baptista, die
andere Schrift aus der Seiten herab, an diesem Bild
Ecce Agnus Dei qui tollit peccata mundi.

Das zweite Jesus Christus.

Das dritte — Joseph.

Das vierte. — qui fuit Heli. usw. nach Lucas
3 bis :

Das 39. — qui fuit Navon (?)“

Heute sind diese Glasgemälde fast sämtlich
neu, nur die der nördlichen Reihe, „uff der
linken Seiten“, enthalten in ihren oberen Teilen alte
Stücke.

Die Restauration ist zwischen 1848 und 1859

von Marechal in Metz ausgeführt worden. Vgl.
Schauenburg 7 (216).

Ausserdem schreibt F. de Lasteyrie in seiner
Histoire de la peinture sur verre, Paris 1857, t. I
p. 259: Parmi les vitraux detruits du transept

meridional, on doit regretter plusieurs figures allego-
riques . . .: iustitia, castitas, penitentia, confessio,

obedientia, compassio (n. 4: Hecheler,fol. 109). Ferner
pag. 258 : Le chceur. . . etait jadis eclaire par trois
fenetres ornees de vitraux peints. Celle du milieu
representait saint Sigisbert (n. 3: probablement samt
Sigebert, roi d’ Austrasie) et saint Arbogast; celle de
gauche, saint Ambroise et samt Florentin (n. 4 martyr
en Bourgogne, au cinquieme siecle); celle de droite le
crucifiement de Notre-Seigneur {pag. 239, n. 1 ••
Summum Arg. templum de Hecheler, MS. de la
bibliotheque de Strasbourg, fol. 114). Tout cela dis-
parut en 1732, lorsque, sous le pretexte d’agrandir
le chceur, on en modifia completement la forme selon
le goüt du jour (n. 2 : Schweighceuser, Description
historique de la cathedrale de Strasbourg pag. 18).

Mit diesem letzten, etwas ungenauen Citat, ist
das Werk gemeint, zu dem wir jetzt übergehen :
Das „Strassburger Münster- und Thurn-Büchlein“,
1732 anonym in Strassburg erschienen. Im folgenden
Jahre übersetzte es Frangois Joseph Böhm ins
Französische und gab es unter dem Titel „Descrip-
tion nouvelle de la cathedrale de Strasbourg et de
sa fameuse tour“ heraus. 1743 erschien die zweite
Auflage dieser Übersetzung. Die Übertragung ist
so wörtlich, dass sie z. B. „den H. Christophei“ mit
„le St. Christophle“ wiedergibt. Trotzdem glaubt
Böhm das Original an zwei Stellen verbessern zu
müssen, bringt aber in Wahrheit zwei sachliche
Fehler in seinen Text, von denen der eine sich
bis in Guerbers „Essai“ weiterschleppt:

. . . Denn in den meisten Fällen
setzt sich ein missverstandenes Wort
stets wieder abgeschrieben fort —
wir nennen das — die Quellen

Das deutsche Original gab der Mediziner Dr.
Georg Heinrich Behr im Jahre 1744 in zweiter Auf-
lage heraus. Diese Auflage wurde noch fünfmal
abgedruckt und hielt sich von den „Verbesserungen“
der französischen Ausgabe frei. Erst Joseph Schweig-
heusser, der 1765 den deutschen und 1770 den
französischen Text in dritter Auflage „vermehrt und
verbessert“ herausgab, verbesserte zwar Christophle
in Christophe, vermehrte aber auch das von den
Glasgemälden handelnde Kapitel in der „Description“
um einen weiteren Fehler und führte von diesen
drei Fehlern zwei in das „Münsterbüchlein“ ein,
während er an der dritten Stelle im Deutschen die
richtige Lesart beibehielt. — Das Verhältnis der
verschiedenen Auflagen möge folgende Tabelle
anschaulich machen:
 
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