Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Thiersch, Hermann
Pharos: Antike, Islam und Occident ; ein Beitrag zur Architekturgeschichte — Leipzig, Berlin, 1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6241#0026
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die alexandrinischen Münzen

11

Typus zugrunde, die mittlere Kantenlinie des über Eck gesehenen Turmes aber ist ausgefallen. Denn gerade
Frontansicht anzunehmen verbietet die Stellung der senkrechten Fensterreihe und der Türe neben, nicht in der
Mittelachse des Turmes. Bei 83 ist diese Halbheit beseitigt, Fensterreihe und Türe sind wirklich genau in die Mittel-
achse gerückt. Das gleiche gilt von 87; nur die Fenster sind anders gruppiert, nämlich 7 in folgender Weise: ° °
Hier ist Frontansicht von vornherein beabsichtigt gewesen. Als Andeutung des dritten Stockwerks muß ein 0 o
dicker Kugelknauf unter der krönenden Figur auf der Spitze herhalten. Der Turmkörper selbst hat gar keine Relief-
masse, er ist nur in dicken Reliefrändern angelegt.

An diese Gruppe schließen sich einige Stücke ganz vom Ende der Serie an, Nr. 121 — 125. Das erste Exemplar
gibt die Türe in der Mitte des Turmes, mit schräg nach links gewendeter Rampe und zwei horizontalen Reihen Fenster
darüber, also offenbar Frontansicht. Nr. 122 dagegen ist abgekürzte perspektivische Ansicht, mit fehlender Mittelkante
und der Türe links. Bei beiden Stücken ist der Turm wieder nur in dicken Randlinien, nicht als Fläche angelegt.
Ebenso bei den folgenden Nummern. Davon ist Nr. 110 eine verbreiterte Verschlechterung der von Nr. 74 und 75,
die folgenden dagegen stellen nur eine hervorragend schlimme Ausartung des unter Nr. 77 u. ff. beschriebenen Bildes
vor. Die Schlankheit des Hauptgeschosses ist verschwunden, breit und klotzig sitzt es auf der doppelten Bodenlinie.
Die Türe befindet sich ganz unten in der Ecke rechts. Schlecht und ganz äußerlich ist auf Nr. 124 die Rampe, viel zu
hoch an dieselbe angelegt. Diese letzten Prägungen sind die schlechtesten, in denen das Bild des Pharos überhaupt
jemals geprägt worden ist.

COMMODUS

Nur aus einem Jahre seiner Regierung (KO) sind Prägungen mit dem Bild des Pharos vorhanden, und alle er-
haltenen Stücke weisen ein und denselben Typus auf. Dieser ist ein ganz neu entworfener, sehr sorgfältig geschnittener;
ein wohltuender Kontrast zu den elenden Stümpereien, wie sie zuletzt unter Marc Aurel
aufgekommen waren. Man hat links den Turm, rechts auf den Wellen ein nach rechts
mit vollen Segeln auslaufendes Schiff, in dem Sallet (Zeitschr. f. Num. 2, 249) die kaiser-
liche Jacht, die leßacxocpöpoc, sah. Man könnte auch an etwas anderes denken. Unter
Commodus ward nach Beendigung der bukolischen Wirren der regelmäßige Dienst einer
afrikanischen Kornflotte von Alexandria nach Ostia eingerichtet (vgl. Milne, History of I
Egypt under Roman rule p. 66). Es ist vielleicht nicht fehl gegangen, wenn man das'
Erscheinen des neuen Münztypus unter diesem Kaiser mit jener wichtigen Reorganisation
der ägyptischen Kornzufuhr nach Rom in Verbindung bringt.

Das Turmbild ist, wie gesagt, ein ganz neues. Vgl. Abb. 6. Es geht ungleich
richtiger als alle bisherigen Darstellungen von der Gesamterscheinung des Bau-
werkes aus. Es ist ein richtiges Fernbild, während die früheren Prägungen den Turm
mehr oder weniger wie aus größerer Nähe wiedergeben. (Von solchem Gesichtspunkt
aus erscheint auch die Verkleinerung der oberen Turmgeschosse, ja das Verschwinden des dritten Stockwerkes dort
nicht mehr ganz unberechtigt. Wer näher an den Turm herantrat, für den mußten die oberen Teile desselben tat-
sächlich ganz niedrig, ja teilweise unsichtbar werden, und einem solchen Beschauer konnte es wirklich so vorkommen,
als stände die Statue der Spitze unmittelbar auf dem zweiten und nicht auf dem dritten Geschoß.) Das figürliche Detail,
das den oberen Aufbau schmückt, darf sich nun nicht mehr so vordrängen, es wird in bescheidenere und richtigere
Maße zurückgedämmt. Das zweite und dritte Stockwerk erscheint von gleicher Höhe, die beide Male freilich nicht
groß ist; die beiden Geschosse zusammen machen in ihrer Höhe erst die Hälfte des Hauptgeschosses aus. Dieses
hat eine sehr beträchtliche Verjüngung; Rampe und Türe - diese immer an die Außenkante gerückt — stehen links.
Immer ist je eine senkrechte Fensterreihe auf jeder Seite angebracht. Eine Bodenlinie dagegen fehlt ganz. Die
Tritonen laden sehr weit aus, die krönende Figur auf der Spitze scheint gerade umgekehrt wie bisher regelmäßig mit
der Rechten das Zepter hoch zu fassen und die Linke nach der Seite auszustrecken. Die Höhe dieser abschließenden
Figur ist beträchtlich, sie kommt etwa der gemeinsamen Höhe der beiden Obergeschosse gleich; kleiner, im richtigen
Verhältnis zum Ganzen gegeben wäre sie überhaupt unkenntlich geworden.

Abb. 6.

Prägung des Commodus (doppelle Größe).

Zusammenfassung

Das Bild des Pharos auf den Münzen ist also ein außerordentlich verschiedenes. Und doch hat der Bau selbst
im Laufe des Jahrhunderts, dem die Münzbilder entstammen, offenbar keine Veränderung seiner Gestalt erlitten. Kein
einziger Autor redet von etwas derartigem. Das Argumentum ex silentio hierfür darf in diesem Falle angenommen
werden. Noch war der Bau in sich festgefügt und unbeschädigt. Es muß also an den Münzbildern liegen, sie
können unmöglich alle wahrheitsgetreu sein. Es fragt sich nun, welches sind die wirklich verlässigen Darstellungen,
welche sind als ungenau, als Zerrbilder auszuscheiden? kurz, welche Züge allein dürfen für die Rekonstruktion des
Turmes verwendet werden?

Von vorneherein ist klar, daß die der Prägung nach sorgfältigsten Typen auch den ersten Anspruch auf Sorgfalt
und Treue in der Darstellung machen dürfen, daß also auf die Serien unter Domitian, Trajan und anfangs auch noch
Hadrian, endlich unter Commodus, mehr Verlaß sein wird als auf die sehr viel flüchtigeren unter Antoninus Pius und

2*
 
Annotationen