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KAPITEL VI

ANHANG

1. Taposiris Magna

Unser Ausflug vom 12. Mai 1902 (vgl. Vorwort) hatte
den Ruinen von Abusir gegolten, jenes einsamen Abusir
eine Tagereise westlich von Alexandria, welches dort am
äußersten Ende der schmalen „Taenie" liegt, wie Ptole-
mäus IV, 5 den dünnen Landstreifen zwischen Mittelmeer
und Mariutsee nennt. Der Ort bezeichnet also das west-
liche Ende dieses hier flußartig schmalen Binnensees,
gleichzeitig auch jene für den Handel gewiß nicht unwich-
tige Stelle, wo von Südwesten her
das Tal der Natronseen gegen
das Meer hin ausmündet. Am
klarsten vielleicht gibt die Situa-
tion die Karte bei Barth, Wande-
rungen durch die Küstenländer
des Mittelmeeres. Die Strecke
zwischen Chersonnesos und Tapo-
siris mit dem langen schmalen
Ende des Mariutsees bringt auch
Description de l'Egypte Ant. V,
43, 1 (vgl. oben S. 27, Abb. 40).
Der Name Abusir machte es schon
frühe leicht, die Ruinen dieses
Platzes mit der antiken Stadt zu
identifizieren, die einst hier ge-
legen hat, und welche die Grenz-
stadt Ägyptens gegen Libyen hin
gewesen ist: mit Taposiris Magna.
Diese unzweifelhaft richtige Iden-
tifizierung ist schon von den ersten Forschern gefunden
worden, die sich mit der Topographie Ägyptens befaßt
haben, noch im 18. Jahrhundert; so von dAnville, Memoires
sur l'Egypte ancienne et moderne 1766, p. 63 u. ff.; dann
von Champollion, l'Egypte sous les Pharaons II, p.267 u. ff.1)
Die gleichen Forscher haben auch schon die eine halbe
Stunde davon nördlich am Meeresstrande liegenden, weniger
in die Augen fallenden Ruinen richtig auf Plinthine bezogen,
den Hafenort, der der ganzen Bucht dort im Altertum den
Namen gab. Es war dies der Sinus Plinthinites, heute „golfe
des Arabes" genannt. Plinthine und Taposiris Magna (zum
Unterschied von Taposiris Parva, dem heutigen Mandarah
östlich von Alexandria): zwei Seestädte, zwei Hafenorte,

1) Zum Vorkommen des Namens in spätantiker Zeit vgl. die
Sammlung der Stellen bei Parthey, Abh. der Preuß. Akad. 1858, S. 536.

der eine am Meer, der andere am Binnensee. Ihre örtliche
Nähe, ihre nahen Beziehungen zueinander gehen deutlich
aus den spärlichen antiken Nachrichten über sie hervor. Die
beiden Städte zusammen bezeichneten den Anfang Ägyp-
tens: für den von Westen zu Lande Kommenden Tapo-
siris, für den zur See der Küste entlang Fahrenden Plin-
thine. Hier berühren sich Anfang und Ende, Kultur und
Unkultur auch heute noch. Hier wartete Minutoli auf Liman,

um dann die große, verhängnis-
volle Reise nach dem Westen
zu beginnen (Reise zur Oase des
Jupiter Amnion, S. 41 u. 48), hier
fand Barth die erste schwache
Hilfe, als er von Westen kom-
mend ausgeraubt und halb ver-
hungert auf Alexandria zuflüchtete
(a. a. O. S. 540 u. ff.). Erst seit
die strenge englische Küsten-
wache dort oben Fuß gefaßt und
ihre teergeschwärzten Baracken
vor dem alten zerfallenen Quaran-
tänegebäude aufgeschlagen hat,
ist größere Sicherheit eingekehrt.

Es ist eine offenbar ganz
richtige Beobachtung Pacho's
(Relation d'un voyage dans la Mar-
marique, la Cyrenaique etc. p. 8),
daß die sämtlichen alten Reste
in diesem westlichen Küstenstrich, dem westlichsten Teile
des „Gaues des Westens", erst nachpharaonischer Zeit
angehören, daß vor den Griechen nur wilde Nomaden-
stämme dort gehaust haben werden. Von den bei de Rouge,
Geographie ancienne de la Basse Egypte 1891, p. 11 — 17
genannten pharaonischen Städten dieses dritten Gaues
konnte wenigstens in der dafür in Betracht kommenden
Gegend noch keine gefunden werden. So darf man sich
dem Urteil früherer Reisender, welche die Ruinen von Abusir
besuchten, wohl anschließen, wenn sie dieselben in früh-
ptolemäische Zeit setzten.-) Der Ruinenkomplex hat etwas

2) Gratien le pere in der Description de l'Egypte (1801), Memoires,
Antiquites, V; Pacho (1819) 1. c. 7; Scholz (1820), Reise in die Gegend
zwischen Alexandria und Parätonium S. 48 u. ff.; Minutoli (1824), 1. c.
p. 14 u. ff.; Ganz unbegründet ist Gratiens Datierung des Tempels in
römische Zeit.

Abb. 378. Grundriß des Tempels von Taposiris Magna
(nach der Description),
 
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