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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Hrsg.]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 1.1898

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Heft 3 (März 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6363#0088
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Charakteren aufdrücken wollte, so dass sie Gesinnungen
und Leidenschaften possierlich und doch furchtbar äus-
serten; ich würde die ganze sichtbare Welt aufbieten, aus
jedem das Seltsamste wählen, um einGemälde zu machen,
das Herz und Sinne ergriffe, das Erstaunen und Schauder
erregte."

Das ist die romantische Verwirrung, wie Tieck sie
liebte; was seinen letzten Grund darin hat, dass die all-
mähliche Verwandlung des uranfänglichen Chaos in das
bewusste Chaos den Grundgedanken der romantischen
Philosophie, wie aller Entwickelungsphilosophie über-
haupt, bildet.

Wem, der diese Phantasien über Malerei liest,
drängte sich nicht Böcklins Name beständig auf die
Lippen? Damals, vor hundert Jahren, färbten diese Ge-
mälde-Träume den morgendlichen Himmel des neuen
Jahrhunderts; die Wende unseres Jahrhunderts schmückt
die wundervolle Wirklichkeit, die Erfüllung. Auch darin
ist Böcklin der Künstler, den die Romantiker verlangten
und prophezeiten, dass er Maler, Musiker und Dichter
zugleich ist; nicht in der Weise der grossen Künstler der
Renaissance, die oft mehrere Künste nebeneinander
trieben: das Ziel des modernen Künstlers ist, den Geist
mehrerer Künste in einer zu umfassen und auszudrücken.
Wie fast jeder Prophet ein Moses ist, dem das gelobte
Land höchstens von ferne zu schauen vergönnt ist, haben
auch die Romantiker eine volle Verwirklichung ihrer
Ideen auf dem Gebiete der Malerei nicht erlebt, und als
sie endlich kam, war sie von ihren Zeitgenossen nicht
heiss ersehnt, wurde nicht augenblicklich erkannt und
willkommen geheissen; denn die Romantik war inzwi-
schen erst verachtet, dann vergessen und als wunderbare,
missdeutete Erscheinungen giengen die ersten Bilder
Böcklins an der Mitwelt vorüber.

Allerdings auch auf die Malerei ihrer Zeit wirk-
ten die Romantiker. Als ihren Ideen am meisten ent-
sprechend rühmten sie den Landschaftsmaler Friedrich,
Kaspar David Friedrich, aus Greifswald gebürtig. In
seinen Bildern lebte die Stimmung der Ostsee, seines
heimatlichen Strandes. Seine Vorfahren waren alle bie-
dere gewerbtreibende Leute gewesen; er besass die strenge
Rechtlichkeit, Gradheit und Abgeschlossenheit des nörd-
lichen Volkes. Nie hatte er auch nur versucht, eine fremde
Sprache zu erlernen, durch und durch deutsch war er
und wollte es sein. Er wird geschildert als ein Mann von
hagerem, starkknochigem Körper mit bleichem Gesicht
und blauen Augen, die tief verborgen unter stark vor-
springenden, buschigen, blonden Augenbrauen lagen.
Er war von melancholischem Temperament, nie zufrie-
den mit seinen Leistungen, was zusammen ihn viel-
leicht dahin gebracht hatte, einen Selbstmord zu versu-
chen, an dessen Ausführung er gehindert wurde. Etwas
dunkel Geheimnisvolles schien ihn zu umgeben. Studiert

Für V. S. gez.
v Gust. Klimt.

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