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Thiersch, Hermann
Pharos: Antike, Islam und Occident ; ein Beitrag zur Architekturgeschichte — Leipzig, Berlin, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6241#0016
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Abb. 1. Der Pharos von Alexandria. Früherer Rekoiislruklionsversuch.

EINLEITUNG

Es ist nicht gewiß, aber sehr wahrscheinlich, daß die Errichtung eines Leuchtturms schon im ersten Bauplane
der Stadt Alexandria gelegen hat. Jedenfalls steht fest, daß kaum die erste Generation in der neuen Gründung heran-
gewachsen war, als er schon fertig dastand: der gigantische Erstling einer ganz neuen Gebäudeart, der erste Leucht-
turm der Welt, der Pharos, auf der schmalen Nehrung, die ihm den Namen gab.

Auffallend spärlich fließt die Oberlieferung über ein Werk von solcher Bedeutung, und fast noch auffallender
ist es, wie wenig dies Wenige bisher nutzbar gemacht worden ist. Immer mehr angestaunt als wirklich gekannt,
in allen Jahrhunderten genannt als eines der Wunder der Welt, und dabei kaum jemals, in der Antike nie, wirklich
beschrieben, stellt es die noch zu lösende Aufgabe, hier Klarheit zu schaffen, und wahrlich eine Aufgabe, die sich lohnt.
Es ist die Frage nach der Gestalt des Pharos, seine künstlerische Erscheinung, die uns vor allem beschäftigen soll.

Eine Schöpfung von so kühner Phantasie, wie der Pharos es war, mußte immer wieder die Vorstellungskraft an-
regen. Welch verschiedenartige Lösungen bei einem Wiederherstellungsversuch des verlorenen Baues erreicht werden
konnten, zeigt am besten folgende Zusammenstellung:

Abb. I.1) Wie eine Pyramide von polygonalem Grundriß und breitester Basis baut sich der Turm in vielen
Stockwerken übereinander auf, alle gleichartig unter sich, nur an Höhe und Durchmesser stetig abnehmend, alle durch-
brochen von weiten Fensteröffnungen und verziert mit einer Dekoration vorgestellter Säulen, welche die Brüstungen
der schmalen Umgänge in den einzelnen Stockwerken tragen; zuoberst die Feuerstelle: eine Vorstellung französischer
Phantasie von einer gewissen Pracht und wirkungsvollen Einheitlichkeit, aber mit ihrem reichen Dekor aus praktischen
Gründen durchaus ungeeignet, an eine Meeresbrandung gestellt zu werden. - Abb. 2. Schlank und graziös, „wie eine
Nadel" steigt der Turm in die Höhe, die vertikale Tendenz aufs höchste gesteigert in der schraubenförmigen Bewegung
des oberen Endes. Aber es ist etwas sehr Ungleichmäßiges und Unausgeglichenes in dem Bild, und damit eine Unruhe,
die Bedenken erregt: unten ein rein ägyptischer Pylon-Vorbau, dann ein Turm mit syrisch-hellenistischer Gliederung,
und oben ein vom Achteck ins Rund gewagter Sprung, der aller guten antiken Weise zuwiderläuft. Das Allerver-
schiedenartigste ist zusammengeschmolzen zu einem Ganzen, das nicht uninteressant, aber unantik ist. Der Turm wirkt
wie ein Roman. Es ist das Ebers'sche Werk über Ägypten, dem das Bild entnommen ist (Bd. I, S. 1). - Wieder
ganz anders Abb. 3. Sehr fällt diese Darstellung ab gegen die beiden vorhergehenden durch ihre große Nüchternheit
und ihre große Unförmigkeit. Die Etagengliederung ist auf ein Minimum reduziert, die Linie des Umrisses ermangelt
jeden Reizes, sie ist ebenso steif wie die stark verjüngte, aber ungegliederte Masse plump, und ihre nur von runden

1) Aus L. Figuier, Les Merveilles de la science IV, p. 417 (darnach bei Wagner, Hellas und Rom, 633). Beruhend auf einer Phantastik Piranesi's
(Le antichitä di Roma, tom. 11 tav. II); oder im letzten Grunde auf der Ruine des Leuchtturms von Gessoriacum (Montfaucon, Supplem. IV pl. L)?

Thiersch, Der Pharos von Alexandria. 1
 
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